Südafrikas Oppositionschef Maimane: "Der ANC wird nie gegen Korruption vorgehen"
Südafrikas Oppositionsführer Maimane über die Lage im Land, die Chancen seiner Partei bei den Wahlen und Migrationsprobleme. Ein Gespräch.
Herr Maimane, viele Menschen in Südafrika waren froh, als Jacob Zuma von seiner eigenen Partei ANC gezwungen wurde, als Präsident zurückzutreten. Sie auch?
Ja, sehr froh. Sehen Sie, das war unser Werk. Meine Partei, die Democratic Alliance, hat ihn wegen Korruption vor Gericht gebracht. In den vergangenen zehn Jahren hat Jacob Zuma Südafrika Milliarden US-Dollar gekostet. Seine größte Verfehlung ist allerdings, dass er mit dem ANC ein wirtschaftliches Umfeld geschaffen hat, das viele unserer Bürger arbeitslos gemacht hat. Aber als ich dem heutigen Präsidenten Cyril Ramaphosa gratulierte, habe ich ihm gesagt: Wir haben kein Jacob-Zuma-Problem, wir haben ein ANC-Problem, denn der ANC hat ihn gedeckt.
Ihre Partei hat sich zur größten Oppositionspartei mit 22 Prozent bei den Parlamentswahlen 2014 und 27 Prozent bei den landesweiten Kommunalwahlen 2016 entwickelt. Wäre es für die DA nicht besser gewesen, bei den Parlamentswahlen im nächsten Frühjahr wieder gegen einen ANC mit Zuma an der Spitze anzutreten?
Überhaupt nicht. Südafrika sieht sich enormen Problemen gegenüber. Wir sind das Land mit der größten sozialen Ungleichheit in der Welt. Südafrika ist ein gespaltener Staat. Auf der einen Seite sind diejenigen, die einen Job haben, ein Haus, eine Krankenversicherung, deren Kinder Privatschulen besuchen. Für diese Menschen ist Ramaphosa vielleicht ein Engel, der vom Himmel gestiegen ist, dem sie vertrauen.
Und die andere Seite?
Das sind diejenigen, die arbeitslos sind. Die Arbeitslosigkeit liegt bei knapp 30 Prozent. Und das sind jene, die arm sind. Mehr als 50 Prozent der Bürger leben unter oder an der Armutsgrenze. Für diese Menschen hat sich seit Ramaphosas Amtsantritt gar nichts geändert. Darum war der Rücktritt Zumas so wichtig. Um den Menschen zu zeigen: Es war nicht Jacob Zuma, es ist der ANC, und das System macht einfach so weiter. Aber ich bin zufrieden, dass immer mehr Korruption publik wird und immer mehr Menschen das registrieren. Die DA darf nicht aufhören, diese Koalition von Menschen zu bilden, die an unsere Ideale und Visionen für Südafrika glauben.
Cyril Ramaphosa gilt als politischer Ziehsohn Nelson Mandelas. Wie ist Ihr Verhältnis zu ihm?
Ich habe Respekt vor ihm, aber ich kann natürlich nicht darüber hinwegsehen, dass er Teil der ANC-Administration war. Er ist eben kein Engel, der vom Himmel herabgestiegen ist. Er ist Teil des Problems. Ich hasse ihn nicht, er ist mein Gegenspieler, nicht mein Feind. Aber er darf nicht glauben, dass ich es ihm einfach mache, weil Cyril Ramaphosa anders ist als Jacob Zuma. Ich werde ihn behandeln wie den Rest des ANC. Weil ich glaube, es wäre besser für Südafrika, wenn der ANC nicht mehr regieren würde.
Der Präsident hat bei seinem Amtsantritt immerhin angekündigt, das große Problem Korruption anzugehen.
Korruption ist ein System. Der ANC wird nie gegen Korruption vorgehen. Es ist wie ein Krebs, der in den Blutbahnen des ANC sitzt und verhindert, dass die Partei anders agiert. Wir dagegen trennen Staat und Partei. Wir gehen aktiv gegen Korruption bei uns vor.
Ihr nächstes Ziel ist, bei den Wahlen die Alleinherrschaft des ANC zu brechen und in eine Koalition zwingen. Wie wollen sie unter den Voraussetzungen mit dem ANC zusammenarbeiten?
Lassen Sie es mich so formulieren: Ich lehne es ab, um Korruption herum zu koalieren. Das ist ein sehr gefährlicher Gedanke. Wichtig für die Zukunft Südafrikas wird sein, den ANC zu spalten. So würden wir die Chance bekommen, mit Leuten zusammenarbeiten, die auch gegen Vetternwirtschaft und Korruption vorgehen wollen. Mit einem gespaltenen ANC, also einem Teil, der sich zu einem Anti-Korruptionsprogramm verpflichtet, könnte ich leben. Aber mit einem ANC wie er heute ist, wo kein Projekt ohne Korruption abläuft, halte ich eine Koalition für unwahrscheinlich. Wir gehen nur in eine Regierung zum Wohle der Bürger. Wenn wir das nicht können, muss es für uns heißen: Wir beteiligen uns nicht an der Regierung.
Was ist ihr Masterplan im Kampf gegen Korruption?
Ein erfolgreicher Kampf gegen Korruption beruht auf drei Säulen. Erstens bedarf es eines funktionierenden Staats. Unserer Meinung nach bedeutet das, der Staat muss die besten Leute beschäftigen. Der ANC hat ein System geschaffen, in dem Menschen im öffentlichen Dienst arbeiten, die nicht loyal zu den Bürgern stehen, sondern loyal zur Partei. Naturgemäß folgt daraus, dass für sie bei Entscheidungen gilt: Die Partei zuerst, nicht der Bürger zuerst – was natürlich Korruption steigert. Alle Maßnahmen wie zum Beispiel Ausschreibungen müssen offen einsehbar sein. Es dürfen keine Deals in Hinterzimmern gemacht werden. Alles, was der Staat macht, muss im Internet veröffentlicht werden.
