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Sichergestellte Waffen von Reichsbürgern werden im Wuppertaler Polizeipräsidium gezeigt.
© Roland Weihrauch/dpa

Gegen die Stimmen von FDP und AfD: Deutschland verschärft sein Waffenrecht

Potenziellen Attentätern soll künftig der illegale Zugang zu Waffen erschwert und diese lückenlos erfasst werden.

Von einem ehemaligen Bundesinnenminister ist der Spruch überliefert, dass er sich mit jedem anlege – nur mit Deutschlands Schützen nicht. Der Mann kannte die Zahlen. Mehr als 1,3 Millionen Sportschützen führt der Deutsche Schützenbund in seiner Mitgliedsliste, dazu kommen rund 380.000 Jäger, überwiegend Männer, überwiegend konservativ.

Als der Bundestag am Freitag die jüngste Änderung des Waffenrechts absegnet, ist der Respekt vor dieser geballten Macht noch bis in die Schlussdebatte hinein zu spüren. Redner von Union und SPD legen jedenfalls großen Wert darauf, dass die Verschärfung im Großen und Ganzen den Segen der Schützen- und Jagdverbände hat.

Tatsächlich blieb allen Beteiligten gar nichts anderes übrig. Nach dem Terroranschlag von Paris 2015, bei dem Islamisten im Musiktheater Bataclan und an anderen Orten 130 Menschen umbrachten, hatte die EU reagiert. Zwei Jahre später erließ Brüssel eine neue Waffenrichtlinie, die jedes Mitglied ins nationale Recht umsetzen muss.

Jede Waffe soll lückenlos erfasst werden

Die Kernziele der Europa-Vorgabe finden sich denn auch im jetzt beschlossenen Gesetz wieder: Potenziellen Attentätern soll es weiter erschwert werden, illegal an Waffen zu kommen, jede legale Waffe und ihre wichtigsten Teile sollen von der Herstellung bis zur Vernichtung lückenlos erfasst werden, und große Munitionsmagazine werden strikt reglementiert, um zu verhindern, dass Attentäter und Amokläufer mit Sportwaffen wie mit Maschinenpistolen im Dauerfeuer um sich schießen können.

Seit 2015 sind noch ein paar traurige Gründe mehr für die Neuregelung dazu gekommen. Die Vorsitzende des Innenausschusses, Andrea Lindhorst (CDU), erinnert an den Mord an ihrem Parteifreund, dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Bei den Hauptverdächtigen, beide legale Waffenbesitzer, seien um die 50 Waffen gefunden worden – für die ab jetzt gültige Begrenzung für Inhaber der gelben Sportschützen-Waffenkarte auf zehn hätten jedenfalls die Schützen in ihrem Wahlkreis auch deshalb „absolutes Verständnis“.

Angeblich werden Sportschützen und Jäger drangsaliert

Das sehen FDP und AfD ganz anders. Während Grünen und Linken die Reform nicht weit genug geht, schimpfen der FDP-Abgeordnete Konstantin Kuhle und der AfD-Mann Martin Hess unisono, wenn auch in unterschiedlich scharfem Ton über eine vorgebliche Drangsalierung der Sportschützen und Jäger. Kuhle wittert einen „Generalverdacht gegen legale Waffenbesitzer“, Hess „linksrotgrüne Politik“. Der SPD-Mann Helge Lindh hält dagegen: Die neuen Regeln kämen nicht auf Kosten, sondern im Sinne rechtschaffener Bürger. Auch er beruft sich auf die Schützenvereine: „Die Verbände sind nicht so dumm wie Sie!“

Trotzdem hatte die Koalition ihren ersten Entwurf in einigen Punkten deutlich abgeändert. Vor allem das von der EU vorgegebene Großmagazin-Verbot – 20 Patronen für Kurz- und maximal zehn für Langwaffen – hatte unter Sportschützen für Ärger gesorgt, weil sie sich dadurch von manchen Wettbewerben im Ausland praktisch ausgeschlossen sahen. Lindhorst versicherte ihnen, dass das Bundeskriminalamt die künftig möglichen Ausnahme-Genehmigungen zügig erteilen werde. Sie verteidigte auch die Regelabfrage beim Verfassungsschutz, bevor die Erlaubnis zum Waffenbesitz gegeben wird. Die habe ein einziges Ziel: „Keine Waffe in die Hände von Extremisten!“

Die Waffe in Halle kam aus dem 3-D-Drucker

Dass das Ziel auch mit dem neuen Recht nicht lückenlos erreichbar ist, wissen aber alle. Der Synagogen-Attentäter von Halle hatte seine Schießgeräte nach Anleitungen aus dem Internet selbst gebaut. Mit dem Fortschritt der 3-D-Drucktechnik für den Heimgebrauch dürften solche Do-it-yourself-Waffen häufiger und gefährlicher werden. Auch der Waffen-Schwarzmarkt ist mit Paragrafen allein nicht zu bekämpfen.

Doch der Behauptung des AfD-Manns Hess, dass sich Terroristen eh nicht ums Waffenrecht scherten und der ganze Aufwand zwecklos sei, schließen sich die Koalitionäre ausdrücklich nicht an. Dafür gibt es zu viele Fälle, vom Lübcke-Mord bis zu Amokläufen, in denen Täter mit legalen Waffen mordeten. Auch die regelrechten Waffenlager, die in jüngster Zeit bei „Preppern“ oder „Reichsbürgern“ gefunden wurden, sind künftig schon für sich genommen illegal.

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