Immer einsamer, isolierter und frustrierter: Die letzten Tage Donald Trumps als US-Präsident
Um Trump ist es seit dem Sturm auf das Kapitol ruhig geworden. Beratern zufolge bereitet ihm nicht nur das Impeachment Sorgen – sondern auch drei andere Dinge.
Mitte der Woche traf sich US-Präsident Donald Trump mit Lindsey Graham, republikanischer Senator für South Carolina. An Bord von Trumps Dienstflugzeug sprachen die beiden über das Amtsenthebungsverfahren und darüber, wie der scheidende Präsident seine letzten Tage im Weißen Haus angehen solle.
Ausgerechnet Graham, der nach dem Sturm auf das Kapitol schon fast mit Trump gebrochen hatte. Er kritisierte dessen Versuche, die Präsidentschaftswahl noch zu kippen, teils heftig. Doch wenige Tage später schon ruderte Graham zurück und blieb einer der treusten Trump-Verbündeten. Anders als Vizepräsident Mike Pence oder Trumps Privatanwalt Rudy Giuliani.
Pence war in Trumps Ungnade gefallen, da er das Wahlergebnis im Kongress nicht anfechten wollte. Und über Giulianis verzweifelte Versuche, der Öffentlichkeit von den Chancen eines Trump-Wahlsieges zu überzeugen, war Trump zuletzt nicht mehr ganz so glücklich.
Die Washington Post berichtet, der scheidende US-Präsident wolle Giulianis Rechnungen nicht mehr zahlen. Er wolle sogar die Berichte, die Giuliani ihm vorgelegt hat, prüfen lassen. Scheinbar haben Trumps Berater ihm verdeutlichen können, dass die Thesen, die Giuliani aufgestellt hatte, zumindest streitbar sind.
Somit sind nicht mehr viele Verbündete übrig, die Trump auch an sich heranlässt. Deshalb also Graham. Trump soll Graham gebeten haben, die republikanischen Senatoren zu überreden, seine Amtsenthebung zu verhindern. Der Washington Post zufolge soll Graham sogar noch im Flugzeug eine Liste von Senatoren abgearbeitet haben.
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Einige Senatoren sollen Trump daraufhin telefonisch zugesichert haben, dass sie ein Impeachment ablehnen. Damit konnte Graham Trump wohl ein wenig besänftigen – kurz zuvor hatte die republikanische Abgeordnete, Liz Cheney, mitgeteilt, dass sie Trump beim Amtsenthebungsverfahren nicht unterstützen werde. Cheney ist die Nummer drei der Republikaner im Abgeordnetenhaus.
Graham habe eigenen Aussagen zufolge, die er mit mehreren US-Medien teilte, zu Trump gesagt: „Es gibt einige Leute, die schon zuvor aufgebracht waren und es auch jetzt noch sind, aber ich kann versichern: Die meisten Republikaner denken, dass ein Impeachment schlecht für das Land ist, nicht notwendig und die Präsidentschaft im Allgemeinen beschädigen würde.“
Die meisten republikanischen Wähler und die Mehrheit der Republikaner im US-Kongress stehen weiterhin hinter Trump. Statt mit Trump zu brechen, stellen sie sich hinter ihn und stellen ihn mitunter sogar als Opfer dar – der Demokraten und aller, die sich gegen den abgewählten US-Präsidenten gerichtet haben.
Das deckt sich auch mit einer Umfrage des US-Mediums Axios: Nur einer von 100 Trump-Unterstützern stimmt zu, dass Trump sofort aus dem Amt entfernt werden muss. Immerhin ein Viertel der traditionell republikanischen Wählerschaft sieht das so.
Mehr als 90 Prozent der Trump-Unterstützer stehen weiterhin hinter Trump und der Anfechtung des Wahlergebnisses und wollen, dass er sich 2024 wieder zur Wahl stellt. Das sieht die Mehrheit der traditionell republikanischen Wählerschaft hingegen anders.
Trump selbst glaubt nicht, dass er noch vor dem 20. Januar, dem Tag der Amtseinführung Joe Bidens, aus dem Amt entfernt werde – das sagte er laut Washington Post seinen Beratern. Damit dürfte er recht haben: Es ist sehr wahrscheinlich, dass der US-Senat erst nach dem kommenden Mittwoch über das Impeachment Trumps entscheidet.
