Die Wähler der AfD: Angela Merkels Gegner - unzufrieden mit der Welt
Die AfD holt ihre Wähler aus allen Ecken. Bei den Landtagswahlen am Sonntag vor allem von Nichtwählern und abtrünnigen CDU-Anhängern.
Die Alternative für Deutschland hat am Wahlsonntag in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt überraschend gut abgeschnitten – sagt sogar deren Vorsitzende Frauke Petry. Die Umfragen vor den Wahlen haben die populistisch auftretende Rechtspartei nicht so stark gesehen, auch wenn der Trend der Partei schon seit Wochen nach oben deutete. Wie alle Protestparteien vor ihr holte auch die AfD am Sonntag ihre Stimmen aus allen Schichten und aus allen politischen Ecken. Dennoch kann man das Profil des AfD-Wählers und seine politische Herkunft einigermaßen umreißen – wobei jedoch bei relativ exakten Wählerwanderungszahlen ein bisschen Vorsicht geboten ist, denn diese beruhen auf der Hochrechnung von Nachwahlbefragungen, und nicht jeder Wähler erinnert sich genau daran, wo er fünf Jahre zuvor sein Kreuzchen gemacht hat und ob er überhaupt wählte.
Gegen offene, tolerante Gesellschaft
Eines immerhin ist sicher: Die AfD ist nicht nur in ihrem Erscheinungsbild eine Partei, bei der man stärker zwischen Ost und West differenzieren muss, sondern auch mit Blick auf ihre Wählerschaft. Eines aber eint die Wähler der Partei in allen drei Ländern: Die AfD konnte die Stimmen der „stark emotionalisierten Gegner von Angela Merkels Flüchtlingspolitik kanalisieren“, schreibt die Forschungsgruppe Wahlen in ihrer Wahlanalyse. Es sind Leute, die aus Angst vor Zuwanderung und Überfremdung die AfD wählen, die sich nicht sicher fühlen, die Ausländer und speziell Muslime nicht mögen, und es sind Männer und Frauen, die sich als Verlierer empfinden. Ein sehr hoher Anteil der AfD-Wähler ist mit dem Funktionieren der Demokratie unzufrieden, was sonst bei keiner Partei-Anhängerschaft der Fall ist. Kein ganz neues Phänomen bei populistischen Rechtsparteien, die AfD-Spitze weiß, welche Tonlage in dieser Gruppe ankommt: das Hochlebenlassen des Nationalen, das Stänkern gegen Ausländer, das Plädoyer für Durchgreifen und autoritärere Strukturen, ein bisschen Sozialrhetorik, vor allem die Stärkung der Familie, das Herabwürdigen liberaler Haltungen, das Relativieren demokratischer Mehrheitsmeinungen. Für eine offene, tolerante Gesellschaft sprachen sich laut Infratest dimap in Sachsen-Anhalt nur 19 Prozent der AfD-Wähler aus – Wähler anderer Parteien dagegen zwischen 59 Prozent (CDU) und 80 Prozent (Grüne). Einen Teil ihrer Stimmen dürfte die AfD daher auch von Wählern bekommen haben, die 2011 die NPD oder die Republikaner angekreuzt haben. Diese noch weiter rechts stehenden Parteien schnitten am Sonntag in allen drei Ländern deutlich schlechter ab als fünf Jahre zuvor.
Aber nicht nur reiner Protest
Wobei reiner Protest, Trotz oder Fundamentalopposition, auch das zeigt sich in allen drei Ländern, nicht die Motive aller AfD-Wähler sind. Zwar wird die Partei von den meisten Bürgern als eine Art Denkzettelkasten angesehen, AfD-Wähler selbst geben aber etwa zur Hälfte zu Protokoll, sie wählten die Partei wegen ihrer politischen Forderungen. Die zur Flüchtlingspolitik spielen dabei die zentrale Rolle. Das größte Potenzial hat die AfD unter den Nichtwählern der vergangenen Wahlen, und das hat sie am Sonntag offenkundig ausschöpfen können – die gestiegene Wahlbeteiligung kam ihr zugute. Zwischen 40 Prozent (in Sachsen-Anhalt) und 45 Prozent (in Rheinland-Pfalz) der AfD-Wähler kamen aus dieser Gruppe, fand die Forschungsgruppe Wahlen heraus (wobei man die Zahlen, siehe oben, eher als Trend lesen sollte).
