DGB vor Aktionen von „Ende Gelände“: „Der radikal angelegte Protest ist eine große Zumutung“
Am Wochenende wollen Klima-Aktivisten in der Lausitz demonstrieren. Der DGB-Landesvorsitzende Christian Hoßbach warnt vor einer Eskalation.
Christian Hoßbach (56) ist seit Januar 2018 Vorsitzender des DGB-Bezirks Berlin-Brandenburg.
Herr Hoßbach, für kommendes Wochenende mobilisieren die Klima-Aktivisten von „Ende Gelände“ zu Protesten in der Lausitz und im mitteldeutschen Braunkohlerevier um Leipzig. Welche Erwartungen haben Sie an diese Aktionen?
Ich erwarte von allen politisch Engagierten, dass sie Beiträge leisten für eine zukunftsorientierte und gelingende Klima-Politik. Und das gilt auch für „Ende Gelände“. Dazu gehören für mich Vorschläge für eine noch bessere CO2-Reduzierung. In jedem Fall aber auch Vorschläge für die Entwicklung der Regionen, in denen heute Bergbau betrieben wird.
Zweifeln Sie denn, dass „Ende Gelände“ an dieser Stelle konstruktiv ist?
Die Aktionen von „Ende Gelände“ lassen ganz bewusst den Kohlekompromiss links liegen. Das ist ein Fehler. An dieser Stelle sind wir vollkommen anderer Meinung. Das ist der Kern des Problems, warum „Ende Gelände“ kaum mit denjenigen zusammenkommt, die in der Lausitz politisch arbeiten, warum auch die Kontroverse mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der Region so zugespitzt ist. Der Kohlekompromiss ist vor knapp einem Jahr vereinbart worden. Es ist ein sehr anspruchsvoller, schwieriger und wirklicher Kompromiss, alle Seiten waren beteiligt, alle mussten aufeinander zugehen. Er muss jetzt von allen durchgesetzt werden. Der Protest von „Ende Gelände“ stellt sich außerhalb dieses Kompromisses. Deshalb sind wir da leider keine politischen Freunde.
In der Region fürchten manche am kommenden Wochenende bürgerkriegsähnliche Zustände. Begründet wird das mit den Aktionen von „Ende Gelände“ zu Pfingsten 2016 in der Lausitz, die völlig aus dem Ruder gelaufen seien. Wie erinnern Sie sich?
Ich war selbst nicht am Ort. Aber ich kenne viele Schilderungen von Kolleginnen und Kollegen, die im Bergbau beschäftigt sind, auch von Polizisten. Viele waren erschrocken, wie sie persönlich angegangen worden sind und mit welcher Radikalität zum Teil vorgegangen wurde. Das steckt den Beteiligten noch immer in den Knochen. Inzwischen hat sich der politische Rahmen deutlich verändert, das darf doch nicht ignoriert werden. Mit dem Kohlekompromiss, der den vollständigen Ausstieg bis 2038 vorsieht, und der Bildung einer schwarz-rot-grünen Koalition in Brandenburg sind politische Entscheidungen getroffen, die für die Lausitz heftige Veränderungen bringen. Der nun erneut recht radikal angelegte Protest von „Ende Gelände“ ist vor diesem Hintergrund eine große Zumutung.
Politiker, Betriebsräte, Unternehmensvertreter in der Lausitz verbitten sich Belehrungen von außen. Der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende der Leag beispielsweise sprach mit Blick auf das erste Adventswochenende und die Aktionen von „Ende Gelände“ von einem „geplanten Überfall potenzieller Straftäter“. Würden Sie das auch so formulieren?
Es gilt das Demonstrationsrecht. Die Klima-Politik ist eine globale Frage und ein überragendes Thema. Es ist vollkommen richtig – und das unterstützen wir als Gewerkschaften auch -, dass sich Menschen hier engagieren, junge Leute beispielsweise bei „Fridays for Future“. Es ist völlig in Ordnung, dass der Politik hier Druck gemacht wird, und wir haben viele Gemeinsamkeiten. Alle wissen, dass die Braunkohleverstromung eine der größten CO2-Quellen in Deutschland ist, der Kohle-Kompromiss ist doch nicht vom Himmel gefallen. Politische Demonstrationen müssen hingenommen werden, und auch, dass die Lausitz ein Ort des Geschehens ist. Auf der anderen Seite erwarten wir von den Veranstaltern solcher Proteste, dass sie tatsächlich für einen friedlichen Verlauf sorgen, dass sie sich an demokratische Regeln halten. Aber genau das scheint „Ende Gelände“ nicht zu machen: Die Initiative kündigt an, Regeln verschiedenster Art zu brechen. Das halte ich für politisch unklug. Es ist riskant, was den sozialen und gesellschaftlichen Frieden angeht. Wir appellieren an die Veranstalter, soweit abzurüsten wie auch nur irgendwie möglich.
Und die Kritiker von „Ende Gelände“ müssen nicht abrüsten? Die SPD im Cottbuser Stadtparlament, spricht beispielsweise von „gewalttätigen“ und „zerstörerischen“ Aktionen von „Ende Gelände“, wirft dem Bündnis in einer Erklärung vor, es sei an Dialog nicht interessiert.
Verbale Zuspitzungen dieser Art helfen nicht weiter. Wer Politik für Lausitz macht, muss sich auch mit den Akteuren von „Ende Gelände“ auseinandersetzen, ihnen ein Gesprächsangebot unterbreiten. Es gibt ja eine potenzielle Gemeinsamkeit, die dabei herausgearbeitet werden kann: nämlich von der Bundesregierung zu verlangen, dass sie die Vereinbarungen des klimapolitisch extrem ehrgeizigen Kohle-Kompromisses auch wirklich umsetzt, eins zu eins, vollständig. Wenn es hier endlich Rechtsklarheit und Finanzklarheit gibt, würde es vermutlich auch weniger Aufregung um die Aktionen von „Ende Gelände“ gegeben. In der Region gibt es aber die Befürchtung, dass die Bundesregierung nicht zu ihrem Wort steht. Deshalb gibt es auch diese Nervosität.
Die AfD macht sich zu einem der Wortführer der Braunkohle-Befürworter. Die SPD im Cottbuser Stadtparlament hat sich nun bemüht, mit einer Erklärung alle Fraktionen ins Boot zu holen, also auch die Stadtverordneten der rechtsradikalen Partei…
… was ein politischer Fehler war.
Wie sollte die Politik damit umgehen, dass die AfD versucht, sich zum Lobbyisten pro Braunkohle zu machen?
Die große Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft der Region nach 2038 hat leider auch dazu geführt, dass die Lausitz zu einer Hochburg der AfD geworden ist. Umso mehr ist es die Verantwortung von allen demokratischen Parteien, gemeinsam für gute Zukunftsperspektiven zu arbeiten. Klare Kante gegen die AfD ist dabei extrem wichtig. Egal um welches Thema es geht, die AfD wird immer versuchen, es mit zwei, drei Sätzen auf fremdenfeindliche und ausgrenzende Politik zu lenken. Die Lausitz braucht jedoch keine rechtsradikalen Parolen, es darf keine Kompromisse mit Rechtsextremen geben. Was benötigt wird: gute Ideen, wie dort auch morgen anständige Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden können.
Matthias Meisner