Nach mehr als zwei Jahrzehnten ANC-Regierungen ist es eine Riesenaufgabe, der Korruption auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene Herr zu werden. Eine Menge Leute müssten gefeuert werden.
Stimmt, es ist eine große Herausforderung. Aber es ist notwendig. Denn Korruption untergräbt den Staat. Inkompetente Menschen sind anfällig für Korruption, solche Menschen vergeben millionenschwere Ausschreibungen, ohne zu verstehen, was sie da eigentlich tun. Es ist ein Kampf, den wir kämpfen müssen und in Johannesburg haben wir damit begonnen. Es wird zum Beispiel Korruption unter der ANC-Regierung untersucht, wo es um umgerechnet mehr als eine Milliarde Euro geht.
Und die alltägliche Korruption, unter der die Bürger leiden?
Genau, es geht auch um den Polizisten, der jemanden stoppt und Bestechungsgeld will. Wir brauchen auch da mehr Transparenz. Daher wollen wir nun in Johannesburg zum Beispiel die Polizeiwagen mit Kameras ausrüsten. Auf diese Weise machen wir uns immun gegen Korruption, und wir wollen sicherstellen, dass Menschen, die korrupt sind, strafrechtlich verfolgt werden – egal, wer sie sind.
Was wären Ihre Maßnahmen, wenn Sie an die Macht kämen?
Wir müssen unsere Wirtschaft reformieren, wobei die unsere Städte eine Vorreiterrolle einnehmen. Mehr als 60 Prozent unserer Bürger leben in Städten. Wir müssen riesige Staatsunternehmen privatisieren, so dass Unternehmer in diesen Branchen konkurrenzfähig werden. Auch jene, die heute außen vor sind, sollten an der Wirtschaft partizipieren können. In den Regionen, in denen die DA regiert, wurden 70 Prozent aller neuen Jobs geschaffen.
Was sind Ihre konkreten Vorschläge?
Das Leben der Menschen muss einfacher werden. Es gib eine Reihe von Dingen, die man sofort tun könnte. Ich würde sicherstellen, dass das Kabinett halbiert wird. Das würde verhindern, dass der öffentliche Dienst noch weiter aufgebläht wird, sonst muss man die Steuern immer weiter erhöhen. Eines meiner Ziele ist, die Steuern zu reduzieren. Das würde den Armen zu Gute kommen, die unter einer hohen Inflation leider. Und wir müssen unseren Strom billiger machen. Dafür muss der staatliche Energieversorger Eskom anders strukturiert werden. Das würde den Armen zusätzlich helfen, aber auch Unternehmensgründern, die so Geld sparen und mehr Leute einstellen könnten.
Was wollen Sie gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit tun?
Wir wollen ein staatlich finanziertes ziviles Jahr für junge Menschen einführen, in dem sie durch Praktika Jobs finden können. Denn der schnellste Weg aus der Armut ist Arbeit.
Die Armut betrifft vor allem auch Kinder. Deshalb müssen wir in unseren Städten mehr für frühkindliche Entwicklung tun. Denn die größte Auswirkung von Armut ist Unterernährung. Das ist eine Diskussion, die in Südafrika kaum geführt wird. Täglich verhungern bis zu 20 Kinder. Viele haben Wachstumsstörungen. Wenn wir den Teufelskreis der Armut durchbrechen wollen, wir die frühkindliche Entwicklung in staatlichen Einrichtungen fördern. Hier muss die kostenlose Bildung beginnen, nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt. So geben wir den Kindern die maximalen Zukunftschancen.
Neben der Korruption und Armut spielt die Kriminalität eine große Rolle im Alltag der Menschen. Wie wollen Sie dem begegnen?
Wir müssen eine Gesellschaft schaffen, in der sich die Menschen sicher fühlen. Zu viele Menschen leben in Angst vor Kriminellen, vor Einbrechern. Wir müssen die Polizei umstrukturieren, dezentralisieren und spezialisieren. Wir brauchen Einheiten, die sich zum Beispiel nur mit sexueller Gewalt befassen. Diese Verbrechen gibt es in Südafrika viel zu oft. So würden wir besonders in den Metropolen die Kriminalität besser in den Griff bekommen.
Viele Menschen sorgen sich auch in Südafrika wegen der Zahl der Flüchtlinge. Es gibt teils erhebliche Spannungen zwischen Einheimischen und Migranten.
Migration ist eine globale Frage, aber auch eine nationale. Die Welt ist besser, wenn die Menschen frei sind, sich zu bewegen. Ein besserer Platz, weil das uns hilft, Ideen auszutauschen, es hilft uns, die Wirtschaft zu entwickeln. Die Provinz Westkap hätte vermutlich keine solche Weinindustrie, wenn keine Migranten gekommen wären, um dort zu arbeiten. Andererseits hat jedes Land das Recht, seine eigenen Grenzen zu sichern. Südafrikas Herausforderung ist, dass die Wirtschaft der Demokratien um uns herum - in Simbabwe, Sambia, Mozambique, Malawi oder auch Namibia - kollabiert sind. Daher ist Südafrika für diese Länder ein Wohlfahrtsstaat, was erheblichen Druck durch Immigration schafft. Für Südafrika wird es wichtig sein, die Frage zu beantworten, wie gut sichern wir unsere Grenzen und wie integrieren wir die Menschen besser, die zu uns kommen.
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