Das Ende der „One Man Show“?: Die FDP will weniger Lindner wagen
FDP-Chef Christian Lindner will seine Partei personell erneuern. Wird Generalsekretärin Linda Teuteberg schon wieder abgelöst?
Das Versprechen ist so vage wie es altbekannt ist – und doch wiederholen es die Freidemokraten in diesen Tagen mit Nachdruck. Bis zum Bundesparteitag im September wolle FDP-Chef Christian Linder endlich für die lange angekündigte „personelle Verbreiterung“ sorgen, heißt es bei den Liberalen.
Der 41-Jährige werde sich etwas zurücknehmen, nicht mehr als Hauptredner und alleiniges Aushängeschild der FDP auftreten, sondern auch der „zweiten Reihe“ mehr Raum geben. Lindner wolle „absichtlich leiser“ werden, er habe bereits Talkshow-Einladungen ausgeschlagen, um seinen Stellvertretern sowie den Fachpolitikern im Bundestag und den FDP-Landesministern eine Chance zur Profilierung zu geben.
Das soll die schwächelnden Liberalen, auch mit Blick auf das kommende Wahljahr, zurück in die Offensive bringen. Die FDP will eine Art „Team Lindner“ aufstellen und damit endlich das langjährige Problem mit der dünnen Personaldecke an der Parteispitze lösen. So wollen die Liberalen ein für allemal wegkommen vom Image der „One Man Show“ ihres Partei- und Fraktionsvorsitzenden.
Wieder einmal, muss man sagen.
Linda Teuteberg: „Eine, die nachdenkt, bevor sie redet“
Vor einem guten Jahr hat Lindner schon einmal den Versuch einer personellen Erneuerung gewagt und sich die Brandenburgerin Linda Teuteberg als neue FDP-Generalsekretärin an seine Seite geholt. Die Erwartungen an die 39-Jährige waren groß. Ihre Wahl im April 2019 sollte ein Zeichen des Aufbruchs setzen, für mehr Vielfalt in der Parteispitze sorgen. Doch die Strategie ist bislang nicht aufgegangen.
Zwar genießt Teuteberg in der FDP einen guten Ruf. Sie sei „eine, die nachdenkt, bevor sie redet“, lobt man in der Bundestagsfraktion. Zugleich gibt es bei den Liberalen Unmut darüber, dass die Generalsekretärin öffentlich kaum wahrgenommen wird. Neben Lindner gehen ihre Botschaften unter. Während er zuspitzt und auch einmal provoziert, bleibt sie oft im Ungefähren, hält sich zurück, dringt nicht durch – keine gute Voraussetzung, um aus der Opposition heraus Gehör zu finden.
Inzwischen ist deshalb eine Debatte in der Partei darüber entbrannt, ob es mit Blick auf das Wahljahr 2021 nicht besser wäre, die Generalsekretärin im Zuge der personellen Neuaufstellung auszutauschen.
