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Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta muss den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag nicht mehr fürchten. Der Prozessauftakt gegen ihn ist auf unbestimmte Zeit verschoben.
© Reuters

Internationaler Strafgerichtshof: Der Internationale Strafgerichtshof kapituliert vor Kenias Präsidenten

Der Prozess gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta steht vor dem Zusammenbruch. Der Prozess gegen ihn wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist zu Ende, bevor er eröffnet wurde.

Der Prozess gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag steht vor dem Zusammenbruch. Am Freitag hat die Chefanklägerin des IStGH, Fatou Bensouda, zum wiederholten Mal eine Vertagung des Prozesses beantragt. Der Prozess gegen den Präsidenten hätte am 7. Oktober beginnen sollen. Schon im April hatte Bensouda eine Vertagung des Prozessauftakts beantragen müssen, weil die kenianische Regierung ihrer Pflicht, Beweismaterial vorzulegen, nicht oder unzureichend nachgekommen war. Das bemängelt Bensouda auch diesmal.

"Unter normalen Umständen wäre die Anklage gezwungen, das Verfahren einzustellen", schrieb Bensouda in ihrem Verschiebungsantrag. Sie verwies auf mehrere Entscheidungen des IStGH, mit denen die kenianische Regierung zur Kooperation und zur Herausgabe von schriftlichen Unterlagen verpflichtet worden war. Innerhalb von fünf Monaten habe die Regierung gerade mal 73 Seiten geliefert, bemängelt Bensouda. Einige Schriftstücke hätten keinen Bezug zu den gestellten Fragen, und selbst wenn es einen Zusammenhang gebe, seien die Dokumente unvollständig. Unter diesen Umständen sei es "unangemessen, das Verfahren einzustellen", schreibt die Chefanklägerin. Zunächst müsse die Regierung in Nairobi mit dem Gericht umfassend kooperieren. Als Regierungschef sei der Angeklagte, Uhuru Kenyatta, laut Verfassung direkt für diese mangelhafte Kooperation verantwortlich, kritisiert Bensouda.

Die Anklage

Die Anklage wirft Kenyatta vor, für die blutige Gewaltwelle nach der Präsidentenwahl 2007 mitverantwortlich zu sein. Damals wurden mehr als 1000 Menschen getötet, und Hunderttausende wurden aus ihren Häusern vertrieben. Kenyattas Vizepräsident William Ruto, der seit mehr als einem Jahr in Den Haag wegen gleich gelagerter Vorwürfe vor Gericht steht, stand nach der Wahl Ende 2007 auf der Seite der damaligen Opposition.

Der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof Fatou Bensouda sind im Verlauf ihrer Ermittlungen immer mehr Zeugen gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta abhanden gekommen. Ihre Beweise reichen für eine Prozesseröffnung nicht aus.
Der Chefanklägerin des Internationalen Strafgerichtshof Fatou Bensouda sind im Verlauf ihrer Ermittlungen immer mehr Zeugen gegen den kenianischen Präsidenten Uhuru Kenyatta abhanden gekommen. Ihre Beweise reichen für eine Prozesseröffnung nicht aus.
© picture-alliance/dpa

Vor der Wahl 2007 war Ruto mit Oppositionsführer Raila Odinga verbündet. Nachdem Odinga dem damaligen Präsidenten Mwai Kibaki, einem Verbündeten Kenyattas Wahlbetrug vorwarf, brach die Gewalt entlang ethnischer Linien zunächst im Rift Valley aus. Angehörige der Kalenjin, Rutos Ethnie, vertrieben und massakrierten ihre Nachbarn von der Kikuyu-Ethnie, der Kenyatta und Kibaki angehören. Kenyatta soll zu einer Gruppe von Geschäftsleuten gehört haben, die damals die notorische Kikuyu-Sekte Mungiki finanziert und gegen die Opposition in Bewegung gesetzt haben sollen. Die Mungiki sollen für Revanche-Attentate und weitere Massaker verantwortlich sein. Kein einziges Verbrechen nach der Wahl 2007 wurde von einem kenianischen Gericht verhandelt. Der Bericht der Wahrheitskommission, die gegründet worden war, um einen Versöhnungsprozess in Gang zu bringen, wurde mehr oder weniger ungelesen zu den Akten gelegt. Diese in Kenia schon chronische Straflosigkeit für politische Verbrechen hatte in den Jahren danach den Slogan "Seid nicht vage. Geht nach Den Haag" geprägt. Die Zustimmungsraten zu dem Verfahren in der Bevölkerung waren zunächst hoch.

Die Verteidigung

Nachdem Ruto und Kenyatta als Angeklagte vor dem IStGH feststanden - zunächst waren es sechs Angeklagte - taten sich die beiden 2007 noch verfeindeten Politiker zusammen, um die Wahl 2013 zu gewinnen. "UhuRuto", wie das Gespann im Wahlkampf genannt wurde, inszenierte die Kampagne als Kampf gegen den westlichen Imperialismus, der den IStGH als Mittel gegen missliebige afrikanische Spitzenpolitiker nutze. Nachdem der damalige amerikanische Afrikabeauftragte Johnny Carson die Wähler in Kenia davor gewarnt hatte, zwei Angeklagte vor dem Strafgerichtshof an die Staatsspitze zu wählen, war Kenyatta und Ruto der Wahlsieg nicht mehr zu nehmen.

Seit Kenyatta und Ruto regieren, haben sie viel Zeit darauf verwendet, bei afrikanischen Staats- und Regierungschefs Unterstützung dafür zu gewinnen, den IStGH unter Druck zu setzen, die Anklagen fallen zu lassen. Tatsächlich hat ein Gipfel der Afrikanischen Union vor etwa einem Jahr verlangt, Prozesse gegen amtierende Präsidenten in Zukunft so lange ruhen zu lassen, bis die betreffenden Angeklagten aus ihren Ämtern geschieden sind.

Die Prozesse

Trotz aller Lobbybemühungen ist der Prozess gegen William Ruto am 10. September 2013 eröffnet worden. Mit ihm steht der Radiojournalist Joshua Sang vor Gericht, dem vorgeworfen wird, die Gewalttätigkeiten mit seinen Hassreden mit angefacht zu haben. Zunächst musste Ruto jede Woche für fünf Tage in Den Haag antreten. Seit dem Westgate-Attentat, als die somalische Islamistenmiliz Al Schabaab ein beliebtes Einkaufszentrum angegriffen und rund 70 Menschen getötet hat, hat das Gericht Ruto immer öfter erlaubt, dem Prozess über eine Video-Leitung von Nairobi aus zu folgen. In der vergangenen Woche war Ruto allerdings wieder einmal in Den Haag. Dort bekannte ein Zeuge, er habe gegen Ruto ausgesagt, weil ihm viel Geld und eine gute Ausbildung für die Kinder im Ausland versprochen worden sei. Er zog seine Aussage zurück. Und damit ist er nicht der einzige.

Im Fall Kenyatta ist der Anklagebehörde kaum noch ein Zeuge geblieben. Viele wurden massiv unter Druck gesetzt und haben ihre Aussagen zurückgezogen oder weigern sich vor Gericht auszusagen. Andere starben unter ungeklärten Umständen oder sind untergetaucht. Gegen einen Kenytta-freundlichen Journalisten, Walter Barasa, wurde vor einem Jahr wegen massiver Zeugenbeeinflussung ein Haftbefehl erlassen.

Für die Opfer der Gewalt 2007 und 2008 ist die fortgesetzte Straflosigkeit eine schwere Enttäuschung. Aber vor dem IStGH werden sie keine Genugtuung erfahren, soviel ist inzwischen sicher.

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