Den Beratern zufolge macht sich Trump derzeit über drei andere Dinge mehr Sorgen, die ihm die Zeit nach der Präsidentschaft erschweren könnten: Erstens, dass Twitter und andere soziale Netzwerke seine Accounts gesperrt haben. Zweitens, dass der Spitzenverband der Golfer ein großes Turnier auf einer seiner Anlagen abgesagt hat. Und drittens, dass die Deutsche Bank ihm nicht weiter für Finanzierungen zur Verfügung steht.
Seine Tochter, Kushner und Pence drängten Trump zu Video-Statement
Es ist möglich, dass sein Video-Statement aus dem Oval Office somit mit Kalkül gewählt war. Ein Statement, in dem er sich ungewohnt präsidial gibt und dazu aufruft, dass es bei weiteren Demonstrationen „keine Gewalt, kein Gesetzbrechen und kein Vandalismus jeglicher Art“ geben dürfe.
Sein Chefberater Jared Kushner, seine Tochter Ivanka Trump und Vize Pence sollen ihn zu diesem Video gedrängt haben – es könne ihm die Unterstützung von „schwachen“ Republikanern sichern. Sie rieten ihm, das Impeachment nicht zum großen Thema zu machen, was er auch nicht tat.
Und trotzdem: In Trumps Umfeld mehren sich mehreren US-Medienberichten zufolge die Stimmen, dass Trumps „Anstiftung zur Rebellion“ vor dem Kapitol zu eindeutig war, um es zu verteidigen. Deshalb distanziert sich Trump von vielen seiner bisherigen Vertrauten und baut auf Leute wie Lindsey Graham.
„Ich glaube, das ist die logische Schlussfolgerung von jemanden, der nur Menschen in seinem engsten Kreis haben will, die für ihn durchs Feuer gehen. Doch es ist ein Punkt erreicht, an dem alle ausgebrannt sind“, sagt ein hochrangiges Mitglied der Trump-Regierung der Washington Post.
„Zwischen der Bestätigung des Wahlergebnisses und der Amtseinführung des neuen Präsidenten sollte eigentlich Zeit sein, die Amtszeit Revue passieren zu lassen und auf die Errungenschaften zu schauen, die in den vier Jahren erbracht wurden“, sagt Kellyanne Conway, eine langjährige Beraterin Trumps. „Doch anstatt diese Errungenschaften zu feiern, haben wir den Horror gesehen, als das Kapitol gestürmt wurde.“
Nach seinem Besuch in Texas – beim Rückflug hatte er Graham getroffen – ist der Terminkalender des scheidenden US-Präsidenten leer. Es wird berichtet, dass Trump in seinen letzten Tagen als Präsident wenig macht außer fernzusehen und mit seinen übrig gebliebenen Loyalisten gegen Republikaner zu wettern, die ihn nicht genug verteidigen.
„Er fühlt sich immer einsamer, isolierter und frustrierter“
Trump ist allerdings nicht nur enttäuscht von Vize Pence und anderen Parteikollegen, sondern auch von Journalisten wie der Moderatorin Laura Ingraham, die ihn mehrmals für Fox News interviewen durfte.
„Er fühlt sich immer einsamer, isolierter und frustrierter“, sagt ein ehemaliger Regierungsoffizieller. „Wonach er Unterstützer bewertet hat, war: 'Wer sagt gute Dinge über mich oder kämpft für mich?' Doch er schien niemals zu glauben, dass da genügend Leute sind, die ihn stark genug unterstützten.“
Wie es in den USA weitergeht, hängt laut Jo-Marie Burt, Politikwissenschaftler an der George Mason-Universität, stark vom Ausgang des Impeachments ab. „Wenn Straflosigkeit erlaubt wird, verletzt das das amerikanische Experiment“, so Burt. Wenn Trump nicht zur Rechenschaft gezogen werde, könne es dazu führen, dass die Menschen irgendwann sagen: „Weißt du, das passiert eben mal.“
Die gute Nachricht für die restlichen Tage von Trumps Amtszeit ist: Er hat keinen uneingeschränkten Einfluss auf den Sicherheitsapparat der USA. „Ich glaube, die Chancen einer rechtsgerichteten Übernahme der Macht tendieren gegen null“, sagte Joseph Nye, Politikwissenschaftler der Harvard-Universität, der Washington Post zufolge. „Es mag sein, dass einige der rechtsextremen Gruppen Gewalt provozieren werden“, so Nye, „aber ein Putsch ist nicht im Rahmen ihrer Möglichkeiten.“