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Eine spanische Fahne weht am Grenzüberganz zwischen dem spanischen La Linea de la Conception und Gibraltar.
© Frank Rumpenhorst/dpa
Update

Vor EU-Sondergipfel: Spanien gibt Vorbehalte gegen Brexit-Deal auf

Wegen des Streits über Gibraltar stand der Brexit-Gipfel auf der Kippe. Nun konnten sich Spanien, die EU und Großbritannien auf eine Lösung einigen.

Spanien hat seine Bedenken gegen den Brexit-Vertrag fallen gelassen. Das erklärte der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez am Samstag in Madrid. Vorangegangen war eine Einigung zwischen Spanien, der EU und Großbritannien über das Verfahren für künftige Verhandlungen über Gibraltar. „Europa und das Vereinigte Königreich haben die Forderungen Spaniens akzeptiert". In Folge dessen hebt Spanien sein Veto auf und wird morgen für den Brexit stimmen.“ Nach dem Brexit werde „die politische, juristische und sogar auch die geographische Beziehung Gibraltars zur EU von Spanien bestimmt werden“, sagte Sánchez.

Er betonte außerdem, Spanien werde „die Entkolonialisierung“ Gibraltars verfolgen. Der Sonderstatus des Gebiets mit niedrigen Steuern sei für die Armut in der spanischen Nachbarregion mitverantwortlich. Spanien werde gemäß der erzielten Einigung direkt mit London über Gibraltar verhandeln. „Wir haben einen entscheidenden und entschlossenen Schritt nach vorne getan, und wir haben absolute Garantien erhalten, um einen Konflikt zu lösen, der seit mehr als 300 Jahren anhält“, sagte Sánchez.

Die britische Premierministerin Theresa May nennt die Gespräche mit Spanien über Gibraltar "konstruktiv und vernünftig". Sie werde immer für das gesamte Vereinigte Königreich inklusive Gibraltar verhandeln, sagte sie vor einem Treffen mit EU-Ratspräsident Donald Tusk in Brüssel. "Ich bin stolz, dass Gibraltar britisch ist". Sie werde sich für das Überseeterritorium einsetzen.

Nach Angaben von Diplomaten in Brüssel bekommt Spanien zwei Zusicherungen aller 27 EU-Staaten sowie einen Brief der britischen Regierung und einen von Ratschef Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker - also ein Garantiepaket mit vier Elementen, dass Spanien künftige Vereinbarungen mit Blick auf Gibraltar vorab prüfen und billigen darf. Die von Spanien ursprünglich verlangten Änderungen an den Brexit-Verträgen wird es demnach hingegen nicht geben.

Der für Sonntag geplante Brexit-Sondergipfel stand bis zu der Einigung auf der Kippe. Sánchez drohte mit einer Absage, wenn der Streit über Gibraltar nicht beigelegt wird. Angesichts dessen liefen die diplomatischen Drähte heiß. Es wurde mit Hochdruck nach Lösungen gesucht, sagten Diplomaten in Brüssel. Bereits am Samstag reiste die britische Premierministerin Theresa May zu Gesprächen in die belgische Hauptstadt. Dort will sie am Samstagabend (18.00 Uhr) nochmals mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker zusammenkommen.

Tags drauf dann sollen bei einem Sondergipfel der Vertrag über den britischen EU-Austritt im März 2019 und eine Absichtserklärung über eine künftige Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft besiegelt werden. Das seit mehr als eineinhalb Jahren währende Ringen zwischen London und Brüssel wäre damit zwar abgeschlossen, die schwierigste Aufgabe für May würde aber danach noch warten: Die Premierministerin müsste den ausgehandelten Deal im Dezember durch das britische Parlament bringen.

Der Brexit Vertrag werde zumindest die Unsicherheit und die Brüche für Bürger, Unternehmen und für die EU-Staaten so weit wie möglich reduzieren, schrieb Tusk in seinem Einladungsschreiben an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die übrigen EU-Staats- und Regierungschefs. „Während dieser Verhandlungen wollte niemand irgendwen besiegen“, betonte Tusk. „Und ich glaube, dass wir letztlich den bestmöglichen Kompromiss gefunden haben.“

Gibraltar steht seit 1713 unter britischer Souveränität

In Sachen Brexit-Deal hatte der spanische Ministerpräsident Sánchez zuletzt eine neue Konfliktlinie aufgemacht. Er verlangte Änderungen am Entwurf für den Austrittsvertrag mit Großbritannien, weil Spanien Festlegungen über den künftigen Status von Gibraltar fürchtet. Das Gebiet am Südzipfel der Iberischen Halbinsel steht seit 1713 unter britischer Souveränität, wird aber von Spanien beansprucht.

