Türkei: Deutsche Behörden ermitteln gegen 20 türkische Spione
Türkische Spione sollen in Deutschland Anhänger der Gülen-Bewegung ausspähen. Präsident Erdogan spricht seinen Gegnern das "Recht zu leben" ab.
In Deutschland laufen einem Medienbericht zufolge Ermittlungsverfahren gegen 20 mutmaßliche türkische Spione. Hinzu kommen Ermittlungen der Bundesanwaltschaft gegen unbekannte Angehörige des türkischen Geheimdienstes MIT, die im Verdacht stehen, angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung in Deutschland ausspioniert zu haben.
„Derzeit wird gegen insgesamt 20 Beschuldigte sowie gegen unbekannt wegen des Verdachts der geheimdienstlichen Agententätigkeit im Auftrag der türkischen Regierung ermittelt, soweit es um die Ausspähung von Anhängern der Gülen-Bewegung geht“, heißt es in einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linke-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die der „Welt“ vorliegt. Die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putsch im Juli 2016 verantwortlich.
Erdogan-Rede mit Ankündigung zum Völkermord?
Präsident Erdogan hat Gülen-Anhängern bei einer Wahlkampfveranstaltung sogar das Recht zu leben abgesprochen. "Wir sind dabei, jeden einzelnen Gülenisten in der Armee, bei der Polizei und in den staatlichen Institutionen zu eliminieren", sagte er am Dienstag in der Hafenstadt Zonguldak am Schwarzen Meer. Der Journalist Mahir Zeynalov unterlegte die Rede in einem Twitter-Post mit englischen Untertiteln. "Wir haben diese Vaterlands-Spalter aus allen staatlichen Institutionen getilgt und werden das auch weiterhin machen. Wir werden ihnen kein Recht zu leben gewähren." Die Gülenisten hätten die islamische Nation Türkei gespalten, und man werde sie bis zum Ende bekämpfen, so Erdogan. Auf den Tweet von Zeynalov reagierte die Grünen-Politikerin Rebecca Harms, es gebe keine Herrschaft des Rechts in der Türkei. In Deutschland würde man so etwas "Säuberung" oder "Massenverfolgung" nennen. Und der Religionswissenschaftler Reza Aslan meint, die Erdogan-Rede könne als Ankündigung eines Völkermords verstanden werden.
Zu den Ermittlungsverfahren in Deutschland äußerte Linken-Politikerin Dagdelen den Verdacht, dass viele mutmaßliche Spione aus den Reihen der Ditib Deutschland längst verlassen hätten. „Das rechtsstaatlich völlig inakzeptabel laxe Vorgehen gegen Ditib wegen Spionage hat dazu geführt, dass sich Erdogans Spitzel-Imame in die Türkei absetzen und sich der Strafverfolgung entziehen konnten“, sagte sie der „Welt“. Ditib-Imame stehen im Verdacht, im Auftrag der türkischen Religionsbehörde Diyanet in deutschen Moscheegemeinden Informationen über Anhänger der Gülen-Bewegung gesammelt zu haben. Die Vorwürfe waren bereits im Dezember bekannt geworden.
Wie die Bundesregierung in ihrer Antwort mitteilt, wurden im vergangenen Jahr für Islamprediger der Ditib insgesamt 345 Visa ausgestellt. 2015 seien es erst 240 Visa gewesen, im Jahr zuvor 200. Im Vergleich zum Jahr 2011 habe sich die Anzahl der Visa sogar mehr als verdoppelt, heißt es in dem Bericht. Die aus der Türkei entsandten Imame predigten in den etwa 800 Moscheen, die der Dachverband hierzulande betreibe. (dpa, rok)