DGB contra AfD: „Nicht die Partei des kleinen Mannes“
Die AfD wirbt verstärkt um Arbeitnehmer. Der DGB sieht das Problem, gelöst hat er es bisher nicht.
Das könnte der AfD gefallen: Ende August startete bei Opel in Eisenach die Produktion des Stadtgeländewagens „Grandland X“ Die bisher auf Kleinwagen spezialisierte Autofabrik wird dafür völlig umgekrempelt. Gewerkschafter und Betriebsräte haben Vorbehalte haben gegen die neue Fixierung auf die SUV-Produktion. Sie fürchten, dass die rechtsradikale Partei den Streit für sich ausnutzen will. Nach dem Motto: Wichtig sei der Erhalt von Arbeitsplätzen, Umweltfragen seien bestenfalls zweitrangig.
Bei den Strategen in der Zentrale des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Berlin ist das seit Wochen ein großes Thema: Wie erlaubt es die AfD, sich vor allem in Ostdeutschland als „Partei des kleinen Mannes“ zu generieren, obwohl es, wie es beim DGB heißt, der rechtsradikalen Partei an abgestimmten Konzepten für die Gestaltung der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik fehlt?
In einer neuen Schrift unter der Überschrift „Eine ,Arbeiterpartei für Deutsche'?“ nimmt der DGB jetzt den Sozialpopulismus der AfD unter die Lupe - und rechnet mit der Partei ab. Der DGB wirft der Partei vor, die Einheitsgewerkschaft spalten zu wollen und analysiert, dass zwischen der sozialpolitischen Rhetorik der Partei und der Wirklichkeit eine große Lücke klaffe. In Zukunftsfragen wie der Rente oder dem Mindestlohn biete die AfD „ein ganzes Sammelsurium sich widersprechender Konzepte“ an, heißt es in dem Papier.
Die Spaltung der AfD in der sozialen Frage sieht laut DGB so aus: Auf der einen Seite gebe es in der Partei marktradikale Fundamentalisten. Auf der anderen Seite diene sich der völkisch-nationalistische Flügel bei denen an, die sich von Globalisierung und zunehmender internationaler Konkurrenz bedroht sehen. Diesen werde dann der „Schutz der Volksgemeinschaft“ versprochen. Die sozialpolitischen Themen der AfD dienten zur „Frontstellung gegen Einwanderinnen und Einwanderer“ so die Einschätzung des Gewerkschafts-Dachverbandes.
„Außer einer Mogelpackung nichts zu bieten“
DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte in Berlin: „Für die Arbeitnehmer hat die AfD außer einer Mogelpackung nichts zu bieten. Die AfD ist eine zutiefst neoliberale und gleichzeitig völkische Partei, die unsere sozialstaatlichen Errungenschaften am liebsten abschaffen will. Die Arbeitnehmer dürfen der Partei ihren sozialen Anstrich auf keinen Fall abkaufen.“
Dass sich die AfD als Interessenvertretung von Arbeitern zu inszenieren versucht, sieht der DGB mit Sorge. Nach den Politikfeldern Migration und Außenpolitik ist die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik das wichtigste Themenfeld der Partei, wie sich beispielsweise an der gestellten Zahl von Kleinen Anfragen zu diesem Komplex zeigt: Von November 2017 bis Juni 2018 waren es 34, im ersten Halbjahr 2019 stieg die Zahl auf 57. Und im zweiten Halbjahr wurden nach einer Statistik der Gewerkschaft von der AfD bereits weitere 29 Anfragen zu sozialpolitischen Themen gestellt. Oft geschieht das mit fremdenfeindlichem Unterton, wenn beispielsweise nach der Gewährung von Sozialleistungen an ausländische Staatsangehörige gefragt wird.
Gewerkschafts-Männer wählen überproportional die AfD
Partiell hat diese AfD-Strategie offenbar durchaus Erfolg, wie sich laut DGB-Analyse auch an den Ergebnissen der Landtagswahlen Sachsen und Brandenburg zeigt. Der Anteil der Arbeiter unter den AfD-Wählern lag in beiden Bundesländern bei mehr als einem Drittel. Gewerkschafter wählten etwa ebenso häufig die AfD wie die Wähler im Gesamtdurchschnitt. Und besonders gut verfängt die Ansprache der rechtsradikalen Partei bei Gewerkschafts-Männern. In Sachsen stimmten sie zu 34,1 Prozent für die AfD, von den Gewerkschafterinnen waren es nur 18 Prozent. Nicht ganz so deutlich ist die Differenz in Brandenburg: 26,9 Prozent der Gewerkschaftsmänner stimmten dort für die AfD, und nur 16,8 Prozent der Gewerkschaftsfrauen. Landesweit war die AfD in Sachsen auf 27,5 Prozent gekommen, in Brandenburg auf 23,5 Prozent.
Der DGB beobachtet auch, dass die AfD die Strukturumbrüche in vielen Regionen und Branchen gezielt für sich nutzt - nicht nur in der Automobilindustrie, sondern zum Beispiel auch in den Kohleregionen. „Auf viele für die deutsche Wirtschaft wichtige Branchen – beispielsweise Energie und Verkehr – kommt ein riesiger Wandel zu“, sagt die DGB-Funktionärin Buntenbach: „Die Ängste vor Strukturbrüchen, Jobverlust und sozialem Abstieg versuchen die Rechtspopulisten in den Betrieben und der Arbeitnehmerschaft für sich zu nutzen.“ Gezielt angesprochen werden auch Beschäftigte in Uniform, beispielsweise Polizisten oder Soldaten. Betriebsräte und Gewerkschafter berichten, dass die AfD „ganz bewusst“ versuche, diese Zielgruppen für sich zu erschließen.
Auf das Wahlverhalten hat sich das zuletzt offenbar ausgewirkt, wie der DGB analysierte. In der Oberlausitz rund um Bautzen und Görlitz, einer von einem Aus bei der Kohleverstromung betroffenen Region, wurde besonders häufig rechts gewählt, die Debatte um einen wirksamen Klimaschutz nutzte der Partei. „Eine AfD, die den durch Menschen verursachten Klimawandel bestreitet, hat sich hier als vermeintlicher Retter von Arbeitsplätzen angeboten.“
Ähnlich sah es in Brandenburg in den Regionen im Süden des Bundeslandes aus, die mit dem Kohleausstieg zu kämpfen haben. In Heinersbrück, das von der Schließung des Kraftwerks Jänschwalde betroffen ist, kam die AfD auf 50,5 Prozent. In anderen als „abgehängt“ geltenden Regionen wie der Uckermark habe die Partei nicht so gut abgeschnitten.
Die AfD habe, so der DGB, die Zukunftsängste in der Lausitz für ihren Wahlkampf genutzt. „Die Ankündigung von Milliarden, die den Niedergang aufhalten sollen, hat hier nicht verfangen.“
Matthias Meisner