Frankreichs Asylpolitik: Der Schwenk des Monsieur Macron
Einst lobte Frankreichs Polit-Star die deutsche Kanzlerin wegen ihrer Flüchtlingspolitik. Jetzt plant er eine Verschärfung des Asylrechts, die sogar in den eigenen Reihen Kritik auslöst.
Es ist ein gutes Jahr her, dass Emmanuel Macron die Flüchtlingspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) lobte. Im Präsidentschaftswahlkampf sprach Macron davon, dass Merkel durch die Aufnahme zahlreicher Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 „unsere kollektive Würde gerettet“ habe. Jetzt zeigt Frankreichs Staatschef Macron aber ein anderes Gesicht: Sein Innenminister Gérard Collomb, der vor seinem Wechsel zur Präsidentenbewegung „En Marche“ als Vertreter des rechten Flügels bei den Sozialisten galt, stellte am Mittwoch im Kabinett ein neues Asyl- und Einwanderungsgesetz vor. Falls das Gesetzespaket vom Parlament angenommen wird, müssten abgelehnte Asylbewerber mit einer verschärften Abschiebepraxis rechnen.
Premierminister Philippe leitete im vergangenen Sommer die Wende ein
Völlig überraschend kommt Macrons Wende nicht. Bereits im vergangenen Juli hatte Premierminister Edouard Philippe angekündigt, dass abgelehnte Asylbewerber künftig systematisch abgeschoben werden sollten. In seinen öffentlichen Reden hatte Macron bereits zuvor eine Unterscheidung getroffen zwischen schutzbedürftigen Asylbewerbern und „Wirtschaftsflüchtlingen“, die keine Zukunft in Frankreich haben.
Mit dem am Mittwoch vorgelegten Gesetzentwurf nimmt Macrons Flüchtlingspolitik nun konkrete Formen an. Demnach soll die durchschnittliche Dauer der Asylverfahren von derzeit rund neun auf sechs Monate verkürzt werden. Die Dauer der Abschiebehaft soll von 45 auf 90 Tage verdoppelt werden. Damit würde Frankreich künftig im europäischen Durchschnitt liegen. Dagegen soll der Status der Migranten mit Recht auf subsidiärem Schutz – etwa Flüchtlinge aus Kriegsgebieten – verbessert werden. Ihre Aufenthaltsgenehmigung soll von einem auf vier Jahre verlängert werden.
Anders als in Deutschland ist die Zahl der Asylanträge gestiegen
Macrons Regierung steht unter Druck, weil die Zahl der Asylanträge in Frankreich – anders als in Deutschland – 2017 gestiegen ist. Nachdem in Frankreich 2016 noch 88.000 Asylanträge registriert wurden, waren es 2017 bereits 100.412. Nach den Angaben von Innenminister Collomb hat dieser Anstieg damit zu tun, dass zahlreiche Asylbewerber in Frankreich einen Folgeantrag stellen, nachdem sie sich bereits in anderen EU-Staaten – in erster Linie Italien und Deutschland – registrieren ließen. Unter den Migranten, die im vergangenen Jahr ihren Erstantrag in Frankreich stellten, waren nach Angaben der Flüchtlingsbehörde OFPRA vor allem Albaner, Afghanen und Haitianer.
Praktiker zweifeln an Steigerung der Abschiebungszahlen
Zudem gibt es immer wieder Diskussionen um das wilde Flüchtlingscamp in Calais, wo zahlreiche Migranten weiterhin darauf warten, mit der Hilfe von Schleppern nach Großbritannien zu gelangen. Anfang Februar fielen in Calais Schüsse bei einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Flüchtlingen aus Afrika und Afghanistan, bei der mehr als 20 Menschen verletzt wurden. Anschließend begab sich Collomb an den Ort der Krawalle und erklärte: „Wir haben ein Maß an Gewalt erreicht, das sowohl für die Einwohner von Calais als auch die Migranten unerträglich geworden ist.“
Experten bezweifeln allerdings, ob die geplanten Schritte tatsächlich zu einer verstärkten Abschiebung von illegalen Flüchtlingen aus Frankreich führen. So sagte der Asylrechtsspezialist Laurent Delbos der Zeitung „La Croix“, es gebe keinen Zusammenhang zwischen einer Verlängerung der Abschiebehaft und höheren Abschiebungszahlen.
Die Kritik an den Gesetzesvorschlägen von Innenminister Collomb reicht bis in das Lager von Macrons Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM) hinein. Im Parlament, wo die LREM die absolute Mehrheit der Mandate stellt, sollen die Beratungen über den verschärften Kurs in der Asylpolitik im kommenden Monat beginnen. Der LREM-Abgeordnete Matthieu Orphelin kündigte an, dass die Nationalversammlung auf Nachbesserungen dringen werde. Allerdings werde man den politischen Gegnern nicht den Gefallen tun, dass sich die Partei in der Flüchtlingspolitik entzweie, fügte Orphelin hinzu.
Berater: Macron sieht Merkels Kurs inzwischen anders
Angesichts der geplanten Verschärfung des Asylrechts scheint das einstige Lob Macrons für Kanzlerin Merkel passé. Die Zeitung „Les Echos“ zitiert einen Berater im Regierungsapparat jedenfalls mit den Worten: „Mit dem zeitlichen Abstand hat der Präsident erkannt, dass Merkel nicht unbedingt gut gehandelt hat.“
Albrecht Meier