Sánchez hatte nach eigenen Worten eine Absage des Sondergipfels am Sonntag für möglich gehalten, falls der Gibraltar-Streit nicht beigelegt wird. „Falls es keine Einigung gibt, ist es offensichtlich, dass das, was passieren wird, ist, dass die Tagung des Europäischen Rats sehr wahrscheinlich nicht stattfindet“, sagte er am Freitag in der kubanischen Hauptstadt Havanna. „Spanien hält sein Veto gegen das Brexit-Abkommen weiter aufrecht.“

EU-Kommissionschef Juncker war nach Angaben eines Sprechers in ständigem Kontakt mit Sanchez. Regierungsvertreter der 27 EU-Staaten versuchten bei einem Treffen, den Konflikt zu entschärfen - zunächst ohne greifbares Ergebnis, wie Diplomaten berichteten. Sánchez sagte in Havanna, bei den in Brüssel hinter verschlossenen Türen laufenden Verhandlungen habe seine Land „noch keine ausreichenden Garantien“ erhalten. Immerhin schienen andere Bedenken - darunter der Zugang zu Fischgründen - wenn nicht ausgeräumt, so doch auf Eis gelegt.

Asselborn: Sondergipfel wird nicht an Gibraltar-Frage scheitern

Nach Einschätzung des Luxemburger Außenministers Jean Asselborn wird der EU-Sondergipfel zum Brexit nicht an der Gibraltar-Frage scheitern. „Ich glaube, da kommt man raus“, sagte Asselborn am Samstag im Deutschlandfunk. „Da wird man höchstwahrscheinlich eine interpretative Erklärung des Europäischen Rates ausarbeiten“, der zufolge Gibraltar-Themen von Madrid und London auszuhandeln seien. Vielleicht sei das schon geschehen.

„Die Spanier haben Angst, dass eine Verlängerung der Übergangsphase nach 2020 auch auf Gibraltar angewandt wird“, sagte Asselborn. Das sei keine nur rationale Frage, aber mit einer Erklärung zu lösen. Im „politisch widernatürlichen“ Brexit-Prozess werde es keinen Sieger geben, sagte Asselborn.

Die 27 verbleibenden EU-Staaten wollten der britischen Premierministerin Theresa May indirekt helfen, die Einigung durch das Parlament zu bringen. Anfang Dezember solle es ein grundsätzliches Votum geben. Gehe das gut aus, müsse das Parlament „das Prinzip“ bis zum 29. März 2019 in Gesetzesform gießen. Klappt das nicht, „dann fällt wieder alles zusammen“, sagte Asselborn.

Doch schon das Votum über das Prinzip könne „schief ausgehen“, denn May brauche viele Stimmen der Opposition. „Das ist mathematisch eher - sagen wir mal - unmöglich, das hinzukriegen, aber man darf auch die Stärke von Theresa May nicht unterschätzen. Sie hat Stehvermögen gezeigt.“ Im Rahmen des Brexit-Vertrages gibt es bereits eine Regelung für Pendler, Steuerfragen und Fischereirechte.

Obendrein tagt am Samstag im nordirischen Belfast die DUP, von deren Stimmen die konservative Minderheitsregierung von May in Großbritannien abhängt. Als Gastredner ist ausgerechnet der extravagante Tory-Politiker Boris Johnson eingeladen, der aus Protest gegen Mays Brexit-Pläne als Außenminister zurückgetreten war. Die DUP lehnt den von May ausgehandelten Deal wie auch etliche Politiker aus Mays Konservativer Partei ab. Kritiker werfen May vor, schlecht verhandelt zu haben.

DUP droht May mit Ende der Zusammenarbeit

DUP-Chefin Arlene Foster drohte am Freitag damit, die Zusammenarbeit mit den Tories zu beenden. „Noch sind wir nicht soweit“, sagte Foster in einem BBC-Radio-Interview. Sollte sich May aber mit ihrem Abkommen im Parlament durchsetzen, würde die Zusammenarbeit auf den Prüfstand kommen. Ohne die Unterstützung der DUP wäre Mays Regierung gescheitert.

CSU-Europapolitiker Manfred Weber, der die europäischen Konservativen als Spitzenkandidat in die Europawahl 2019 führt, verlangte, es dürfe trotz allem keine Nachverhandlungen mehr am Brexit-Papier geben. „Die Brexiteers haben die Menschen angelogen. Deswegen ist jetzt viel Enttäuschung da“, sagte Weber der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). (dpa, Reuters)

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