Shoppen gegen den Corona-Blues?: Die geöffneten Läden werden zu Leuchttürmen des Durchhaltewillens
Anders als beim letzten Lockdown kann man weiterhin shoppen gehen. Wer da nur hohle, selbstentfremdete Oberflächlichkeit wittert, springt womöglich zu kurz. Ein Kommentar.
Wenn dieser zweite Lockdown trotz novemberfrüher Dunkelheit, trotz mancher durchlittener Regentage und allgemein-frösteliger Klammheit weniger betroffen macht als der erste im Frühjahr, dann darf man das dem stationären Handel danken. Diesmal haben nicht nur Lebensmittel- und Drogeriemärkte geöffnet, sondern nahezu alle Geschäfte. Die Shoppingstraßen der Städte sind hell erleuchtet, Mode- und Technikgeschäfte glänzen mit dekorierten Schaufenstern ins pandemische Land und lassen glauben, es sei ein normaler Herbst.
Dass an den weit offenen Türen jetzt Desinfektionsmittelspender und Aufpasser stehen, dass Maskenhinweise an Notwendiges erinnern, daran konnte die Kundschaft sich schnell gewöhnen, und das hat sie auch.
In manchen Shoppingmalls und Einkaufsstraßen in Berlin oder Hamburg herrscht das übliche Gedränge, so dass man das vernehmbare Klagen über fehlende Kundschaft kaum glauben möchte. Aber es herrschen natürlich nicht überall im Land Großstadtzustände, auch das gehört zur Wahrheit.
Man sollte den Branchenvertretern des Einzelhandels besser Gehör schenken, die nach ungefährer Lockdown-Halbzeit beanstanden, dass sie von den großzügig verteilten staatlichen Hilfen nichts abbekommen sollen, weil ihre Läden schließlich geöffnet haben.
Wenn Kundschaft zu Hause bleibt – und dazu hatte nicht zuletzt die Bundeskanzlerin höchstselbst aufgerufen –, verringert sich vor Ort der Umsatz, so viel dürfte klar sein. Warum nicht die Novemberumsätze des vergangenen Jahres und die aus diesem Jahr nebeneinanderlegen, schauen, wie groß die Differenzen sind und eventuell doch noch Kompensationen anbieten?
Leuchttürme des Durchhaltewillens
Schließlich sind die geöffneten Geschäfte derzeit mehr als nur eine Möglichkeit für die Betreiber, Umsatz zu machen. Sie sind Leuchttürme des Durchhaltewillens. Ohne die Lichter der Läden ist es duster in den Straßen, in den Städten, da hilft dann auch kein Onlinehandel, das sollte man nicht vergessen.
Und selbst wenn offenbar ein nicht unerheblicher Teil der potenziellen Kundschaft die Geschäfte meidet, so sind es doch immer noch genug Menschen, die dort ein Stück Normalität erleben wollen und können.
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Die westlich-kapitalistisch sozialisierten Jedermänner können im Konsum im Wortsinn buchstäblich im Vorübergehen ein Stück Zufriedenheit finden. Das unterscheidet das kleine Einkaufsvergnügen vom Kulturgenuss oder anderen Erbaulichkeiten. Wer da nur hohle, selbstentfremdete Oberflächlichkeit wittert, springt womöglich zu kurz. Der Markt war und ist in allen Städten ein Zentrum, ein Ort, an dem auch die anderen sind.
Wieder nahe am Marktplatz-Ursprung
Dass das heute die Einkaufsstraßen und Shoppingmalls übernehmen, und Shopping selbst als Hobby akzeptiert ist, lässt sich aus kapitalismuskritischer und nachhaltigkeitstheoretischer Sicht aus guten Gründen beweinen. Aber könnte man nicht auch finden, dass sich der Massenkonsum in diesen besonderen Monaten der sozialen Beschränkungen seinem Marktplatz-Ursprung wieder annähert?
Geöffnete Läden sind warme, helle Ruheräume und eine sehr niedrigschwellige Möglichkeit für sozialen Austausch. Noch sitzt in jedem Laden mit der Verkäuferin, dem Verkäufer mindestens ein Mensch, mit dem in Kontakt zu treten jederzeit möglich ist. Dass man, um in den Genuss dieser Möglichkeit zu kommen, letztlich gar nichts konsumieren muss, gehört zu den weiteren Risiken des Handels. Und ist ihm umso mehr zu danken.
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