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Auch die berühmten Affen sind ein Grund für die sieben Millionen Touristen, die jährlich nach Gibraltar reisen.
© Frank Rumpenhorst/dpa

Brexit: Die Angst Gibraltars

Man werde auch in 4000 Jahren nicht zu Spanien gehören, sagt der Chief Minister. Doch welche Folgen hat der Brexit für das britische Überseeterritorium?

Viel zu klagen haben die mehr als 33.000 Bewohner von Gibraltar eigentlich nicht. Mit einem im vorigen Jahr noch einmal um neun Prozent gestiegenen Pro-Kopf-Einkommen von im Durchschnitt umgerechnet 73.500 Euro gehört das kleine britische Überseeterritorium am Südzipfel Spaniens zu den reichsten Gebieten der Erde.

Man zahlt zudem wenig Steuern und hat Strände, die man auch dieser Tage kurz vor Wintereinbruch bei Temperaturen von knapp 20 Grad genießen kann. Das Leben ist schön am Affenfelsen, dem 426 Meter hohen Kalkstein-Monolithen mit der traumhaften Aussicht. Besser gesagt: War schön. Denn der Brexit weckt hier immer mehr Wut, Frust und Zukunftsangst.

Seit drei Jahrhunderten erhebt Spanien Ansprüche

Die Stimmung sei auf der Halbinsel derzeit alles andere als gut, sagte Regierungssprecher Miguel Vermehren am Samstag. „Es herrscht zur Zeit große Ungewissheit.“ Dafür sorgt auch die im letzten Moment abgewendete Drohung Spaniens, den Vertrag über den britischen EU-Austritt zu torpedieren. Die Spanier erheben seit drei Jahrhunderten Ansprüche auf das Gebiet, das 1713 im Rahmen des „Friedens von Utrecht“ an die Briten abgetreten wurde. Und sie können die Gunst der Brexit-Stunde ausnutzen, um Druck zu machen.

Der „Chronicle“, das wichtigste Blatt Gibraltars, drückt in großen Lettern die Enttäuschung darüber aus, dass die sozialistische Regierung in Madrid auch unter dem Druck der konservativen Opposition einen härteren Kurs einschlägt: „Spanien wird immer Spanien bleiben.“ „Es ist eine Schande. Brexit ist wie ein schwarzes Loch, das uns die ganze Energie absaugt, und zu welchem Zweck? Ich glaube, dass für mich und für Gibraltar nichts Gutes dabei herauskommen wird“, sagte die Parlamentsabgeordnete Julie Girling jüngst dem „Chronicle“.

Die Furcht vor Verarmung ist groß

Durch den Brexit erhofft man sich in Madrid wohl eine Schwächung des britischen Widerstandes, über den Souveränitätsstatus Gibraltars zu reden. Die „Gibraltarians“ wollen derweil nicht im Traum an die Möglichkeit denken, dass sie spanisch werden könnten. Man befürchtet eine schnelle Verarmung und Zustände wie in der andalusischen Nachbargemeinde La Línea, wo die Arbeitslosigkeit bei rund 35 Prozent liegt und der Drogenhandel blüht.

Doch wieso geht es der Landzunge so gut? Erdöl gibt es im British Oversea Territory nicht einen Tropfen. Und auch sonst findet man hier keine Bodenschätze, über die man sich streiten könnte. Das Gebiet, mit 6,8 Quadratkilometern etwa so klein wie die ostfriesische Insel Baltrum, verdankt seinen Wohlstand den niedrigen Steuersätzen. Diese haben unzählige Unternehmen hierher gelockt. Vor allem Firmen aus dem Finanzsektor und dem Bereich des Online-Glückspiels. Außerdem kommen jedes Jahr rund sieben Millionen Touristen auf die Halbinsel, um den Upper-Rock-Felsen mit den rund 300 Berber-Affen zu sehen, die Shoppingmeile Main Street entlangzuschlendern, in den vielen Pubs mit zum Teil selbst produziertem Alkohol einzukehren und in den teuren Juwelierläden Geld zu lassen. Oder aber um Delfine zu beobachten.

Wie werden die Brexit-Vereinbarungen aussehen?

Auf der Main Street hört man wegen der Pendler und Touristen aus dem Nachbarland oft mehr Spanisch als Englisch. Es werden Fish and Chips, aber auch Tapas serviert. Es gibt britische Telefonzellen und unter den Palmen sorgen „Bobbies“ für die Durchsetzung von Recht und Ordnung. Es gibt Vollbeschäftigung und praktisch keine Gewaltkriminalität.

Doch die Idylle bekommt Risse. Zwar glaubt niemand in Gibraltar, dass London die Souveränität über das Gebiet aufgeben wird. Das bekräftigte dieser Tage auch die britische Premierministerin Theresa May. Und Gibraltars Chief Minister Fabián Picardo, ein 46-jähriger Anwalt, versicherte bereits, man werde „auch nicht in 4000 Jahren“ zu Spanien gehören.

Doch es gibt andere Szenarien, die den Menschen in Gibraltar Angst einflößen. Zum Beispiel, dass Gibraltar von künftigen Vereinbarungen zwischen der EU, Spanien und London ausgeschlossen wird und der Zugang zur EU nach der im Dezember 2020 endenden Übergangsphase beschränkt wird. Oder dass Spanien sogar die Grenze völlig schließt, wie das bereits 1969 geschehen war. Erst 16 Jahre später, unter der britischen Drohung, den spanischen EU-Beitritt zu blockieren, war die Grenze wieder geöffnet worden.

15.000 Spanier arbeiten in Gibraltar

„Eine Grenzschließung wäre eine schreckliche Strafe für die Menschen, die beim Referendum mit 96 Prozent gegen den Brexit gestimmt haben“, sagt Vermehren. Großen Schaden würde der Brexit aber auch bei den rund 15.000 spanischen Pendlern anrichten, die in Gibraltar arbeiten. Sie stellen damit etwa 40 Prozent aller Arbeitskräfte und würden vermutlich in die Erwerbslosigkeit stürzen. Auch die vielen spanischen Firmen, die vom derzeitigen Status Gibraltars abhängen, würden in Mitleidenschaft gezogen werden, so der Sprecher. Weniger vornehm drückte sich am Samstag in Gibraltar ein seit vielen Jahren dort lebender Inder im Gespräch mit einem deutschen Fotografen über die Folgen des Brexit aus: „Spanien würde tief in die Scheiße geraten.“ (dpa)

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