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Einem hat's hier zu sehr gestunken. Von außen aber ist Schloss Bellevue recht ansehnlich.
© Konstantin Kovtun/Fotolia

Vor der Wahl zum Bundespräsidenten: Des einen Schloss, des anderen Bruchbude

Am Sonntag wird der neue Bundespräsident gewählt. Wie vollzieht sich der Wechsel im Schloss Bellevue? Ein paar Antworten zur Wahl und Anekdoten rund um Schloss Bellevue.

Jetzt wird’s ernst. Ein Tag noch, dann wird Deutschland voraussichtlich wissen, wer für die nächsten fünf Jahre als Bundespräsident an der Spitze des Staates steht. An diesem Sonntag wird er ab 12 Uhr mittags im Reichstagsgebäude gewählt, und es müsste schon viel schiefgehen, wenn es nicht der bisherige Außenminister Frank-Walter Steinmeier würde.

Wie wird der Bundespräsident gewählt?

Wahlgremium ist die Bundesversammlung, die zum 16. Mal zusammentritt und deren einzige Aufgabe die Wahl ist. Den Vorsitz führt als Hausherr der Bundestagspräsident. Die 1260 Mitglieder zählende Bundesversammlung setzt sich aus den Mitgliedern des Bundestages und ebenso vielen Wahlmännern und -frauen zusammen, die von den 16 Landesparlamenten entsprechend der Bevölkerungszahl der Bundesländer entsandt werden.

In der Regel kommen sie aus den dortigen Parlamenten und Landesregierungen, auch Mitglieder der Bundesregierung ohne Sitz im Bundestag können darunter sein, dazu kommen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Die Abstimmung erfolgt einzeln und geheim in der Wahlkabine.

Wer tritt gegen Steinmeier an?

In anderen Weltregionen wurden Schauspieler sogar Präsident oder Gouverneur, hierzulande hat man damit wenig Erfahrung. Alexander Hold, Kandidat der Freien Wähler, wäre da als Bundespräsident eine allerdings unwahrscheinliche Premiere: Zwar hat er im Stadtrat von Kempen und im Bezirkstag Schwaben kommunalpolitische Erfahrung gesammelt, bekannt wurde er aber als Hauptdarsteller in der Sat-1-Gerichtsshow „Richter Alexander Hold“, ein Beruf, den er auch im wahren Leben ausgeübt hat.

„Lass das mal den Papa machen“ – eigentlich die Titelzeile eines „Stromberg“-Songs – könnte über der Kandidatur von Engelbert Sonneborn stehen. „Eine ehrliche Haut im besten Bundespräsidentenalter“, so urteilte sein Sohn, der Satiriker und Europa-Abgeordnete Martin Sonneborn. Der schlug Papa vor, dann wurde dieser tatsächlich offizieller Kandidat der satirisch orientierten PARTEI und der ihr darin nahestehenden Piratenpartei. Die AfD will es mit dem ehemaligen Frankfurter CDU-Kommunalpolitiker und Stadtkämmerer Albrecht Glaser versuchen, die Linke mit dem Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge. Dass einer der Gegenkandidaten sich gegenüber Steinmeier, von SPD und CDU/CSU ins Rennen geschickt, von der FDP und Teilen der Grünen unterstützt, eine Chance ausrechnet, darf man bezweifeln. Schon Peter Sodann, 2009 von der Linken nominiert, hatte die Popularität als Schauspieler wenig genützt.

Warum so viele prominente Wahlmänner?

Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens als Mitglieder der Bundesversammlung – das sind häufig Sportler, Schauspieler, Künstler, Musiker oder auch Leitungsfiguren aus Verbänden. Die öffentliche Rolle als Teppich- oder Boxenluder genügt da nicht, es müssen schon Figuren von Format sein.

Bei der aktuellen Wahl ist das beispielsweise Bundestrainer Joachim Löw, der von den baden-württembergischen Grünen ausgewählt, von Ministerpräsident Winfried Kretschmann persönlich dazu gebeten wurde und die ungewohnte Rolle als „große Ehre“ und „absolute Bürgerpflicht“ pries.

Weitere prominente Mitglieder der aktuellen Bundesversammlung sind die Schauspielerinnen Iris Berben, Natalia Wörner, Christine Urspruch, Mariele Millowitsch und Veronica Ferres, die Sänger Roland Kaiser und Peter Maffay, die Verlegerin Friede Springer, „Focus“-Herausgeber Helmut Markwort, Travestiekünstlerin Olivia Jones, Shermin Langhoff, Intendantin des Berliner Maxim-Gorki-Theaters, Komikerin Carolin Kebekus und Semiya Simsek, die Tochter des ersten bekannt gewordenen NSU-Opfers. Häufig haben sich die Wahlmänner und -frauen nicht nur durch ihre Rolle im öffentlichen Leben, sondern ebenso durch Verdienste um das Gemeinwohl qualifiziert wie die „Silbermond“-Sängerin Stefanie Kloß, die sich mit ihrer Band in der Initiative „Laut gegen Nazis“ engagiert.

Was passiert nach der Wahl?