An zweiter Stelle waren es unzufriedene CDU-Wähler, welche ihr Kreuzchen bei der Petry-Truppe machten – allerdings, und hier beginnt der Unterschied, weitaus stärker im Westen als in Sachsen-Anhalt, wo die CDU trotz der massiven AfD-Gewinne ihre Position behaupten und ihre Stimmenzahl halten konnte. In Baden-Württemberg speiste sich ein Drittel der AfD-Stimmen aus dem Wählerreservoir der Union, in Rheinland-Pfalz ein Viertel, in Sachsen-Anhalt ein Sechstel. Wobei man sich vor der Annahme hüten muss, dass es sich dabei allein um CDU-Stammwählerschaft handelt – darunter sind auch viele Wechselwähler und Gelegenheitsurnengänger. Auch von früheren SPD-Wählern holte die AfD Stimmen (10 bis 16 Prozent), im Osten auch von der Linken (17 Prozent).
Mehr Männer als Frauen
Die AfD ist eine Partei, die stärker von Männern als von Frauen gewählt wird – das war auch früher bei Protestparteien schon so. In Baden-Württemberg etwa wählten 18 Prozent der Männer AfD, aber nur zwölf Prozent der Frauen. In Sachsen-Anhalt ist die AfD mit 28 Prozent sogar stärkste Partei unter Männern (einen Punkt vor der CDU), während sie unter den Frauen 19 Prozent angesprochen hat (die mit 33 Prozent für die CDU deren Position als stärkste Partei sicherten). Im Übrigen wurde selbst in Sachsen-Anhalt der CDU (28 Prozent) mehr Kompetenz in der Flüchtlingspolitik zugebilligt als der AfD (21 Prozent). Aber dieses Thema war bei aller Bedeutung insgesamt doch weniger wahlentscheidend als angenommen, was sich auch aus der Beobachtung ergibt, dass in Rheinland-Pfalz der SPD die höchste Kompetenz zugebilligt wurde und in Baden-Württemberg den Grünen – in allen drei Ländern war also die jeweilige Siegerpartei der flüchtlingspolitische Maßstab.
Im Osten weniger bürgerlich
Die AfD punktet stärker bei Arbeitern und Arbeitslosen als bei Beamten oder Angestellten, und sie ist stärker in der Gruppe mit Hauptschul- oder Realschulabschluss als bei Leuten mit Hochschulbildung. Aber auch in der Gruppe der Akademiker holte sie in Baden-Württemberg noch elf Prozent der Stimmen. In Sachsen-Anhalt mit seiner höheren Arbeitslosigkeit und den schwierigeren wirtschaftlichen Bedingungen spricht die AfD Arbeiter und kleine Selbständige stärker an als im Westen, sie ist im Osten weniger bürgerlich, was die Sozialstruktur der Wählerschaft angeht. Und im Osten ist sie bei den Jüngeren bis 30 Jahre erfolgreicher, sie ist in dem Wählerkreis in Sachsen-Anhalt stärkste Partei. Vor allem im Osten ist die AfD die Partei jener Männer und Frauen, die mit der wirtschaftlichen Situation im Allgemeinen unzufrieden sind, selbst wenn viele von ihnen dann die eigene Lage als besser einstufen. Ganz ähnlich äußern sich Linken-Wähler.
Vielleicht liefert eine spezifische Erhebung von Infratest dimap die sprechendste Beschreibung der Motivation vieler AfD-Anhänger. Das Institut legte der Gruppe mehrere Sätze vor zur Umschreibung der Partei. Einer lautete: „Löst zwar keine Probleme, nennt die Dinge aber beim Namen.“ 93 Prozent der AfD-Wähler in Baden-Württemberg und 90 Prozent in Rheinland-Pfalz stimmten zu.