Wähler ohne DDR-Hintergrund: AfD stärkste Kraft bei Unter-30-Jährigen
Ostdeutsche Wähler sind „diktatursozialisiert“? Für viele AfD-Anhänger kann das nicht stimmen. Die Partei war bei den U-30-Wählern besonders erfolgreich.
Ein Blick auf das Wahlverhalten der Stimmberechtigten in Sachsen-Anhalt zeigt je nach Alter deutliche Unterschiede bei den Parteipräferenzen. So ist beispielsweise bei den Unter-30-Jährigen die AfD stärkste Kraft. Laut Daten der Forschungsgruppe Wahlen machten 19 Prozent von ihnen hier ihr Kreuz – noch mehr als bei den Grünen oder der FDP (jeweils 13 und 12 Prozent).
Und das, obwohl diese beiden Parteien innerhalb ihrer eigenen Wählerschaft nirgends so stark sind wie bei den Jüngeren. In allen anderen Altersgruppen waren sie nur etwa halb so stark (FDP) oder zumindest deutlich schwächer (Grüne bei den 30- bis 44-Jährigen: acht Prozent).
Auffällig ist dagegen auch, wie stark die AfD über die anderen Altersgruppen hinweg ist: Bei den Senioren kommt sie auf 18 Prozent, bei den 45- bis 59-Jährigen auf 27 Prozent und bei den 30- bis 44-Jährigen sogar auf 30 Prozent. Am beliebtesten ist die AfD somit bei den Menschen, die die DDR gar nicht mehr erlebt haben – oder nur als Kinder.
Diese Ergebnisse stehen also in starkem Kontrast zur These des Ostbeauftragte der Bundesregierung, wonach ein Teil der ostdeutschen Wähler „diktatursozialisiert“ und für die Demokratie unwiederbringlich verloren sei. Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz hatte mit dieser Äußerung im Vorfeld der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt eine bundesweite Debatte über rechtsextremes Gedankengut in Ostdeutschland ausgelöst.
[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
In Sachsen-Anhalt war die CDU bei den Über-60-Jährigen besonders erfolgreich, 44 Prozent von ihnen machten hier ihr Kreuz. Und: Je jünger die Wahlberechtigten, desto weniger kann die Union sie begeistern. Bei den Unter-30-Jährigen ist die Union weit weg von der Volkspartei – nur vergleichsweise wenige (nämlich 18 Prozent der Jüngeren) entschieden sich für sie.
Ein deutlicher Unterschied zeigt sich auch beim Blick auf die Geschlechter: Bei den Frauen kommt die AfD nur auf 18 Prozent, bei den Männern sind es hingegen 29 Prozent.
Das Leib- und Magen-Thema der Grünen – der Klimaschutz – war für die Wählerschaft in Sachsen-Anhalt kaum von Belang. Für 75 Prozent gibt es in dem Bundesland „viel wichtigere Probleme als den Klimawandel“. Stattdessen zogen die Wahlkampf-Klassiker „neue Jobs“, „Wirtschaft“ oder „Infrastruktur“.
Die AfD verdankt ihren Erfolg als zweitstärkste Kraft einer „Wählerschaft, die das politische Establishment und Handling der Corona-Krise sehr kritisch sieht“, heißt es in der Wahlanalyse der Forschungsgruppe Wahlen – diese würden sich oft benachteiligt fühlen und hätten „sehr eigene Ansichten“ zum Rechtsextremismus oder zu Ausländern.
95 Prozent der AfD-Wähler:innen gaben an, sie sei die einzige Partei, die die wichtigsten Probleme klar benennen. 20 Prozent aller Befragten meinen, die AfD würde bei einer Regierungsbeteiligung eine bessere Politik machen. Die Linke erzielte ein historisch schlechtes Ergebnis. 48 Prozent der Befragten finden, sie kümmere sich nicht mehr genug um die Interessen der Ostdeutschen.
Was mögliche Koalitionen betrifft, könnten sich die Befragten am wenigsten mit einer Regierung von CDU und AfD anfreunden: 71 Prozent sind dagegen. Auch Schwarz-Gelb-Grün oder Schwarz-Rot-Grün werden eher abgelehnt. Eine Koalition aus CDU, SPD und FDP fänden immerhin 40 Prozent der Teilnehmer:innen gut. 76 Prozent der Befragten sind der Auffassung, die Landtagswahl würde noch lange nichts über den Ausgang der Bundestagswahl aussagen.
Update: Der Artikel gibt den Stand von 0 Uhr wieder und wurde zwischenzeitlich mit neuen Zahlen aktualisiert.