Soll Teuteberg abgelöst werden? „Ein Gerücht“, meint eine Bundestagsabgeordnete. „Ich halte die Debatte für ein gezieltes Manöver, um sie als Blitzableiter für einen schwächelnden Parteivorsitzenden aufzubauen“, sagt ein Insider. „Sie ist bis 2021 gewählt, müsste also von sich aus zurücktreten, was sie bestimmt nicht macht.“
Marco Buschmann, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, formuliert es so: „Ich sehe keine Anzeichen dafür, dass Linda Teuteberg ans Aufhören denkt.“ Der 42-Jährige gilt als Lindner-Vertrauter und ist ein erfahrener Wahlkampfmanager, der die FDP 2017 mit zurück in den Bundestag geführt hat. Auch deshalb fällt immer wieder sein Name, wenn es um einen möglichen Nachfolger für die Generalsekretärin geht. Buschmann sagt dazu: „Ich habe das schönste Amt, das man sich als Parlamentarier vorstellen kann, und möchte daran auch nichts ändern.“
In der Berliner FDP-Zentrale, dem Hans-Dietrich-Genscher-Haus, will man sich zur Personalie Teuteberg nicht äußern: „Kein Kommentar.“
Die FDP hat in der Coronakrise gelitten
Viele in der FDP sind solche Personaldebatten ohnehin leid. Sie wollen lieber über Inhalte reden: etwa über den Mangel an Transparenz im Parlament, wie ihn der Fall des CDU-Abgeordneten Philipp Amthor zuletzt offengelegt hat. Oder das Unvermögen der Koalition, sich auf eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags zu einigen – ein „Problem für die Glaubwürdigkeit der Politik“, wie Buschmann sagt. „Wir verlangen in der Krise von den Menschen viel ab, sie müssen ihr Leben teils komplett umstellen, aber der Bundestag bekommt es nicht hin, sich selbst zu reformieren.“
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Früher wäre wohl Lindner selbst mit Begeisterung in die Debatte über das Wahlrecht eingestiegen. Doch jetzt hat er sie absichtlich an seinen Vertrauten Buschmann delegiert. Es ist eine Lehre aus den vergangenen Wochen und Monaten, in denen der Parteichef fast im Alleingang versuchte, die Bundesregierung in der Coronakrise vor sich herzutreiben – mit geringem Erfolg. Seine Kritik am Krisenmanagement der Bundesregierung verpuffte. Sein teils scharfer Tonfall („Mundschutz ja, Maulkorb nein!“) löste bei Parteikollegen Kopfschütteln aus. Die Umfragewerte sanken, teils bis unter die Fünf-Prozenthürde.
Derzeit stehen die Liberalen zwischen 4,5 und sieben Prozent – was auch eine Spätfolge von „Kemmerich 1 und 2“ sei, wie es in der Partei heißt. Gemeint sind damit die AfD-gestützte Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten und seine Teilnahme an einem von Rechtsextremisten mitorganisierten Corona-„Spaziergang“ in Gera im Mai. Inzwischen ist Kemmerich längst nicht mehr Ministerpräsident und hat sich vorübergehend aus dem FDP-Bundesvorstand zurückgezogen. Doch der Thüringer Liberalen-Chef habe der gesamten Partei einen tiefen „Schlag ins Kontor“ verpasst, heißt es.
Die „Startrampe“ nach der Sommerpause
Nach dem aufreibenden ersten Halbjahr wollen die Liberalen nun die parlamentarische Sommerpause, die diesen Freitag beginnt, zum Durchatmen nutzen – und Kraft tanken für den Herbst. Anschließend soll der FDP-Bundesparteitag am 19. September zur „Startrampe“ ins kommende Superwahljahr werden. Neben dem Bundestag werden 2021 insgesamt sechs Länderparlamente neu gewählt. Das Ziel der FDP ist die Regierungsbeteiligung im Bund.
Erreichen wollen die Freidemokraten das mit klassischer FDP-Politik. Wenn im Herbst die Folgen der Wirtschaftskrise stärker zu spüren sein werden und ab Oktober die derzeit ausgesetzte „Insolvenzantragspflicht“ für Unternehmen wieder gilt, könnte eine „Pleitewelle“ durchs Land rollen, glaubt man bei den Liberalen. Dann sei eine Wirtschaftspartei mehr gefragt denn je, lautet die Hoffnung.
„Wir müssen den Arbeitsmarkt, die Exporte, den Welthandel und die Lieferketten wieder in Gang bringen“, sagt Buschmann. „Das geschieht am besten mit einer marktwirtschaftlich orientierten Politik und nicht mit Protektionismus.“ Er fordert weniger Steuern und Bürokratie, dafür mehr Investitionen in Bildung, Digitalisierung und Innovation. „Da können wir als FDP mit unseren Ideen einen wichtigen Beitrag leisten.“
Ob das die Wähler auch so sehen, das können die Liberalen gleich nach der politischen Sommerpause testen – wenn am 13. September in Nordrhein-Westfalen Kommunalwahlen sind.