Akkreditierung von Journalisten: Der Tagesspiegel appelliert an die Türkei
Die Türkei entzieht deutschen Journalisten die Akkreditierung, darunter Tagesspiegel-Reporter Seibert. „Wir sind erschüttert“, sagt Chefredakteur Müller von Blumencron.
Tagesspiegel-Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron hat nach der Ablehnung von Akkreditierungen von Journalisten in der Türkei, darunter Tagesspiegel-Korrespondent Thomas Seibert, an die dortigen Behörden appelliert, ihr Vorgehen zu überdenken: „Wir sind erschüttert über die Entscheidung des türkischen Präsidialamts. Das ist ein schwerer Eingriff in die Pressefreiheit. Solche Methoden kennen wir sonst nur aus Staaten wie Venezuela und Libyen. Gerade für die vielen türkischen Mitbürger in Berlin ist unsere Berichterstattung aus ihrer Heimat von großer Bedeutung.“
In der türkischen Regierungspartei AKP regt sich unterdessen Widerstand gegen den Entzug der Arbeitsgenehmigung mehrerer deutscher Journalisten. Die Entscheidung des Informationsamtes in Ankara „schadet dem Ansehen der Türkei und kann daher nicht im Interesse der Türkei sein“, erklärte der AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu am Samstag. Er deutete an, dass die Entscheidung revidiert werden könnte.
Das Informationsamt hatte am Freitag dem Tagesspiegel-Korrespondenten Thomas Seibert und dem ZDF-Büroleiter in Istanbul, Jörg Brase, die Akkreditierungen entzogen. Am Samstag wurde bekannt, dass auch der deutsche Fernsehjournalist Halil Gülbeyaz nicht mehr in der Türkei arbeiten darf.
Wie Gülbeyaz mitteilte, erhielt er wie Seibert und Brase eine E-Mail des Informationsamtes mit der Ablehnung seines Antrags auf Neu-Akkreditierung für das Jahr 2019. Wie in den anderen beiden Fällen nannten die Behörden auch bei Gülbeyaz keine Gründe für die Zurückweisung. Gülbeyaz ist seit zwölf Jahren für das NDR-Fernsehen in der Türkei als Journalist akkreditiert. Er hat Wohnsitze in Istanbul und Berlin und ist derzeit in der Bundeshauptstadt.
Yeneroglu betonte, er könne „nicht erklären, wie die zuständige Behörde zu einer solchen Entscheidung gekommen ist. Jedenfalls kann ich die Entscheidung weder nachvollziehen noch gutheißen.“ Journalisten könnten in der Türkei „frei arbeiten“, fügte er hinzu.
Der AKP-Politiker verwies zudem auf mögliche Folgen für die türkische Wirtschaft. „Wir können nicht auf der anderen Seite so intensiv für den Wirtschaftsstandort Türkei mit ihren wirklich äußerst reizvollen Perspektiven werben, wenn auf der anderen Seite solche unverständlichen Entscheidungen mit großer Tragweite von einer Behörde getroffen werden.“
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Der Entzug der Akkreditierungen „muss in jedem Einzelfall konkret und überzeugend vermittelt werden, so wie in jedem anderen Rechtsstaat auch“, unterstrich Yeneroglu. Er gehe davon aus, „dass die Entscheidung entweder äußerst überzeugend erklärt oder wenn stichhaltige Argumente fehlen, in Kürze berichtigt wird“.
Insgesamt warten noch Dutzende Auslandskorrespondenten auf ihre Arbeitsgenehmigungen, darunter die Korrespondenten der „Süddeutschen Zeitung“ und der britischen BBC. Ausländische Journalisten in der Türkei müssen sich jedes Jahr neu akkreditieren.
In Einzelfällen hatte es in den vergangenen Jahren bereits mehrmals Probleme bei der Akkreditierung ausländischer Journalisten in der Türkei gegeben. Die Zurückweisung gleich mehrerer Korrespondenten und die Verzögerung des Akkreditierungsverfahrens für mehrere Dutzend Journalisten ist jedoch neu.
Journalistenverband: „Pure Schikane“
Die Zuständigkeit für die Akkreditierungen war im vergangenen Jahr im Zuge der Einführung des Präsidialsystems in der Türkei vom inzwischen aufgelösten Ministerpräsidentenamt ans Präsidialamt übergegangen. Der neue Chef des dortigen Informationsamtes, Fahrettin Altun, hat sich bisher nicht zu dem Entzug der Akkreditierungen geäußert. Anfragen europäischer Diplomaten in Ankara hat Altun bisher unbeantwortet gelassen.
Mit ihrem Verhalten stellt sich die Türkei in eine Reihe autokratischer Länder, die ebenfalls unliebsamen ausländischen Berichterstattern die Akkreditierungen entziehen. Laut einem Bericht der Journalisten-Vereinigung Reporter Ohne Grenzen (ROG) zählen dazu unter anderem Ägypten, China, Venezuela und Weißrussland.
Der Sprecher des Deutschen Journalistenverbandes, Hendrik Zörner, sagte: "Die willkürliche Verweigerung von Akkreditierungen für Korrespondenten in der Türkei ist pure Schikane. Das AKP-Regime will offenbar kritische Berichterstattung verhindern. Denn eine nachvollziehbare Begründung für die Verweigerungen gibt es nicht. Wir fordern, dass die Journalisten unverzüglich ihre Presseausweise erhalten und die Pressefreiheit nicht weiter eingeschränkt wird."
Der Vorsitzende des Journalistenverbandes Berlin-Brandenburg JVBB, Christian Walther, sagte, angesichts der willkürlichen Verhaftung von Journalisten in den letzten Jahren müsse man „fast dankbar sein, dass diesmal nur die Akkreditierung entzogen wurde“. Andererseits mache diese vermeintliche Milde auch dem ahnungslosesten Beobachter klar, „dass den betroffenen Journalisten von den türkischen Behörden offenbar nichts anderes vorgehalten werden könnte als die pflichtgemäße Ausübung ihres Berufes“. (Tsp/sag/hmt)
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