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Brasilien, Santa Helena
© dpa

Problem von globaler Verantwortung: Die G7 ringen um die Rettung des Regenwalds

Die G7-Staats- und Regierungschefs versprechen Hilfe zur Bekämpfung der Brände im Amazonas. Es ist Lackmustest, ob das Bündnis noch etwas bewirken kann.

Der Kontrast kann kaum größer sein. Hier die G7-Staats- und Regierungschefs im mondänen französischen Badeort Biarritz, dort verzweifelte Ureinwohner in der Amazonas-Region, die im Flammenmeer ihre Lebensräume verlieren. Die G7-Staaten, tief zerstritten, können in der Amazonas-Krise zeigen, ob sie noch in der Lage sind, ein Problem von globaler Bedeutung in den Griff zu bekommen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron kann am Rande des Gipfels einen Beschluss auf Hilfen vermelden. Daneben diskutieren zumindest die EU-Staaten konkrete wirtschaftliche Sanktionen, um Brasiliens ultrarechten Präsidenten Jair Bolsonaro zum Einlenken zu bewegen.

Frankreich ist durch sein südamerikanisches Übersee-Département Französisch-Guayana selbst von den Bränden betroffen – Macron betont, man stehe mit allen Ländern der Region in Kontakt. Das Amazonas-Gebiet erstreckt sich über neun Länder Lateinamerikas, Kolumbien hat nun offiziell Hilfe angefordert. Aber: Mehr als 60 Prozent der Regenwaldflächen liegen in Brasilien. Seit Januar nahmen Feuer und Brandrodungen dort im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zu. Insgesamt wurden über 70.000 Brände registriert.

Oft legen Farmer Feuer, um Weideflächen für Rinder und Soja-Anbauflächen zu schaffen. Und das ökonomische Interesse in der Region macht die Sache so kompliziert. Bei den Waldbränden am Amazonas gehe es um Fragen von internationalem Belang – um „Biodiversität, um Sauerstoff, um den Kampf gegen die Erderwärmung“, betont Macron. Der Wald nimmt Kohlendioxid auf und gibt Sauerstoff ab. Nach Berechnungen des WWF speichert der Wald am Amazonas 90 bis 140 Milliarden Tonnen CO2. Zum Vergleich: der deutsche Treibhausgasausstoß lag 2018 bei rund 865 Millionen Tonnen, das zeigt, wie wichtig der Amazonas-Regenwald ist.

Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt

Aber Brasiliens Präsident Bolsonaro, ein Fan von Donald Trump, wirft Macron wegen dessen scharfer Kritik an den Bränden eine „kolonialistische Mentalität“ vor, eine Einmischung in innere Angelegenheiten. So wird das ganze zum G7-Lackmustest. Im Prinzip ist es wie immer bei der Klimapolitik – nur mit einer gemeinsamen Kraftanstrengung könnte das Schlimmste vielleicht noch verhindert werden.

Die Welternährungsorganisation FAO macht die Umwandlung in Weideland für 80 Prozent der Verluste an Regenwald in der Amazonasregion verantwortlich. In den vergangenen Jahren ist die Fleischproduktion stark gestiegen. Brasilien ist der größte Fleischexporteur der Welt.

Der Fleischkonsum in Europa und anderswo wird zum immer wichtigeren Wachstumstreiber – somit ist der Westen mitschuldig an der Entwicklung. Wenn jetzt die EU-Staaten diskutieren, ob das Ende Juni verabredete EU-Mercosur-Abkommen gestoppt werden soll, blendet das gleich mehrere Dinge aus: Zum einen ist der Kampf gegen die Entwaldung bereits Teil des Abkommens – Brasilien soll die illegale Abholzung bis 2030 auf null zurückfahren und zwölf Millionen Hektar wiederaufforsten.

Zum anderen liegt noch nicht einmal ein finaler Vertragstext vor, es könnte noch Jahre dauern, bis es in Kraft tritt. Im Prinzip wäre es wirksamer, jährliche Ziele zur Reduzierung der Entwaldung festzulegen – der Haken ist, dass Brasilien das Abkommen als Vehikel sieht, um noch mehr Fleisch in die EU zu exportieren.

