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Mmusi Maimane (Mitte), Chef der Oppositionspartei Democratic Alliance (DA).
© Gianluigi Guercia/AFP

Wahlen in Südafrika: Die Hoffnung am Kap ist blau

Viele setzen bei der Wahl in Südafrika am Mittwoch auf die Oppositionspartei DA mit ihrem Chef Maimane. Doch der ANC wird wohl allein an der Macht bleiben.

Die politische Welt in Südafrika kennt drei Farben: gelb, rot und blau. Im Dobsonville Stadion in Soweto ist die Welt durch und durch blau. Zu Tausenden strömen die Menschen zur Abschlusskundgebung der größten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) – in blauen T-Shirts, Caps, mit blauen Tröten und einige mit blau gefärbten Haaren. Sie tanzen, klatschen und singen.

Blau ist an diesem Samstag, wenige Tage vor den Parlamentswahlen am Mittwoch, die Farbe der Hoffnung. „Wir sind es so leid, was in Südafrika abläuft“, sagt eine junge Frau, auch sie trägt den DA-Slogan „One South Africa for all“ auf ihrem blauen T-Shirt. „Hier muss sich alles ändern.“

Ihr Hoffnungsträger heißt Mmusi Maimane. Der Chef der liberalen Oppositionspartei DA ist hier aufgewachsen, in dem riesigen Township Soweto bei Johannesburg. „Leute, es ist ist schön, wieder zu Hause zu sein!“, ruft der 38-Jährige, als er im perfekt sitzenden Anzug ans Rednerpult tritt. In verschiedenen Sprachen des Vielvölkerstaats begrüßt er seine rund 15.000 Anhänger.

Maimane, charismatisch und gutaussehend, ist ein Redner mit Obama-Qualitäten, er hält eine „Yes, we can“-Rede, haut mit der Faust aufs Pult, wenn er die Korruption in der Regierungspartei ANC geißelt, und senkt mitfühlend die Stimme, wenn er die Nöte der Bevölkerung beschreibt. „Dies ist ein Schicksalsmoment für Südafrika.“

48 Parteien treten zur Parlamentswahl an. Die Regierungspartei African National Congress (ANC), die das Land seit dem Ende der Apartheid 1994 regiert – ihre Farbe ist gelb – wird allen Prognosen zufolge wieder die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen. Dennoch wird das Ergebnis der Wahlen mit Spannung erwartet: Wie tief wird der ANC, der 2009 noch zwei Drittel aller Stimmen erhielt und 2014 noch 62 Prozent, fallen?

Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa.
Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa.
© Sumaya Hisham/Reuters

Kann der ehemalige Gewerkschafter und heutige Multimillionär Cyril Ramaphosa, Nachfolger des korrupten Jacob Zuma und Staatschef seit Februar 2018, das Vertrauen der Wähler wiedergewinnen? Kann die DA weiter zulegen, die 2014 auf 22 Prozent der Stimmen kam? Wird der ANC, der 2014 bereits die wichtige Provinz Western Cape an eine DA-geführte Koalitionsregierung abgeben musste, auch die wirtschaftlich bedeutendste, bevölkerungsreichste Provinz Gauteng verlieren, in der Johannesburg und Pretoria liegen?

Interessant wird auch sein, wie die – stets rot gewandeten – „Economic Freedom Fighters“ (EFF) abschneiden werden. 2014 zogen die linkspopulistischen Wirtschaftlichen Freiheitskämpfern mit sechs Prozent ins Parlament ein. Ihr Führer Julius Malema fordert die entschädigungslose Enteignung von Farmland und spart nicht mit unterschwellig rassistischen Angriffen gegen Weiße.

Viele haben sich nicht registrieren lassen

Damit spricht er vor allem die große Gruppe frustrierter junger schwarzer Männer an – die allerdings am seltensten wählen gehen. Nur 26 von 36 Millionen wahlberechtigten Südafrikaner haben sich für die Wahlen registriert, von den unter-29-Jährigen sind es nur die Hälfte, bei den 18/19-Jährigen sogar nur 16 Prozent. „Meine Generation weiß gar nicht, wen sie wählen soll“, sagt die junge Kapstädterin Philile Ntombela. „Viele werden aus Protest nicht wählen.“

Die Unzufriedenheit im Land ist in allen Bevölkerungsgruppen groß. Vor allem die Korruptionsskandale unter der Regierung von Jacob Zuma, der von 2009 bis 2018 an der Macht war, haben die Menschen verbittert. Zumas Nachfolger Cyril Ramaphosa will aufräumen und hat eine Kommission eingesetzt, die die Lebensläufe aller ANC-Kandidaten überprüft.

