Verkehrswende: Deutsche wollen für die Umwelt nicht aufs Auto verzichten
Drei Viertel der Bevölkerung finden, dass die Bundesregierung zu wenig für Nahverkehr, Fahrrad und andere Alternativen tut. Die Autokäufer wollen immer mehr PS.
Ungeachtet aller Diskussionen über Klima- und Umweltschutz können sich viele deutsche Autofahrer nicht vorstellen, das Autofahren aufzugeben. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey für den Tagesspiegel sagten 63,9 Prozent der Autofahrer, dass sie sich „eher nicht“ (23 Prozent) oder „auf keinen Fall“ (40,9 Prozent) vorstellen können, aus Umweltschutzgründen „größtenteils“ auf das Auto zu verzichten. 27,7 Prozent halten das durchaus für denkbar.
Wähler der Grünen und der Linken würden am ehesten verzichten
Die Bereitschaft dazu ist mit Blick auf die Parteipräferenzen der Fahrer ungleich verteilt: Am ehesten zeigen Wähler der Grünen mit gut 60 und der Linken mit knapp 50 Prozent eine Bereitschaft zum weitgehenden Verzicht. Für 73,3 Prozent der Unions-Anhänger und 80,3 Prozent der FDP-Wähler und 86,9 Prozent der AfD-Wähler ist das nicht vorstellbar.
Auf dem Land ist das Auto besonders unverzichtbar
Deutlich sind die Unterschiede auch zwischen Stadt und Land: In Regionen mit niedriger Bevölkerungsdichte will oder kann kaum jemand verzichten; bei sehr hoher dagegen – in den Städten – sind es mehr als die Hälfte der Fahrer. Im Osten Deutschlands ist die Bereitschaft mit 20 Prozent geringer als im Westen mit knapp 30 Prozent. Singles und Haushalte mit Kindern könnten etwas öfter verzichten als andere Autonutzer – und Männer etwas eher als Frauen.
Große Einigkeit: Zu wenig wird für ÖPNV und Fahrrad getan
Über drei Viertel der deutschen Gesamtbevölkerung (77,4 Prozent) finden laut der Civey-Umfrage, dass die Bundesregierung zu wenig für Nahverkehr, Fahrradfahrer und andere Alternativen zum Auto tut. Diese negative Mehrheit besteht entlang aller Parteineigungen sowohl auf dem Land als auch in der Stadt. Am deutlichsten wird diese Kritik bei Wählern der SPD, der Linkspartei und der Grünen.
Den Plan, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren in Deutschland mehr neu zuzulassen, lehnt eine knappe Mehrheit der Deutschen von 55,9 Prozent ab. Dabei gibt es eine eindeutige, klassische Lagerbildung: Anhänger der SPD, der Linken und allen voran der Grünen sind mehrheitlich dafür. Anhänger der Union, der FDP und vor allem AfD sind mehrheitlich dagegen. Auch dabei gibt es ein deutliches Stadt-Land-Gefälle: Bis auf Menschen in dicht besiedelten Städten gibt es keine Mehrheit für einen Zulassungsstopp.
Deutsche Autokäufer wollen immer mehr PS
Einer Studie des Ökonomen und Verkehrswissenschaftlers Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut der Universität Duisburg- Essen zufolge hatten die Neuwagen in Deutschland im vergangenen Jahr durchschnittlich 153,4 PS unter der Haube – im Vergleich zu 2017 eine Steigerung um 1,2 Prozent oder 1,8 PS.
Diesel-Fahrzeuge waren dabei mit durchschnittlich 168 PS erneut deutlich stärker motorisiert als Benziner mit 146 PS, teilte Dudenhöffer mit. Der anhaltende Trend zu mehr Stadt-Geländewagen (SUV) gleiche den insgesamt abnehmenden Marktanteil für Dieselfahrzeuge aus, der sich bei etwa 30 Prozent aller Neuwagen einpendele: Da immer mehr Kunden schwere SUV kauften, sei auch im laufenden Jahr mit weiter steigenden Durchschnittswerten bei der Motorkraft zu rechnen.
Nach Einschätzung Dudenhöffers hätte ein Tempolimit keinen Einfluss auf die Motorisierungswünsche der Autokäufer. Ein Blick in die Schweiz mit scharfen Tempolimits zeige, dass der durchschnittliche Neuwagen dort mit 170 PS ausgestattet sei. Die Autoindustrie müsse „ein Tempolimit nicht fürchten“, folgerte er. (mit dpa)