Windkraft, Kohleausstieg, Heizkosten: Die Klimaschutzdebatte bleibt vage – diese drei Hürden sind konkret
Die Parteien reden über Klimaschutz, doch die Konsequenzen werden kaum thematisiert. Welche Herausforderungen folgen aus den Emissionseinsparungen?
Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden – dann soll das Land nicht mehr Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre ausstoßen, als Luftfilteranlagen oder wachsende Wälder ihr auch wieder entnehmen. Vor allem nach der Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und in der Eifel im Juli rückte der Klimaschutz wieder auf die Agenda: Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte wenig später einen „Klima-Ruck“, und am Dienstag stellte die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Brandenburg ein Klimaschutz-Sofortprogramm vor.
Auch die Wähler sind von dem Thema gebannt: Die Klimakrise ist laut Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen gleich nach der Pandemie das wichtigste Problem, das Menschen in Deutschland beschäftigt. Doch die entscheidenden Debatten beim Klimaschutz werden kaum geführt: Dazu gehört unter anderem der schleppende Ausbau der Windkraft an Land, ein vorgezogener Kohleausstieg und die Frage, wem die Heiz- und Sanierungskosten zuzumuten sind.
Zum schleppenden Windkraft-Ausbau sagt Thorsten Lenck, Erneuerbaren-Experte bei der Denkfabrik Agora Energiewende: „Im Mittel dauert es mehr als fünf Jahre, ehe ein Windenergieprojekt genehmigt ist. So kann es nicht weitergehen, schließlich will Deutschland bis 2045 klimaneutral sein.“
Der Ausbau muss Lenck zufolge dreimal so zügig ablaufen. Doch neben schnelleren Genehmigungsverfahren müssten die Behörden auf Landes- und kommunaler Ebene „dringend mehr Flächen für die Windkraft ausweisen“: insgesamt zwei Prozent aller bundesweiten Flächen und damit doppelt so viel wie bisher.
„Damit unsere Gesellschaft ohne Kohle, Öl und Gas auskommt, müssen wir die Windkraft konsequent ausbauen.“ Diese sei eine wichtige Säule des zukünftigen Energiesystems – neben Photovoltaik, Speichern und Kraftwerken auf Basis von grünem Wasserstoff.
„Vorgezogener Kohleausstieg gehört ganz oben auf die Agenda“
Laut Philipp Litz, Kohleexperte von der Agora Energiewende, müsste die Politik für die Klimaziele auch den Abbau der besonders schmutzigen Kohleenergie vorantreiben. „Alle Klimaschutz-Szenarien kommen zu dem selben Schluss: Der Kohleausstieg muss acht Jahre früher als geplant geschehen, also bis 2030.“
Dafür brauche es eine Reform des europäischen Emissionshandels, die die Kohlekraft unretabler macht, sodass sie durch weniger klimaschädliche Energien ersetzt wird. „Damit die Kohleregionen den nötigen Strukturwandel rechtzeitig bewältigen können, gehört das Thema des vorgezogenen Kohleausstiegs ganz oben auf die Agenda der Ministerpräsidenten.“
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Dass die Gesellschaft kaum über einen vorgezogenen Kohleausstieg debattiert, erklärt sich Litz damit, dass seit der Einigung auf den Ausstieg 2019 das Thema in der öffentlichen Wahrnehmung als abgehakt gilt. „Die neuen Klimaziele geben aber jetzt nochmal ein ganz anderes Tempo bei der Energiewende vor.“
Mieter schultern Mehrkosten durch CO2-Preis allein
Eine weitere Frage, die sozialen Sprengstoff birgt: Wer die zusätzlichen Kosten durch den CO2-Preis für das Heizen von Mietwohnungen trägt. Für Millionen Deutsche hat sich das Heizen verteuert, denn seit Anfang des Jahres gilt für Heizöl und Erdgas ein CO2-Preis von 25 Euro pro Tonne. Diese Mehrkosten lassen sich nur vermeiden, wenn eine klimafreundliche Wärmepumpe angeschafft ist oder weniger geheizt werden muss. Doch wer ist am Ende verantwortlich?
Manfred Fischedick, Wirtschaftsforscher und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, sagt: „Seit vielen Jahren schieben sich Mieter und Vermieter in dieser Frage den schwarzen Peter zu.“ Auf der einen Seite entschieden die Mieter selbst, wie viel sie heizen. „Auf der anderen Seite können aber nur die Vermieter schlecht isolierte Fenster austauschen oder Wärmepumpen installieren lassen.“
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Noch müssen Mieter den CO2-Preis vollständig aus eigener Tasche bezahlen und diese Zumutung allein tragen. „Wenn beide Seiten in der Pflicht sind, wäre es denkbar, die Mehrkosten durch den CO2-Preis zwischen Mieter und Vermieter zu teilen“, sagt Fischedick. Diesen Vorschlag hatte auch die SPD unterbreitet – scheiterte in der Bundesregierung aber am Widerstand der Union.
„Genauso könnte man die Mehrkosten dem Vermieter aufbürden, aber gleichzeitig mit Förderprogrammen Anreize für eine Sanierung schaffen.“ Fischedick vermisst an diesem Punkt jedoch die gesellschaftliche Debatte – wie bei vielen anderen Fragen des Klimaschutzes.
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