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Deutsche Rüstungspolitik: Der Schlingerkurs am Rande der Heuchelei

Die große Koalition streitet über Waffenlieferungen in Spannungsgebiete. Mit "Erst das Fressen, dann die Moral" ist es nicht getan. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Der Bundessicherheitsrat erzielte keine Einigung darüber, ob der Stopp der Waffenlieferungen an Saudi-Arabien auslaufen soll. Die Vertreter von CDU und CSU waren dafür, die der SPD dagegen. Die weitere Lieferung von Patrouillenbooten an die Regierung in Riad war im November nach dem Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi gestoppt worden. Die Patrouillenboote stehen symbolisch für jenen Passus im Koalitionsvertrag, nach dem an Staaten, die am Krieg im Jemen beteiligt sind, keine Waffen geliefert werden dürfen. Die SPD hat das durchgesetzt.

Der Streit zwischen den Koalitionspartnern um die Patrouillenboote ist ein weiteres Indiz für einen grundsätzlichen Streit über die Rolle Deutschlands in der Nato und in der Europäischen Union. Die SPD möchte, dass grundsätzlich eher moralische als bündnis-orientierte Überlegungen den Einsatz der Bundeswehr und die Beteiligung an der Herstellung von Rüstungsgütern bestimmen.  Bei der Bundeswehr wurde das deutlich, als Deutschland Spezialisten aus den multi-nationalen Besatzungen der Awacs-Überwachungsflugzeuge zurückziehen wollte.

Paris und London sagen: Nur wer Waffen liefert, hat auch Einfluss

Das hätte die Einsatzbereitschaft massiv gefährdet. In der Rüstungspolitik geht es um alle Vorhaben, an denen mehrere Länder beteiligt sind. Aktuell betrifft das auch den Eurofighter und Tornado-Kampfjets, zu denen deutsche Unternehmen Komponenten liefern. Durch die im Ausland als rigoros registrierten Berliner Exportkontrollen sind solche Projekte gefährdet. Vor allem in Frankreich und Großbritannien wird  offen über den Bau „deutschland-freier“ Systeme geredet.

Die deutsche Betonung der moralischen Komponente bei Waffengeschäften wird von Verbündeten als heuchlerisch empfunden. Deutschland ist einer der größten Waffenlieferanten der Welt. Deutsche Leopard-II-Panzer, an die Türkei geliefert, schießen in Syrien auf kurdische Milizen, die wir und die USA eigentlich als unsere Verbündeten im Kampf gegen Diktator Assad ansehen. Das zeigt, wie heikel die Moralfrage ist.

In Paris und London, politische Schaltzentralen zweier Atommächte, steht man auf dem Standpunkt, dass nur ein Land, das auch Waffen liefert, letztlich einen Einfluss auf die politische Entwicklung im Empfängerland hat. Innerhalb des Bündnisses ist die gemeinsame Entwicklung und Produktion von Waffensystemen außerdem nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine logistische Frage. Und dass die Deutschen der Meinung sind, bei ihnen spiele Moral eine größere Rolle als in der französischen oder britischen Politik, wird dort als überheblich und arrogant empfunden.

In Menschenrechtsfragen lassen sich beide Nationen nicht gerne Noten aus Berlin geben – schließlich haben sie beide gegen den schlimmsten Menschenrechtsverächter auf dem Kontinent erfolgreich Krieg geführt.

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