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Schlechte Aussichten: Der Partei laufen die Protestwähler davon, die in der AfD ein neues Ventil gefunden haben.
© dpa

Parteitag in Magdeburg: Die Linke auf der Suche nach Kraft und Saft

Vor ihrem Parteitag in Magdeburg hadert die Linke mit einer Strategie gegen zunehmende Konkurrenz von rechts. Und mit der Kritik ihres ehemaligen Fraktionschefs Gregor Gysi.

580 Delegierte treffen sich am Wochenende zum Linken-Bundesparteitag in Magdeburg. Ein neuer Vorstand wird gewählt, die seit 2012 amtierenden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger stellen sich zur Wiederwahl.

Der Zustand der Partei

„Saft- und kraftlos“ erscheine die Linke gegenwärtig – der ehemalige Fraktionschef Gregor Gysi provozierte kurz vor dem Treffen in Magdeburg. Es war eine Spitze auch gegen die jetzige Führung von Partei und Fraktion, die aus Sicht von Gysi noch nicht hinreichend unter Beweis gestellt hat, dass sie in der Lage ist, die Krise der Partei zu managen.

Denn die gibt es ohne Zweifel: An den Ergebnissen der Landtagswahlen vom März hat die Partei mächtig zu kauen. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz scheiterte die Linke erneut an der Fünfprozenthürde. Und in Sachsen-Anhalt fiel sie mit deutlichem Abstand auf Platz drei zurück. Das war besonders bitter, weil die Partei sich dort ausgemalt hatte, unter Führung von Spitzenkandidat Wulf Gallert nach Bodo Ramelow in Thüringen einen zweiten Ministerpräsidenten in einer rot-rot-grünen Koalition zu stellen.

Die Wahlanalysen zeigten: Die Linke hat in erheblichen Größenordnungen an die AfD verloren. Ihre klassische Klientel unter Erwerbslosen und Arbeitern wanderte ab zu den Rechtspopulisten und ins Nichtwählerlager – Zugewinne in den urbanen Zentren schafften nicht den notwendigen Ausgleich. Ein Großteil der Bevölkerung habe das Gefühl, dass etablierte Politik nichts mehr mit ihnen zu tun habe, analysierte vor dem Parteitag Linken-Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn – er ist in Magdeburg zu Hause.

„Wir dürfen uns nichts vormachen, auch uns trifft diese Akzeptanzkrise, denn wir gehören dazu.“ Eine „Mischung aus Enttäuschung, Hoffnungslosigkeit, bis zur Verachtung des politischen Systems und der Demokratie schlechthin“ beobachtet der Parteimanager. Wer früher gar nicht zur Wahl gegangen sei, wähle heute oft AfD.

Um ihre Wiederwahl fürchten müssen Kipping und Riexinger dennoch nicht. Die 38-jährige Literaturwissenschaftlerin aus Sachsen und der 60-jährige Gewerkschaftssekretär gelten als gut eingespieltes Team. Vor allem Kipping kämpft gegen das Altbackene der Linkspartei, während Riexinger seine Aufgabe vor allem darin sieht, die verschiedenen Lager der Partei zu integrieren. Kontroversen haben die beiden durchaus – etwa in der Frage des bedingungslosen Grundeinkommens: Kipping ist dafür, Riexinger strikt dagegen. Diese Meinungsverschiedenheiten haben aber nicht zu einem Zerwürfnis geführt. Eine lebhafte Personaldebatte, wie sie vor Jahren um die damaligen Vorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch bekannt wurden, gibt es nicht.

Die AfD-Konkurrenz

Die Erfolge der AfD haben zur Verunsicherung der Linkspartei maßgeblich beigetragen. Soll man um deren Wähler kämpfen oder sie als verloren abschreiben? Vor allem Fraktionschefin Wagenknecht vermittelte – ähnlich wie ihr Ehemann, der Ex-Vorsitzende Oskar Lafontaine – den Eindruck, sie wollten sich in der Flüchtlingspolitik zum Fürsprecher „besorgter Bürger“ machen.

