Migrationsbericht der Bundesregierung: Die Einwanderung bleibt europäisch
Deutschland wächst weiter - und vor allem EU-Bürger zieht es ins Land. An der Spitze liegen nicht mehr nur Osteuropäer, auch immer mehr Italiener kommen nach Norden.
Der Zuzug nach Deutschland hält an: Im Jahr 2013 zog es 1,23 Millionen Menschen in die Bundesrepublik. Das seien so viele gewesen wie zuletzt 20 Jahre zuvor, heißt es im neuesten Migrationsbericht der Bundesregierung, der dem Tagesspiegel vorliegt. Da auch 800 000 Menschen fortzogen, lag der „Wanderungsgewinn“ zwar deutlich niedriger, allerdings ebenfalls auf Rekordniveau, nämlich bei 430 000 Menschen. Im Jahr zuvor hatten die Statistiker noch netto 369 000 Personen gezählt – schon dies ein Rekord, der höchste Wert seit 1995. Der Migrationsbericht erscheint jährlich, er wird vom Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das Bundesinnenministerium erstellt.
Flüchtlinge nur ein kleiner Teil der Wanderungsstatistik
Die dramatischsten Zuwächse zeigte erneut die Asylstatistik. Um 69,8 Prozent wuchs die Zahl der Anträge zwischen 2012 und 2013 – eine Fortsetzung der Entwicklung der letzten Jahre. Im Jahr 2009 betrug die Steigerungsrate noch 25 Prozent, im Jahr darauf schon fast 50 und 2012 dann 41 Prozent. Nur 2011 verzeichnete die Statistik einen schwächeren Zuwachs von elf Prozent in einem Jahr. Der aktuelle Bericht erwähnt „starken Anstieg“ der Asylzahlen auch für 2014 – die Vereinten Nationen haben im vergangenen Jahr die größte Zahl von Flüchtlingen seit Ende des Zweiten Weltkriegs registriert, nämlich 51 Millionen.
Doch trotz dieser deutlichen Zuwächse: Nur ein winziger Anteil derer, die Schutz brauchten, schafft es bis hierher. Die Migration nach Deutschland ist nach wie vor eine europäische – sogar mit stark zunehmender Tendenz: Waren 2012 noch 58 Prozent der Zuzügler nach Deutschland Europäer, so sind es laut aktuellem Bericht für 2013 bereits deutlich mehr als drei Viertel von ihnen, nämlich 76,8 Prozent.
Auswandern in die Türkei
Und während Polen wie schon in den vergangenen Jahren Hauptherkunftsland ist, holen inzwischen auch die Südeuropäer auf: „Deutlich angestiegen“ vermeldete der Migrationsbericht für Zuzüge aus die Krisenländer Italien, Griechenland und Spanien erstmals im Jahr 2011. Inzwischen ist Italien das drittstärkste Herkunftsland, mit einem Anteil von 4,9 Prozent an den Neuankömmlingen im Jahr 2013. Polen trugen mit 16,1 Prozent, Rumänien mit 11,0 Prozent bei. Aus der Türkei dagegen wandern schon seit 2006 Jahr für Jahr weniger Menschen nach Deutschland ein als umgekehrt von hier in die Türkei ziehen.
Insgesamt stieg auch die Zahl derer, die Deutschland verlassen, 2013 erneut. 800 000 Menschen, zwölf Prozent mehr als 2012, wanderten weg – im Jahr zuvor lag die Steigerung noch bei sieben Prozent, nachdem sie sich jahrelang nicht bewegt hatte. 2010 war der Anteil derer, die Deutschland verließen, sogar gesunken.
Mehr als ein Fünftel stammt aus dem Ausland
Das Lieblingsland der deutschen Auswanderer ist, seit einem Jahrzehnt unverändert, die Schweiz. Allein 2013 zog das nahe Nachbarland 21000 Menschen von hier an.
Deutschlands Bevölkerung wird, auch das zeigen die Zahlen des Berichts erneut, immer bunter: 15,9 der 80,6 Millionen Einwohner Deutschlands hatten 2013 einen Migrationshintergrund. Gemeint sind damit Menschen, die seit 1950 nach Deutschland eingewandert sind und deren hier lebende Nachkommen, unabhängig davon, ob sie eingebürgert sind oder nicht. Schon Anfang Dezember hatte das Statistische Bundesamt für 2013 einen Zuwachs der migrantischen Bevölkerung um 3,8 Prozent bekanntgegeben, den stärksten seit zehn Jahren. Damit kletterte ihr Anteil an der Bevölkerung erstmals auf etwas mehr als ein Fünftel – wozu sowohl Neueinwanderer wie auch Geburten beitrugen.
Mehr Kinder, weniger Alte
Die Bevölkerung mit Migrationshintergrund ist dabei deutlich jünger als die herkunftsdeutsche: 66,9 Prozent von ihnen waren 2013 jünger als 45 Jahre. In der übrigen Bevölkerung galt das nur für 44,2 Prozent. Mehr als ein Drittel der Kinder bis zu zehn Jahren stammen aus Migrantenfamilien. Und während nicht einmal zehn Prozent der Migranten über 65 sind, ist ein knappes Viertel der Nichtmigranten im Rentenalter. Allerdings ist auch die Zahl alter Migranten seit 2005 um etwa 330000 Personen gewachsen. Auch sie seien künftig stärker von Erkrankungen und Pflegebedürftigkeit betroffen und „als Nutzer im Gesundheits- und Pflegesystem zu berücksichtigen“, heißt es im Bericht.
Wie stets hält sich der 312 Seiten starke Text mit Bewertungen zurück und bereitet nur die Zahlen zur Migration interpretierend auf. Zum viel diskutierten Nutzen des Zustroms nach Deutschland hatte im Herbst eine Studie der Bertelsmann-Stiftung Material geliefert: Demnach half er vor allem dem deutschen Sozialsystem mit Milliarden. Allein die hier lebenden Ausländer zahlten jedes Jahr 3300 Euro mehr an Steuern und Sozialabgaben, als sie über staatliche Leistungen erhielten.
Andrea Dernbach
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