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Zivilisten suchen Schutz in der UN-Mission in der Republik Südsudan.
© Reuters

Südsudan: Das Ende der demokratischen Transition

Der Machtkampf in der politischen Elite Südsudans eskaliert. Die Zivilbevölkerung ist dringend auf den Schutz der internationalen Gemeinschaft angewiesen, notfalls mit militärischen Mitteln. Vorrangig sollten die politischen Widersacher aber zu Verhandlungen gedrängt werden, meint Annette Weber.

Schon seit einigen Monaten schwelt der politische Konflikt zwischen verschiedenen Kontrahenten in der ehemaligen Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung (SPLM). In der Nacht auf den 16.12. nun haben verschiedene Gruppen innerhalb der Garde des südsudanesischen Präsidenten Salva Kiir begonnen, sich gegenseitig zu beschießen. Einen Tag später ist mit Panzern und Granaten auf die Gebäude des ehemaligen Vizepräsidenten Riek Machar geschossen worden, der des Putsches bezichtigt wird. Der Präsident trat am selben Tag in Camouflage vor die Presse und verkündete, er und seine Armee hätten den Putsch erfolgreich niedergeschlagen, die Schuldigen würden verfolgt und die Ruhe sei wiederhergestellt. Mehr als 12.000 Menschen flohen auf das beengte Gebiet der Friedensmission der Vereinten Nationen. Am Nachmittag wurden Politiker verhaftet. Die Häuser von Familien aus der Ethnie der Nuer, der der ehemalige Vizepräsident angehört, wurden gezielt durchsucht. Es kam zu Verhaftungen und Exekutionen. Offiziell sind in der Hauptstadt Juba seit dem 16.12. mehr als 500 Menschen umgekommen. Zehn ehemalige Minister werden im Haus des Polizeichefs gefangen gehalten. Wo sich der ehemalige Vizepräsident befindet, ist unbekannt. In einem Interview hat er den Vorwurf des Putsches zurückgewiesen. Seit Mittwochnachmittag besetzt Peter Gadet, hochrangiger Militär und Nuer, Bor, die Hauptstadt des Bundesstaates Jonglei. Von hier aus werden Vergeltungsangriffe von Nuer-Kontingenten auf das 100 Kilometer entfernte Juba befürchtet.

Das Primat der Gewalt

Sollte es innerhalb der politischen Elite im Südsudan jemals ernsthafte Bemühungen um eine Transition von einer militärischen Bewegung in eine zivile Regierung gegeben haben, so ist nun endgültig Schluss damit. Schon im Juli hatte Präsident Salva Kiir zwei Schlüsselfiguren des Politbüros von ihren Ämtern suspendiert: den Vizepräsidenten Riek Machar und den Generalsekretär der Partei und Chefverhandler des Friedensabkommens mit dem Norden, Pagan Amum. Einige Monate vorher hatten beide ihr Interesse an einer Präsidentschaftskandidatur öffentlich gemacht und damit die Hierarchie in Partei und Regierung in Frage gestellt. Auch das Kabinett wurde ausgetauscht und unliebsame Minister durch Kiir-Loyalisten ersetzt. Viele der nun Verhafteten gehörten noch bis vor wenigen Monaten der Regierung an. Das Land, das erst im Jahr 2011 unabhängig geworden ist, hat ein sehr geringes Maß an Widerstandsfähigkeit gegenüber Irritationen. Um ihnen Herr zu werden, setzt die Regierung nicht auf politische Lösungen, sondern auf militärische Eskalation und - trotz anderslautender Beteuerungen - auf ethnische Teilung. Obgleich der Präsident am Mittwoch zu einem Vermittlungsgespräch eingeladen hat, bleiben der Haftbefehl gegen Riek Machar und die Verhaftung von mindestens zehn ehemaligen Ministern bestehen, was Zweifel am Verhandlungswillen der Regierung aufkommen lässt. Aber auch der ehemalige Vizepräsident scheint auf eine militärische, nicht auf eine politische Lösung zu setzen, wie die Mobilisierung ihm nahestehender militärischer Kräfte zeigt.

Eine Konsequenz des militärischen Denkens ist die Unterwerfung des Politischen unter das Primat der Gewalt. Im Vordergrund stehen nicht mehr unterschiedliche politische Positionen der Beteiligten, sondern deren ethnische Zugehörigkeit. Mit der gezielten Verfolgung von Nuer sind Tür und Tor für eine Vertiefung der ethnischen Gräben geöffnet. Der Großteil der im Zuge der Unruhen verhafteten ehemaligen Kabinettsmitglieder sind allerdings keineswegs Nuer. Dies könnte im besten Fall zu einer Versandung des Konfliktes führen, im schlimmsten Fall zu einer weiteren Fragmentierung der Armee in ethnische Einzelteile, die sich in einem Bürgerkrieg gegenseitig bekämpfen.

Schutz der Zivilbevölkerung auch mit militärischen Mitteln

Noch sind die Vereinten Nationen, die mit 7.600 militärischen und mehr als 2.000 lokalen und internationalen zivilen Kräften vor Ort sind, vorrangig damit beschäftigt, die humanitäre Lage in den Griff zu bekommen. Wenn es nun aber tatsächlich zu einer Ausweitung der Kämpfe in die Provinzen oder einem Vergeltungsangriff auf Juba kommen sollte, sollten sie dringend gemäß ihrem Mandat militärische Mittel zum Schutz der Zivilbevölkerung einsetzen. Der Regierung im Südsudan muss klar signalisiert werden, dass weder ethnische Säuberungen noch Angriffe auf die Wohnhäuser und Massenverhaftungen von unliebsamen Politikern hinnehmbare Mittel zur Konfliktaustragung sind.

Weder die westlichen Partner, noch die AU dürfen sich enttäuscht vom Südsudan abwenden. Stattdessen sollten sie sich gerade jetzt aktiv für die Einstellung der Gewalt und für eine friedliche Verhandlungslösung einsetzen. Am sinnvollsten wäre dabei eine Verhandlung unter der dem Dach der Regionalorganisation IGAD. Sie ist die Gruppierung der Nachbarstaaten, die schon den Beginn der Friedensverhandlungen mit dem Norden eingeleitet haben und die von einer Ausbreitung des Konflikts, auch über die Grenzen des Landes hinaus, betroffen wären.

Annette Weber forscht an der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) u.a. zu regionalen und innerstaatlichen Konflikten am Horn von Afrika, in Sudan und Südsudan. Sie leitet die Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika. Die Stiftung berät Bundestag und Bundesregierung in allen Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik. Der Artikel erscheint auf der SWP-Homepage in der Rubrik "Kurz gesagt".

Annette Weber

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