Jair Bolsonaro
Jair Bolsonaro
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Daher wird der Ruf lauter, mit einem sofortigen Importstopp den Druck zu erhöhen. Der finnische Finanzminister Mika Lantila hat bereits ein Einfuhrverbot für brasilianisches Rindfleisch vorgeschlagen. Das würde Brasilien empfindlich treffen. Als China im Zuge eines großen Fleischskandals 2017 zeitweise Importe aussetzte, kam in Brasilien, damals noch unter der Vorgängerregierung von Michel Temer einiges in Bewegung, die Justiz griff hart durch, es kam zu dutzenden Festnahmen beim weltgrößten Fleischproduzenten JBS und die Kontrollverfahren wurden auf den Prüfstand gestellt.

Forscher sprechen von der untergehenden Amazonas-Titanic

Es ist ein Rennen gegen die Zeit, um auch mit Löschflugzeugen aus dem Ausland die größten Brandherde in den Griff zu bekommen. Neben Brasilien lodert es auch im bolivianischen Amazonasgebiet stark. Sieben brasilianische Bundesstaaten haben nun von sich aus die Hilfe der Armee beantragt, Bolsonaro hat nach dem großen internationalen Druck durch ein Dekret den Weg zur Mobilisierung von über 40.000 Soldaten freigemacht.

Sechs Flugzeuge wurden zur Brandbekämpfung geschickt. Das auf Satellitenaufnahmen der Region spezialisierte Institut INPE entdeckte derweil 1663 neue Brandherde, seit Jahresbeginn stieg die Zahl auf mehr als 78.000. In Bolivien wurden innerhalb weniger Tage fast eine Million Hektar Urwald durch Brände vernichtet.

Forscher in Brasilien sprechen bereits von der untergehenden Amazonas-Titanic, denn schon vor den Bränden waren in den vergangenen 50 Jahren rund 17 Prozent des Amazonas-Regenwaldes verschwunden: Der Kipp-Punkt, wenn eine kaum noch aufzuhaltende Verwandlung in eine trockene Savanne beginnt mit tiefgreifenden Klimaveränderungen wird auf eine Entwaldungsrate von 20 bis 25 Prozent taxiert. Helfen könnte also nur ein rigoroser Schutz, das Aufkaufen gerodeter Flächen und ein noch nie dagewesenes Aufforstungsprogramm.

Ein Baum ist schnell gerodet, aber es wird jetzt schon Jahrzehnte dauern, um Waldflächen wiederherzustellen. Und der politische Wille ist ohnehin mäßig ausgeprägt. Dabei zeigt gerade der vor allem von Norwegen und Deutschland gespeiste Amazonas-Fonds, der seit 2008 ein Volumen von über einer Milliarde Euro erreicht hat, dass zunächst die Entwaldungsraten durch gezielte Schutzprogramme deutlich zurückgingen. Doch vor allem durch den Amtsantritt Bolsonaros hat sich das Blatt gewendet, der Fonds liegt nun auf Eis.

Auch schon unter den linken Vorgängerregionen war der Wille zum engagierten Schutz der Wälder und der Strafverfolgung illegaler Landnahmen begrenzt. Viele Flächen in der Amazonasregion sind zu Spekulationsobjekten geworden. Auf bereits gerodeten Waldflächen werden Unterholz und Baumstümpfe angezündet, um rasch eine Umwandlung in Ackerland zu erreichen. Wegen der großen Trockenheit greifen viele Feuer auf bisher intakten und geschützten Regenwald über.

Das Dilemma der G7 in der abgeschotteten Welt von Biarritz: Anders als beim G20-Gipfel sitzt der Hauptakteur nicht mit am Tisch – und letztlich werden sich Aufforstung und neue Schutzgebiete nur durch einen großen Deal erreichen lassen. Es müssten Milliardensummen fließen, um Brasilien einen Ausgleich für entgangene Agrargeschäfte zu garantieren.

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