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Beratungen im Kanzleramt über den Fall Maaßen
© dpa/Soeren Stache

Die Groko und der Fall Maaßen: Die beste aller schlechten Lösungen

Bei der Personalie Hans-Georg Maaßen gab es keine gute Lösung, der Fall war zu überfrachtet. Die Alternative wären Neuwahlen gewesen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Im Frühjahr 1890 platzte Kaiser Wilhelm endgültig der Kragen. Reichskanzler Otto von Bismarck nervte nur noch. Hier ein Streit, da ein Konflikt, das durfte nicht so weitergehen. Also wurde Bismarck zum Rücktritt gedrängt, sein Entlassungsgesuch datiert auf den 18. März. Die Öffentlichkeit war froh, Theodor Fontane schrieb: „Es ist ein Glück, dass wir ihn los sind. Er war eigentlich nur noch Gewohnheitsregent, tat, was er wollte, und forderte immer mehr Devotion.“

Aber natürlich wurde Bismarck auch befördert – zum Generaloberst der Kavallerie im Rang eines Generalfeldmarschalls. Das dahinter stehende Prinzip heißt auf Lateinisch „promoveatur ut amoveatur“ (Er möge befördert werden, damit man ihn loswird). Wer die deutsche Geschichte, die der Katholischen Kirche oder die Hintergründe der Besetzung hoher EU-Posten in Brüssel kennt, der weiß, dass dieses Prinzip nicht nur in Ausnahmefällen angewendet wird.

Nun also Hans-Georg Maaßen. Als Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz wurde er geschasst, weil er in einem Zeitungsinterview nicht belegbare Gerüchte über „gezielte Falschinformationen“ über die Ereignisse in Chemnitz gestreut hatte, die von dem „Mord“ in der Stadt hätten ablenken sollen, Hetzjagden hätte es nicht gegeben. Das war dumm und töricht, nährte Verschwörungstheorien, untergrub das Vertrauen in sein Amt, beschädigte das Fundament seiner Behörde. Deshalb – und nur deshalb – musste er gehen.

Doch wie Politik und Öffentlichkeit nun einmal sind, wurde die Causa heillos überfrachtet. Maaßen sei rechtslastig, AfD-nah, ein Gegner der Flüchtlingspolitik, habe der Kanzlerin widersprochen, in der NSU-Affäre versagt, Murat Kurnaz nicht aus Guantanamo befreien wollen. Am Ende ging es nicht mehr um einen Staatsdiener, der einen Kapitalfehler begangen hatte, sondern um Grundsätzliches. Die Lager hatten sich in Stellung gebracht. Der Fall Maaßen wurde aufgebauscht zu einem Lackmustest über Meinungsfreiheit, Demokratiefestigkeit, Antifaschismus, Humanität.

Maaßen ist jetzt ein gut besoldeter Sekretär

Das musste schiefgehen. Und so standen Bundeskanzlerin Angela Merkel, Innenminister Horst Seehofer und SPD-Chefin Andrea Nahles am Dienstagnachmittag vor drei Möglichkeiten. Erstens: Maaßen bleibt im Amt. Das hätte die Koalition zerrissen. Zu weit hatten sich die Genossen mit ihren Rücktrittsforderungen und -prophezeiungen aus dem Fenster gelehnt, um das hätten schlucken zu können. Doch wäre die große Koalition an Maaßen geplatzt, hätte es auch keine Rückkehr zu Jamaika-Verhandlungen geben können, da die Grünen diesen Mann an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes eben so wenig dulden könnten wie die Sozialdemokraten. Also Neuwahlen.

Zweitens: Maaßen wird gefeuert, zackbumm. Dann wäre Seehofer düpiert gewesen und mit ihm die gesamte CSU, gut drei Wochen vor der Wahl in Bayern. Auch das hätte den Bestand der Koalition gefährdet. Außerdem wäre der AfD ein prächtiges Märtyrer-Narrativ geliefert worden: Seht her, wer es wagt, der Kanzlerin zu widersprechen, wird gnadenlos abserviert, unterstützt vom linksgrünen Medienkartell.

Drittens: Maaßen wird entlassen, rein formal aber befördert. Dann wäre er für seinen Fehler bestraft, die Koalition aber gerettet worden. Es ist klar, was gegen diese Lösung spricht – das Urteil der Öffentlichkeit, der Ekel vor politischen Mauscheleien, der Spott und die Häme, die sich nun über Merkel, Seehofer und Nahles ergießen.

Kein Grund für Sarkasmus

Allerdings sollte man sich auch hier vor Übertreibungen hüten. Maaßen wird jetzt Staatssekretär im Innenministerium. Ein Staatssekretär ist vor allem eines - ein gut besoldeter Sekretär. Dessen öffentliche Wirkung ist beschränkt. Man kann davon ausgehen, dass 99 Prozent der Deutschen keinen der im Innenministerium verbeamteten Staatsekretäre namentlich kennen.

Regierung gerettet, Vertrauen verspielt. Ja, so ist es. Die Alternative wäre gewesen: Regierung geplatzt, Neuwahlen. Das möge jeder bedenken, der jetzt einfach nur Witze reißt, Sarkasmus verströmt oder den Kopf schüttelt. Pragmatische Politik mag eine Schmerzgrenze haben, aber ein wenig an ihr zu leiden, darf dem Volk ebenfalls zugemutet werden.

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