Berliner Parteien zur Wahl in Sachsen-Anhalt: „Das Ergebnis für die SPD ist erschreckend bitter“
Berlin wählt als nächstes Bundesland sein Parlament. SPD und Linke hadern mit den Zahlen aus Magdeburg, die CDU sieht sich als „einzige verbliebene Volkspartei“.
Es war die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl am 26. September: Sachsen-Anhalt hat gewählt, die CDU um den Ministerpräsidenten Reiner Haseloff hat klar gewonnen, dahinter folgt die AfD. Abgeschlagen sind Linke, SPD und Grüne. Die nächste Landtagswahl fällt ebenfalls auf den 26. September. Dann entscheiden die Berliner über die Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses. Wie bewerten die Berliner Parteien den Wahlausgang in Sachsen-Anhalt?
Nach dem schwachen Ergebnis der SPD zeigt sich die Berliner Parteispitze zerknirscht. „Das Ergebnis für die SPD in Sachsen-Anhalt ist erschreckend bitter“, sagte der Co-Landesvorsitzende Raed Saleh dem Tagesspiegel. „Viele Wähler:innen hätten die CDU gewählt, um die AfD als stärkste Kraft zu verhindern“, erklärt der Sozialdemokrat die Ursache für das Resultat.
Auch Franziska Giffey, Co-Landeschefin und Spitzenkandidatin der SPD für die Abgeordnetenhauswahl bilanzierte das Ergebnis ihrer Partei selbstkritisch. „Es ist in Sachsen-Anhalt nicht gelungen, einen Großteil der Wählerinnen und Wähler von der SPD zu überzeugen.“ Zugleich müsse das Ergebnis der AfD „aufrütteln“.
„Die Ursachen von Unzufriedenheit liegen aus meiner Sicht nach wie vor in ungleichen Lebensverhältnissen in Ost und West, mangelnder Repräsentanz der Ostdeutschen in den Führungspositionen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch in Zukunfts- und Verlustängsten im Angesicht der großen Veränderungsprozesse, die anstehen“, teilte Giffey dem Tagesspiegel mit. Diese Entwicklung sowie die geringe Wahlbeteiligung sei „eine Gefahr für unsere Demokratie“. Es müsse nun darum gehen, mit den Menschen ins Gespräch zu kommen und die Ursachen anzugehen.
Berliner AfD: „Eine vielversprechende Steilvorlage“
Die Berliner CDU sieht sich durch das Ergebnis gestärkt für die Wahlen in Berlin und im Bund im Herbst. Das Resultat gebe „kräftigen Rückenwind“ für die anstehenden Urnengänge, teilte Generalsekretär Stefan Evers mit.
„Es zeigt sich einmal mehr, dass die CDU die einzige verbliebene Volkspartei ist.“ Hass und rechte Hetze hätten trotz Corona-Frust bei den Wählern nicht verfangen. Das Wahlergebnis sei ein starkes Votum für eine pragmatische, tatkräftige Politik der Mitte. Von einem Höhenflug der Grünen könne nach dem Ergebnis „nicht die Rede sein“, konstatierte Evers.
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Erfreut hat man die Hochrechnungen der Wahl bei der Berliner AfD aufgenommen. „Wir gratulieren unseren Freuden in Sachsen-Anhalt zu ihrem sensationellen Ergebnis“, erklärte die Landesvorsitzende und Spitzenkandidatin zur Abgeordnetenhauswahl, Kristin Brinker. Das Ergebnis sei „eine vielversprechende Steilvorlage für die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und zum Bundestag im Herbst“.
Grüne: In Berlin keine „Abwehrkoalition gegen die AfD“ nötig
Die CDU mit deutlichem Plus, die Grünen hinter den Erwartungen: Die Berliner Grünen-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, Bettina Jarasch, sieht für dieses Ergebnis vor allem wahltaktische Gründe.
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„Die Sorge vor der AfD als stärksten Kraft hat viele Wähler*innen dazu gebracht aus taktischen Gründen der Partei des Ministerpräsidenten ihre Stimme zu geben.“, sagte Jarasch dem Tagesspiegel. Anders als in Sachsen-Anhalt sei in Berlin keine „Abwehrkoalition gegen die AfD“ nötig, sondern eine Gestaltungskoalition möglich. „Berlin ist die Stadt der Freiheit, hier ist klar, dass die Herzen der übergroßen Mehrheit dieser Stadt nicht der AfD gehören.“
Mit Blick auf das Ergebnis der Grünen betonte Jarasch trotz des schwächer als erwarteten Ergebnisses den „Zugewinn“ ihrer Partei. Dieser zeige, „dass unsere Themen wie Klimaschutz mittlerweile in allen Regionen fest verankert sind. Das ist auch in Sachsen-Anhalt der Lohn für engagierte sozial-ökologische Politik in der Regierung.“
Berliner Linke spricht von „bitterem Abend“
Nach deutlichen Verlusten bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt sieht die Berliner Linke eigene Versäumnisse ihrer Parteikollegen. „Für uns Linke ist das natürlich ein bitterer Abend, denn die sozialen Fragen treten weiter in den Hintergrund“, teilte der stellvertretende Berliner Landes- und Fraktionsvorsitzende Tobias Schulze dem Tagesspiegel mit.
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Das Mitte-Links-Spektrum müsse nun Antworten auf die Situation im ländlichen Raum finden. „Da schließe ich uns Linke ausdrücklich ein“, erklärte Schulze. In Berlin hingegen stelle sich die Situation anders dar. Dort sei die Linke „ein Machtfaktor“, teilte Schulze mit.
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Als wichtigste Erkenntnis der Wahl nannte der Linke-Politiker, dass mehr als drei Viertel der Menschen in Sachsen-Anhalt nicht die AfD gewählt hätten. „Und diese fast 80 Prozent wollen, dass über ihre Anliegen geredet wird - nicht über die der lauten Minderheit.“
Berliner FDP: „Der Aufwärtstrend setzt sich weiter fort“
Froh über den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde ihrer Parteikollegen in Sachsen-Anhalt zeigte sich die Berliner FDP. „Der Aufwärtstrend der Liberalen setzt sich weiter fort“, teilte der Landesvorsitzende der Berliner FDP Christoph Meyer mit. Meyer forderte CDU und SPD auf, Gespräche mit den Liberalen über eine „Deutschland-Koalition“ aufzunehmen. „Für ein ostdeutsches Landesparlament wäre die Deutschland-Koalition ein mutiges Zeichen für einen echten Neustart.“
Der Berliner Fraktionsvorsitzende der FDP und Spitzenkandidat für die Wahl zum Abgeordnetenhaus Sebastian Czaja sieht im wahrscheinlichen Wiedereinzug der Liberalen ins Landesparlament in Magdeburg auch „ein klares Signal“ für die Wahlen in Berlin: „Es gibt ein nachhaltiges Interesse an einer Politik, die auf eine aufstiegsorientierte soziale Marktwirtschaft setzt, die Bildungspolitik in den Mittelpunkt stellt und die mit einem neuen Stil die Probleme lösungsorientiert und sachlich angeht“, teilte Czaja mit.