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Ankunft in Europa. Flüchtlinge verlassen ein Boot der italienischen Küstenwache in Sizilien.
© Giovanni Isolino/AFP

Flüchtlingspolitik: Die EU zerlegt sich im Asylstreit ganz allein

Die Flüchtlingspolitik schreit nach einem simplen Dreiklang. Doch von Solidarität ist nicht viel zu spüren. Das zeigt sich auch an Horst Seehofer. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Europa hilf! Dieses Stoßgebet kann man sprechen, wenn man sieht, welchen politischen Sprengstoff die Flüchtlingsfrage für fast jede Regierung in der EU bereithält. Nur ein paar Beispiele: In Deutschland entzweien sich CDU und CSU. In Frankreich und Italien streiten sich Präsident Macron und der Innenminister Salvini von der rechtsextremen Regierungspartei Lega in Macho-Manier über die Aufnahme der Menschen vom Flüchtlingsschiff „Aquarius“. In Österreich geht Bundespräsident Van der Bellen mit der konservativ-rechtspopulistischen Regierung in den Clinch, die eine Kürzung der finanziellen Mindestsicherung für Flüchtlinge plant.

Die Gemeinschaft ist kaum weiter als im Jahr 2015

All dies schreit nach einer europaweiten Regelung, die auf einen simplen Dreiklang hinausläuft: gemeinsame Bekämpfung der Fluchtursachen, Begrenzung der Flüchtlingszahlen an den EU-Außengrenzen, Solidarität unter den EU-Staaten. Aber was die Bewältigung des Problems anbelangt, so ist die Europäische Union kaum weiter als 2015. Schon damals war klar: Wenn es eine Krise gibt, die ein solidarisches europäisches Handeln erzwingt, dann diese.

Fast drei Jahre nach dem Höhepunkt der Krise, die von Kanzlerin Merkel die Aufnahme der in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge erforderte, streitet sich die Gemeinschaft weiter. Wie können einerseits geordnete Asylverfahren in Ankunftsländern wie Italien und Griechenland sichergestellt und andererseits eben jene Länder entlastet werden?

Dass die Flüchtlingszahlen nicht zuletzt dank der Vereinbarung mit der Türkei seit September 2015 gesunken sind, macht es nicht besser. Denn die EU droht sich weiterhin in einer elementaren Zukunftsfrage – was die Frage der Migration zweifellos ist – zu zerlegen. Man könnte auch sagen: US-Präsident Trump hat es gar nicht nötig, die EU zu spalten. Das erledigen ihre Mitgliedstaaten schon selbst.

Das Risiko für die EU besteht in einer Seehoferschen Nebendiplomatie

Das Risiko, das für die EU von der Krise zwischen CDU und CSU ausgeht, besteht angesichts der gesunkenen Flüchtlingszahlen weniger in den vom Innenminister Seehofer forcierten Zurückweisungen an der deutsch-österreichischen Grenze. Die Bedrohung für die EU – und für Kanzlerin Merkel – liegt nicht so sehr im Dominoeffekt, den Zurückweisungen für Länder wie Italien zweifellos zur Folge hätten. Die Gefahr ist eher politischer Natur, nämlich in Form einer Seehoferschen Nebendiplomatie in Flüchtlingsfragen, die auf unterschiedliche Bündnispartner wie den italienischen Innenminister Salvini, Ungarns Regierungschef Orban und Österreichs Kanzler Kurz setzt.

Natürlich wäre es naiv zu glauben, dass eine europäische Lösung im Flüchtlingsdilemma inzwischen ohne Politiker wie Orban und Kurz gefunden werden kann, die ihren politischen Erfolg auch der gärenden Frage zu verdanken haben, wie mit der Zuwanderung im Allgemeinen und dem Islam im Besonderen umzugehen ist.

Überließe man aber allein ihnen das Feld, unterläge man dem Irrglauben, dass Stimmungsmache gegen Migranten als Wahlkampfrezept ausreicht und eine komplette Abschottung gegen Migranten möglich ist. Den Vorwurf, wie es angehen kann, dass sich einzelne Länder in der EU bei der Flüchtlingshilfe in jeder Hinsicht davonstehlen, muss sich vor allem Orban gefallen lassen. Und Merkel ist weiter gefragt, um Hardliner wie Orban in die Schranken zu weisen.

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