Waffen für Saudi-Arabien: Wie es im Streit um Rüstungsexporte jetzt weitergeht
Der Stopp von militärischen Lieferungen nach Saudi-Arabien läuft aus. Union und SPD können sich nicht einigen. Und Partner machen Druck.
Der Streit um Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien belastet die große Koalition schon seit Wochen, doch jetzt droht er ernsthaft aus dem Ruder zu laufen. Der Bundessicherheitsrat, das geheim tagende Exportkontrollgremium des Kabinetts, ging am Mittwoch ohne Einigung darüber auseinander, ob der Exportstopp ausläuft oder – wie es die SPD fordert – um ein weiteres halbes Jahr verlängert wird. Die Positionen seien „auf beiden Seiten verhärtet“, berichtete anschließend ein Koalitionspolitiker, der mit den Beratungen vertraut ist. Als Nächstes soll die politische Führung der Koalition den Streit lösen. Erste Kontakte gab es bereits. Ein Krisengipfel erscheint nicht ausgeschlossen. Denn viel Zeit bleibt nicht: Kommt kein Kompromiss zustande, läuft der Stopp am Sonntag sang- und klanglos aus.
Der Union wäre das ja durchaus recht. Sie hatte im Koalitionsvertrag der Forderung der SPD nachgeben müssen, Kriegswaffen nicht in Länder zu verkaufen, die unmittelbar am Krieg im Jemen beteiligt sind. Der komplette Exportstopp Richtung Riad war dann im vorigen November als Reaktion auf den Mord an dem Journalisten Gamal Kashoggi verhängt worden.
Er betrifft auch Güter, die jedenfalls nicht ohne Weiteres für den Kriegseinsatz taugen. Die Peene-Werft in Wolgast etwa schiebt seit Dezember Kurzarbeit. Von einem Auftrag für 35 Patrouillenboote für die saudische Küstenwache sind bisher erst 15 ausgeliefert, vier sind noch im Bau. Da der Stopp alle Exporte inklusive der bereits genehmigten betrifft, sitzt der Eigner, die Lürssen- Gruppe, vorerst auch auf den restlichen fertigen Booten.
Druck aus London und Paris
Dieser Stopp lief eigentlich vor drei Wochen ab. Weil die Koalitionspartner sich schon damals nicht einigen konnten, gaben sie sich eine neue Frist zum 31. März. Doch statt auf Annäherung hin zu arbeiten, steuerten sie auseinander. Um die Kashoggi-Affäre geht es dabei längst nicht mehr. Christ- wie Sozialdemokraten behandeln den Vorgang im Aufgalopp zum Europawahlkampf als Exempel: Wie hältst du’s mit Rüstungsexporten?
CDU und CSU, angeführt von ihren neuen Vorleuten Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder, fordern im Namen europäischer Zusammenarbeit faktisch eine Lockerung der deutschen Regeln. Europa brauche engere Militär- und also auch Rüstungszusammenarbeit, das erfordere europaweite Exportregeln – und die könnten nicht einfach deutschen Vorgaben folgen.
Tatsächlich machen Partner wie Großbritannien und Frankreich massiv Druck, sowohl prinzipiell als auch im konkreten Fall. Denn vom deutschen Stopp sind auch Gemeinschaftsprojekte betroffen, in denen manchmal nur ein paar Teile made in Germany verbaut sind.
Am Mittwoch nahm Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian in Berlin an der Sitzung des Bundeskabinetts teil. Der Freundschaftsbesuch war die Premiere im Rahmen des Aachener Vertrags. Ob Le Drian heikle Thema ansprach, will Regierungssprecher Steffen Seibert nicht sagen. Aber Frankreichs Botschafterin Anne-Marie Descôtes hatte ohnehin tags zuvor ganz undiplomatisch klargemacht, wie man in Paris über die deutsche Rüstungsexportpolitik denkt. Die Regeln seien nicht einfach bloß streng, sondern für die Partner schlicht „unberechenbar“ – ein Spielball der „aktuellen deutschen Innenpolitik“.
Da durfte sich Andrea Nahles angesprochen fühlen. Doch die SPD-Chefin hat kaum noch Spielraum für Entgegenkommen. Erst am Samstag hatten die Sozialdemokraten bei ihrem Europakonvent einstimmig beschlossen: keine Waffenlieferungen in Krisengebiete und Diktaturen.
Koalitionskompromiss schwer
Beide Ausschlusskriterien gelten nicht nur nach Ansicht des SPD-Linken Ralf Stegner uneingeschränkt für Saudi-Arabien. Auch Nahles selbst konkretisierte die Absage in ihrer Rede: „Solange im Jemen Woche für Woche Menschen sterben und Kinder hungern, solange Saudi-Arabien da Kriegspartei ist, solange dürfen keine Waffenlieferungen aus Deutschland dorthin gehen.“ Vor der SPD-Bundestagsfraktion hatte sie schon konkret verlangt, den Exportstopp um ein halbes Jahr zu verlängern.
Damit hat sich die Parteichefin den Weg zu einem Koalitionskompromiss sehr schwer gemacht, womöglich sogar verbaut. Zwar wurden Mischlösungen ventiliert, also etwa, nationale Exporte weiterhin zu verbieten, der Lieferung europäischer Gemeinschaftsproduktionen aber unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen. Theoretisch denkbar wäre eine Grenze dort, wo der deutsche Anteil an einem Gerät nicht höher ist als beispielsweise 30 Prozent. Doch all das gilt in der SPD als nicht vermittelbar.
Am Ende könnte Nahles nur ein Ausweg bleiben: Den Exportstopp unter lautem Protest auslaufen zu lassen, die Schuld der Union zuzuschieben und das Thema im Wahlkampf auszuspielen. Doch auch das wäre eine riskante Taktik. Denn sie wirft gleich wieder die Grundsatzfrage auf, warum Sozialdemokraten in einer Koalition bleiben, in der sie nicht einmal verhindern können, dass das Saudi-Regime aufgerüstet wird.
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