Die Linke nehme die Herausforderung durch die rechtspopulistische AfD „sehr ernst“, versichern dagegen die meisten anderen Spitzenfunktionäre. Als Reaktion auf den Höhenflug der AfD aber dürfe es ausdrücklich keine Korrektur in der Flüchtlingspolitik der Linken geben. Das soll auch in den Leitanträgen deutlich werden, die in Magdeburg zur Abstimmung stehen. „Die Linke erteilt den Asylrechtsverschärfungen eine entschiedene Absage“, heißt es. „Sie wendet sich damit gegen eine Politik, die den Rechten hinterherläuft, anstatt sie zu bekämpfen.“

Auch Fraktionschef Dietmar Bartsch betonte vor dem Parteitag: „Das Grundrecht auf Asyl kennt keine Obergrenzen, und das bleibt auch so.“ Sein Stellvertreter Jan Korte sagte: „Es gibt einen harten Kern von AfD-Wählern, die stramm rassistisch sind. Die sind nicht rückholbar.“ Aber ein ganz großer Teil seien Leute, die mit der Wahl der AfD ein Zeichen an die anderen hätten setzen wollen. „Um die will ich kämpfen.“ Linken-Chef Riexinger: „Wir müssen die AfD angreifen“ – und klarmachen, dass sie in sozialen Fragen „nichts zu sagen“ habe.

Die Machtperspektive

In der Linkspartei führten die Wahlschlappen nach dem März zu Existenzängsten. Von drohender Bedeutungslosigkeit sprachen Spitzenfunktionäre wie der ehemalige Parteivorsitzende Klaus Ernst, sahen die Partei bereits in einer Art „Abwärtsspirale“. Die Berliner Bundestagsabgeordnete Petra Pau, Vizepräsidentin des Parlaments, machte bei einer Parteiveranstaltung sogar deutlich, dass sie 2017 ein erneutes Scheitern an der Fünfprozenthürde fürchte – so wie sie das 2002 als erlebt hat; neben ihr war damals für die PDS nur noch Gesine Lötzsch direkt in den Bundestag gewählt worden.

Diese Ängste haben sich zuletzt wieder etwas verflüchtigt, nachdem die Partei in den Umfragen wieder etwas höher kletterte. Sie liegt bei Werten zwischen acht und neun Prozent – und damit in etwa auf der Höhe des Resultats der Bundestagswahl 2013. Was allerdings nichts daran ändert, dass es anders als damals 2017 voraussichtlich nicht einmal rechnerisch reichen würde für eine rot-rot-grüne Regierung. Ganz abgesehen davon, dass sich die SPD einer ernsthaften Diskussion um ein solches Bündnis verweigert und auch keine „Liste der Gemeinsamkeiten“ aufstellen mag, so wie die Linkspartei das gerne hätte. Als „Kristallisationspunkt eines Lagers der Solidarität“ mag sich die Partei inszenieren – ein Projekt mit wenig Schlagkraft, solange SPD und Grüne nicht mittun.

So bleibt bis auf Weiteres der Verweis auf Thüringen, wo im Dezember 2014 mit Bodo Ramelow erstmals ein Politiker der Linken zum Regierungschef eines Bundeslandes gewählt wurde. „Die Linke kann, wenn sie will – dafür ist Thüringen das beste Beispiel“, sagt Bundesgeschäftsführer Höhn. Und dort, wie auch in Brandenburg, zeige sich: „Es ist nicht egal, wer regiert.“ Ramelow kann seine geplante Rede am Samstagmittag wegen einer Krankheit zwar nicht selber halten. Doch in einem Gastkommentar für das „Neue Deutschland“ legte er zuvor die Linie fest: „Jetzt müssen wir die politische Linke von morgen erfinden. Die Zukunft liegt diesseits der Mitte, die Zukunft ist links. Wenn wir diesen Satz nicht mehr laut sagen, dann geben wir den Gestaltungsanspruch der politischen Linken auf. Und das sollten wir ganz und gar nicht.“

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