Julius Malema, Chef der linkspopulistischen EEF.
Julius Malema, Chef der linkspopulistischen EEF.
© Michele Spatari/AFP

Die Ergebnisse sind aber noch unter Verschluss. „Wir wollten unseren Bericht gerne vor der Wahl veröffentlichen, damit die belasteten Kandidaten gar nicht erst antreten“, sagt Sue Rabkin, die in der Kommission sitzt – und wie sie sagt, seit jeher Mitglied des ANC ist. Aber die Widerstände seien zu stark gewesen. Die 70-jährige gebürtige Britin hofft, dass ein gutes Ergebnis für den ANC Ramaphosa den Rückenwind geben könnte, um sich gegen seine parteiinternen Widersacher zu behaupten.

Dass die schleppende Aufarbeitung der ANC-Korruptionsfälle den anderen Parteien Angriffsfläche bietet und die Wähler frustriert, ist offenkundig. „Aber viele schwarze Südafrikaner werden trotz ihrer Wut wieder den ANC wählen“, sagt Michael Morris vom Johannesburger Institute of Race Relations (IRR). „Die Treue für die Bewegung, die sie von der Apartheid befreit hat, ist immer noch groß.“

Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Infrastruktur

Tatsächlich sind die Parteipräferenzen immer noch eng mit der Ethnie verbunden. Eine IRR-Umfrage zeigt: Die Wähler des ANC sind zu 96Prozent schwarz, die des EFF zu 97Prozent. Einzig die Wählerschaft der DA spiegelt die Vielfalt in Südafrika wider mit 27 Prozent schwarzen, 37 Prozent weißen, 28 Prozent „coloured“ und acht Prozent asiatischen Wählern. Dass die DA eine „weiße“ Partei sei, wie der ANC immer behauptet, bestätigt sich im Dobsonville Stadion nicht: Fast alle Besucher sind schwarz.

In der Umgebung der Arena wird deutlich, worunter Südafrika, das am meisten entwickelte Land des Kontinents, leidet: Armut, Arbeitslosigkeit, schlechte Infrastruktur, fehlende Wohnungen und Häuser. Immer wieder fällt der Strom aus, die Menschen aus den Townships müssen – trauriges Erbe der segregierten Wohnpolitik zu Apartheid-Zeiten – zu ihren Arbeitsplätzen weit fahren, jede Erhöhung der Benzinpreise trifft sie empfindlich.

27 Prozent der Südafrikaner sind arbeitslos

Wer ein kleines Haus hat, baut im Garten Wellblechhütten und vermietet sie an Ärmere, oft Einwanderer aus Simbabwe oder Mozambique. 27 Prozent der Südafrikaner sind arbeitslos, junge Menschen sogar zu mehr als 50 Prozent. Die Kriminalitätsrate gehört zu den weltweit höchsten.

„Das größte Versäumnis des ANC in all den Jahren war es, die Bildung vernachlässigt zu haben“, sagt der Journalist Anton Harber. Zwar gehen 20 Prozent des Haushalts in die Bildung, aber da das Geld oft bei korrupten Staatsangestellten verschwindet, sind die Resultate erschreckend: Südafrikanische Kinder können schlechter lesen und schreiben als in Bangladesch oder im Tschad. Einwanderer aus Simbabwe sind besser gebildet als Einheimische und werden in Gastronomie und Hotels oft bevorzugt eingestellt. Immer wieder kommt es daher zu fremdenfeindlichen Ausschreitungen in den Townships.

„Einen Job für jeden Haushalt“ verspricht Mmusi Maimane seinen Anhängern an diesem Samstag im Stadium, eine funktionierende Grundversorgung, einjährige Berufspraktika für alle Schulabgänger. Seine Anhänger jubeln. Doch viele Südafrikaner haben jedes Vertrauen in Politiker verloren.

Die Reise nach Südafrika wurde von der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit unterstützt.

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