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Angela Merkel.
© REUTERS

Die Kanzlerin und die Union: Die Flüchtlingskrise ist die Krise von Angela Merkel

Dass die CDU besonders viele Ex-Wähler an die AfD verliert, ist bloß logisch. Die Untergangsrufe von Horst Seehofer sind trotzdem nicht angebracht. Ein Kommentar.

Unsicherheit zu verbreiten in unsicheren Zeiten ist als politisches Konzept für Volksparteien keine gute Idee. Diese an sich banale Erkenntnis hat der Super-Wahlsonntag eindrucksvoll bestätigt. Wenn man den Wust der interessegeleiteten Analysen und Schuldzuweisungen beiseite schiebt, die am Tag danach zwischen und innerhalb der Parteien hin- und hergereicht werden, zeigt sich nämlich ein recht einfaches Grundmuster: Die Bürger in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben sich entweder für die Amtsinhaber entschieden oder für die AfD. Beide Entscheidungen haben, auch wenn das auf den ersten Blick widersinnig erscheint, eine verwandte Wurzel: Sie sind Reaktion auf die Unsicherheit, für die die Flüchtlingskrise als Symbol, Auslöser und Verstärker steht.

In dieser Situation haben die einen sicherheitshalber das Vertraute gewählt, bezeichnenderweise egal welcher Parteifarbe. Die anderen haben sich für eine Protestkundgebung entschieden. Die AfD ist Sammelbecken für alle, die dem politischen System der Republik nichts mehr zutrauen – nicht zufällig kommen auch diese Wähler aus allen Lagern. Manche davon sind verbiestert und verbittert, manche auch nur denkfaul. Andere nutzen den Stimmzettel als SOS-Signal: Wir kapieren nichts mehr und haben Angst.

Dass die CDU derzeit besonders viele Ex-Wähler an die AfD verliert, ist bloß logisch. Die Flüchtlingskrise ist Angela Merkels Krise. Mit dieser Kanzlerin hatten sich die Deutschen jahrelang in Sicherheit vor den Zumutungen der Welt gewähnt. Um so irritierender, dass die gleiche Kanzlerin ihnen plötzlich Geduld abverlangt für einen Weg zur Lösung der aktuellen Krise, der kompliziert ist und dessen Erfolg unsicher bleibt.

Merkels Unbeirrbarkeit und die Folgen

In dieser Situation allerdings die ohnehin hochkochenden Zweifel auch noch zu bestärken, zeugt von ganz spezieller Staatskunst. Als Horst Seehofer, Julia Klöckner, Guido Wolf und Rainer Haseloff den Bürgern signalisierten, dass sie an Merkels Weg auch nicht recht glauben – was dachten sie, was das bei Wählern auslöst? Rechtfertigungen à la „Sonst wäre die AfD noch stärker geworden“ gehören ins Märchenbuch. Dorthin gehören genauso Rechtfertigungsversuche der Art, dass die Mehrheit ja den Kurs der Kanzlerin stütze, nur halt in Gestalt von Winfried Kretschmann und Malu Dreyer. Nein, das sind Merkels Wahlergebnisse, und sie gehen zu Lasten ihrer CDU.

Doch am Ausmaß des Desasters tragen alle eine Mitschuld, die den Zweifel nährten. Und das nächste Desaster ist ganz sicher nicht dadurch abzuwenden, dass der CSU-Chef so weiter macht wie bisher, nur drastischer. Seehofer kann nicht im Ernst glauben, dass Merkel drei Tage vor einem entscheidenden EU-Gipfel ihren Kurs ändert. Die CDU-Chefin hat schließlich den politischen Preis am Wahlabend schon gezahlt. Der war hoch genug und ist höchstens dann zu rechtfertigen, wenn sich Merkels Unbeirrbarkeit im Nachhinein rentiert. Funktioniert ihre „türkische Lösung“ nicht, bekommt sie den Preis vom Sonntag mit Zins und Zinseszinsen in Rechnung gestellt, und die Quittung bei den nächsten Wahlen dazu.

Seehofer hat Angst davor. Aber den lauten Worten folgen immer bloß noch lautere Worte. Fast klingt es schon panisch, was da aus München an Untergangsrufen kommt. Aber Unsicherheit zu verbreiten in unsicheren Zeiten ist auch für die Volkspartei CSU keine gute Idee.

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