Erst mal gar nichts. Die Amtszeit von Joachim Gauck dauert bis zum 18. März, 24 Uhr, erst tags darauf, es ist ein Sonntag, wird der voraussichtlich designierte Bundespräsident Frank-Walther Steinmeier zum tatsächlichen Amtsinhaber. Erst später erfolgt dessen Vereidigung, die aber nur noch deklaratorische Bedeutung hat.

Ein weiterer Fixpunkt bei diesem Amtsträgerwechsel ist der Große Zapfenstreich am 17. März, mit dem der scheidende Bundespräsident verabschiedet wird. Schon im Vorfeld jenes Wochenendes wird es allerdings auf Verwaltungsebene Absprachen zur Amtsübergabe geben.

Wohnt der Präsident im Bellevue?

In einem Schloss wohnen – wer würde das nicht gern? Allerdings: Nicht im Schloss Bellevue, wo dies schon lange nicht mehr möglich ist, und aus gutem Grund. Nur 94 Quadratmeter maß die im Südflügel gelegene Dienstwohnung des Bundespräsidenten vor der letzten großen Sanierung des Gebäudes, genutzt wurde sie für längere Zeit allein von Roman Herzog, und dies auch nur unter Zähneknirschen und durchaus auch Richtung Öffentlichkeit geäußerten Unmutsbekundungen. Eine „Bruchbude“ sei es, in der dauernd der Strom ausfalle, „und stinken tut’s immer“, wegen der maroden Sanitäranlagen.

Schon Nachfolger Johannes Rau hatte angesichts von Frau Christina, drei Kindern und einem Hund, die mit ihm unterzubringen waren, die Dahlemer Dienstvilla des Bundespräsidenten als Wohnsitz vorgezogen und Bellevue nur als Dienstsitz genutzt, wobei es seither blieb.

Und als das Schloss zwischen 2004 und 2006 unter Raus Nachfolger Horst Köhler grundlegend saniert wurde, verschwand die ungeliebte Wohnung komplett, auch wenn es seither im Gebäude nicht mehr stinkt, der Aufzug nicht mehr regelmäßig ausfällt und kein König, wie einst der norwegische, mehr mit dem Bundespräsidenten bei Kerzenschein parlieren muss, weil mal wieder das elektrische Licht ausgefallen ist.

Der berühmteste Besuch im Bellevue?

Zugegeben, irgendwann kamen auch die Queen und dieser oder jene Präsident, aber am 25. April 1991 kam Hape Kerkeling. An diesem Tag besuchte die niederländische Königin Beatrix Schloss Bellevue, doch der Entertainer kam ihr zuvor. Im dicken Mercedes Pullman rollte er heran, ausstaffiert mit Perücke, schwarzblauem Kostüm und Perlenkette, ab und zu huldvoll winkend. So schaffte Kerkeling es sogar durchs Tor, stieg aus und machte sich – etwas wackelig auf Pumps – daran, die Treppe zum Eingang emporzusteigen. Angeblich hatte er sich sogar per Funk angemeldet, Sicherheitskräfte hatten ihm jedenfalls den Weg freigemacht.

Ein Fotograf soll den Spaß als Erster erkannt haben: „Das ist doch der Kerkeling.“ Der bestritt das energisch, beschied der konsternierten Protokolldame: „Ich bin die Beatrix. Ich will lecker essen mit dem Präsidenten“, bis ein Mitarbeiter der präsidialen Pressestelle den Komiker energisch Richtung Auto schob: „Das beenden wir jetzt aber bitte sofort. Raus jetzt!“

Die Szene wurde wie vorgesehen in Kerkelings Comedyserie „Total Normal“ ausgestrahlt. Den gefoppten Sicherheitsbeamten war freilich nicht zum Lachen zumute: Das Bundesinnenministerium verlangte vom Bundesgrenzschutz die Aufklärung des Vorfalls. Kerkeling selbst schaffte es später doch noch ins Schloss, wurde 2009 ganz offiziell zum Sommerfest eingeladen. Und morgen ist ausgerechnet er einer der Wahlmänner, entsandt von der nordrhein-westfälischen CDU.

Wann darf der Bürger ins Schloss?

„Kommen Sie mit, das ist Ihr Schloss“, so hatte einst Bundespräsident Horst Köhler die Besucher zum Tag der offenen Tür im Bellevue begrüßt. Das war sicher nett und wohl auch ehrlich gemeint, doch hat das Volk als Souverän nur sehr begrenzt Zugang zum Amtssitz seines Staatsoberhaupts. In den vergangenen Jahren eigentlich nur jeweils einen Tag lang, meist war es im September. Joachim Gauck hatte das so eingeführt: Erst am Vorabend ein Bürgerfest mit von ihm persönlich eingeladenen Personen, die sich in Ehrenämtern hervorgetan haben, tags darauf dann das Fest für alle, der Tag der offenen Tür.

Wie der neue Bundespräsident dies handhabt, ist allerdings seine Sache. Schon Gaucks Vorgänger waren anders verfahren. Da gab es das traditionelle Sommerfest, das meist Funktionsträgern vorbehalten war und auch schon mal einen Tag der offenen Tür. Weitere Möglichkeiten, das Innenleben des Schlosses zu erleben, sind hin und wieder Gruppenführungen durchs Schloss oder auch Fachtagungen. Und bei Gelegenheit überreicht der Bundespräsident den Bundesverdienstorden persönlich in seinem Amtssitz, jedenfalls die höheren Stufen.

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