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Der laute Mann im Hintergrund: Sigmar Gabriel (hier ein Foto vom Mai).
© dpa

Sigmar Gabriel und die SPD: Die großen Worte eines Abgeschriebenen

Die meisten Spitzengenossen sind mit Sigmar Gabriel durch. Generalverdacht ist bei allem, was er tut, dass es ihm zuerst um sich geht. So auch jetzt, wenn er die Partei retten will. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Und jetzt das: Sigmar Gabriel versucht, die SPD von hinten zu führen. Hinten, das ist der Platz, auf den sie ihn innerparteilich gesetzt haben, ihn, den ehemaligen Parteichef, mit dem sich viele Hoffnungen verbunden hatten. Zumal nach dem Auftakt, als er versprach, die Fenster aufzureißen, um frische Luft in die SPD hineinzulassen. Gut, einmal gelang’s, als Gabriel die (noch bestehende) Koalition zur innerparteilichen Abstimmung freigab. Er wagte und gewann.

Aber seither ist doch einige Zeit verstrichen, und unabhängig von seinem Platz in der öffentlichen Beliebtheit, einem Spitzenplatz, den er dem Außenamt verdankt, sind die meisten Spitzengenossen mit ihm durch. Generalverdacht ist bei allem, was Gabriel tut oder unterlässt, dass es ihm zuerst um sich geht; und um den Posten, den er jetzt hat. Tatsache ist aber, dass ihm übel genommen wird, wie er in andere Ressorts, unter anderem der Sozialdemokraten, ohne falsche Scham hineinregiert.

Nun denken seine (vielen) Kritiker, dass es ja bald ein Ende haben wird. Möglicherweise fürchtet Gabriel das auch, weshalb er versucht, sich unentbehrlich zu machen. Berichtet worden ist, dass er sich auch das Amt des Finanzministers vorstellen könnte. Selbst wenn das nicht stimmen sollte, so wäre es doch gut erfunden. Das Finanzressort, eines mit Veto, könnte ihm so passen. Es ist zugleich ein Querschnittsressort, das Zugriff auf internationales zulässt, wie Gabriel über Jahre an Wolfgang Schäuble studieren konnte. Nach dem Motto: Ist mir doch egal, wer unter mir Kanzler ist.

Dass Martin Schulz und er wirklich Freunde sind – wer soll das glauben?

Das könnte übrigens auch auf den SPD-Vorsitz passen. Ist ihm doch egal, wer gerade Vorsitzender unter ihm ist. Dass Martin Schulz und er noch wirklich Freunde sind – wer soll das glauben nach dem, was Gabriel alles zur Partei und zum zukünftigen Kurs wie zurückliegenden Wahlkampf sagt. „Freund“ Schulz müssen die Ohren geklungen haben. Den Genossen außerdem, weil Gabriel vorzuführen bemüht ist, was die SPD an ihm haben könnte. Oder hätte haben können, wenn er denn das, was er heute fordert, in seiner Zeit an der Spitze durchgezogen hätte. Also die Sache mit der „Heimat“ zum Beispiel und den Industriearbeitsplätzen, die er für wichtiger erklärt als alle anderen Politikentwürfe, für die sich kein echter Sozialdemokrat begeistern kann. Denkt Gabriel. Allerdings weckt er so eher neue Allergien. Dem ist zu wohl in seiner Haut, heißt es. Er hätte doch alles machen können. Aber so ist er halt, sagen sie in der SPD.

Hinzu kommt diese Sache: Bei ihm klingt der Begriff Heimat nicht nicht unverdächtig, nicht wie beim Grünen Robert Habeck oder bei Frank-Walter Steinmeier nach Konzept, offen, nicht tümelnd. Gabriel erinnert eher an Vergangenheit, an Kurt Schumacher, an Oskar Lafontaine. Was nicht ungeteilt gute Erinnerungen weckt. Dass Gabriel ironischerweise Erfolg damit haben könnte, wie weiland Lafontaine, ändert nichts an grundsätzlichen Vorbehalten. Mit einem Unterschied: Während Lafontaine ganz draußen ist, ist Gabriel nur hinten. Und führt von dort das große Wort.

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