Erneut zweitstärkste Kraft: Die AfD hat ihr Wahlziel verfehlt, aber ihre Position gefestigt
Den Wahlsieg hat die AfD weit verfehlt. Dennoch: Ihr ist es mit einem radikal rechten Kurs gelungen, erneut zweitstärkste Kraft zu werden. Eine Analyse.
Die Messlatte hatten sie selbst hochgelegt in den vergangenen Wochen. „Wir können stärkste Kraft werden“, riefen AfD-Kandidaten ihren Anhängern im Wahlkampf auf den Marktplätzen von Sachsen-Anhalt zu. Landesvize Hans-Thomas Tillschneider dröhnte auf der Abschlusskundgebung sogar: „Wir werden stärkste Kraft!“ Die Aussicht auf einen Wahlsieg sollte die Anhänger mobilisieren. Doch erfüllen konnte die AfD das Versprechen nicht.
Und so klingt am Sonntagabend auch keine echte Euphorie durch, als der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland auf der Wahlparty spricht. Er ist genauso wie der Thüringer Landeschef Björn Höcke nach Magdeburg gekommen. Gauland nennt das Ergebnis zwar einen „großen Erfolg“. Nur liegt die AfD eben weit hinter der CDU. Und die radikal rechte Partei ist auch hinter ihrem Ergebnis von 2016 geblieben, als sie mit 24,3 Prozent aus dem Stand in den Landtag einzog.
Eine Fortsetzung der Ost-Wahlkämpfe 2019
Eine Niederlage ist es für die AfD allerdings auch nicht: Sie hat sich als zweitstärkste Kraft im Magdeburger Landtag behauptet. Wieder liegt sie weit vor SPD und Grünen. Experten wie der Politikprofessor Karl-Rudolf Korte sprechen von einer „ostdeutschen, regionalen Volkspartei“. Von diesem Wahlabend geht auch das Signal aus, dass die Stärke der AfD in Sachsen-Anhalt kein vorübergehendes Phänomen ist.
Nicht unerheblich ist zudem: Das Ergebnis ist der Partei mit einem radikal rechten Kurs gelungen. Landesvize Tillschneider etwa ist bekannt für seine Kontakte zur rechtsextremen Identitären Bewegung und war so etwas wie der heimliche Spitzenkandidat der AfD. Bei der Abschlusskundgebung brüllte ins Mikrofron: „Wir kämpfen dafür, dass dieses Land nicht in eine Diktatur abgleitet!“ Und: „Wählt die AfD, solange ihr noch frei wählen könnt!“ Auf dem Magdeburger Domplatz jubelten ihm die AfD-Fans zu.
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Die Partei lieferte mit dieser Diktatur-Rhetorik die Fortsetzung ihrer Landtagswahlkämpfe 2019 im Osten, wo sie die Bundesrepublik als „DDR 2.0“ verunglimpfte und mit dem Spruch „Vollende die Wende“ warb. In Sachsen-Anhalt verband sie das mit dem Kampf gegen die Pandemiepolitik der Bundesregierung – der Slogan: „Freiheit statt Corona-Irrsinn“.
Das Wahlprogramm zeigt, wie der Landesverband tickt
Trotz Pandemie tourte die AfD über die Marktplätze, organsierte Autokorsos und Kundgebungen. Ein mit „Hol dir dein Land zurück“ bedruckter blauer Trabbi sollte für Aufmerksamkeit sorgen. Und die AfD holte Parteiprominenz wie Fraktionschefin Alice Weidel dazu oder Björn Höcke, dessen Landesverband vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextrem eingestuft wird.
AfD-Spitzenkandidat Oliver Kirchner wünscht sich zwar eine Koalition mit der CDU und trat deswegen nicht so extrem auf wie etwa Tillschneider. Aber auch er spielte auf Marktplätzen den Einheizer, wenn er gegen eine angebliche „Islamisierung“, „Klimahysterie“ und ein „desaströses Coronaregime“ wetterte und rief: „Wir müssen einen totalen Wechsel der Politik herbeiführen.“
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Auch das Wahlprogramm der AfD zeigte deutlich, wie das Landesverband tickt. Da war statt von „Asylbewerbern“ von „Asylforderern“ die Rede. Da forderte die AfD die Einführung einer „freiwilligen Bürgerwacht“ und die Liberalisierung des Waffenrechts. Da erklärte die AfD, bestimmten Theatern und Kulturprojekten den Geldhahn zudrehen zu wollen. Mit Steuergeld solle nur noch solche Kunst gefördert werden, die der deutschen Kultur „grundsätzlich bejahend“ gegenüber stünde. Vorbild sei die „kulturpolitische Wende“ unter Viktor Orbán in Ungarn.
Parteichef Meuthen dürfte nicht unglücklich sein
In den kommenden Tagen wird sich herausstellen, wie sich das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt auf die innerparteilichen Machtkämpfe auswirkt. Der Landesverband ist – wie die meisten Ost-Landesverbände – vom offiziell aufgelösten, als rechtsextrem eingestuften „Flügel“ in der AfD dominiert. Dessen Protagonisten halten in der Regel nichts von einer Mäßigung im Ton, sie setzen auf radikale Botschaften und – besonders im Osten – auf einen nationalsozialen Kurs. Immer wenn Landesverbände im Osten mit dieser Linie bei Landtagswahlen hohe Wahlergebnisse einfahren, stärkt das die Position des „Flügels“.
Parteichef Jörg Meuthen, der die Strömung bekämpft, dürfte also nicht unglücklich darüber sein, dass es die AfD es nicht geschafft hat, in Sachsen-Anhalt stärkste Partei zu werden. Kurz nach Schließung der Wahllokale verteilte er bereits eine Spitze an die Parteifreunde im Osten: Angesichts der „unübersehbar desolaten Verfassung der politischen Konkurrenz“ wäre seiner Ansicht nach „mit einem stärker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden Wahlkampf auch ein noch deutlich stärkeres Ergebnis möglich gewesen“. Doch Höcke und seine Mitstreiter werden sich in ihrem Kurs auch durch den Platz zwei bestätigt sehen.
Und auch wenn nun in Magdeburg viele aufatmen, weil der AfD der Wahlsieg nicht gelungen ist, steht am Wahlabend die Erkenntnis: Der Partei ist es gelungen, ihre Position zu festigen. Trotz Beobachtung durch den Verfassungsschutz, trotz radikal rechter Ausrichtung. Ein nicht kleiner Teil der Wähler will sie genau wegen dieser Ausrichtung im Landtag sitzen sehen.