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Die Kontrahenten wurden voneinander getrennt interviewt: Premier und Tory-Chef David Cameron von Kay Burley.
© AFP

Wahlkampf in Großbritannien gestartet: Der Geschmeidige und der Harte

Der britische Wahlkampf hat begonnen: Premier Cameron und sein Herausforderer Miliband stellten sich TV-Debatten. Gewählt wird am 7. Mai - der Ausgang scheint völlig offen.

Das Vorgeplänkel hat gedauert. Jetzt hat der seit langer Zeit spannendste Wahlkampf der jüngeren Geschichte in Großbritannien richtig begonnen – mit voneinander getrennten TV-Debatten der beiden Spitzenkandidaten. Beide Parteien liegen seit Monaten mehr oder weniger Kopf an Kopf. Der Ausgang der Wahl ist unvorhersehbar.

Die Kontrahenten wurden hart angefasst

"Wissen Sie, wie viele Essensausgaben es im Land gibt?" fragte der für seine Schärfe bekannte Interviewer Jeremy Paxman in Sky News, und Premier David Cameron sah plötzlich wie ein schlechter Schüler aus. Sein Herausforderer, Labourchef Ed Miliband, wurde so hart angefasst, dass Interviewer nach Ende der Sendung bei noch offenem Mikrofon versöhnlich über den Tisch rief: "Bist du ok, Ed?"

Labour-Chef Ed Miliband (links) wurde von von Jeremy Paxman befragt.
Labour-Chef Ed Miliband (links) wurde von von Jeremy Paxman befragt.
© AFP

Ed war ok. Weil er sich nicht unterkriegen ließ und Humor und Emotionalität zeigte, konnte Miliband in Blitzumfragen 56 Prozent der unentschiedenen Wähler überzeugen. Insgesamt wurde der Zweikampf allerdings einer "Guardian"/ICM-Umfrage zufolge von Cameron mit 54 zu 46 Prozent entschieden. "Er ist geschmeidiger", fand das Publikum einer BBC-Diskussion. "Ob ich hart sein kann?" fragte Miliband, als Paxman ihn als unerfahrenen Schwächling karikierte, der allein im Raum mit Waldimir Putin am Boden zerfetzt würde. "Zur Hölle, ja, ich bin hart. Niemand dachte, dass ich Labourchef werden kann und ich bin es. Niemand denkt, dass ich Premier sein kann, und ich werde es."

Wichtigstes Wahlkampfthema ist das Tempo der Sparpolitik

Am Montag wird das Unterhaus aufgelöst. Gewählt wird am 7. Mai. Wichtigstes Wahlkampfthema ist das Tempo der Sparpolitik. Die Tories wollen weitere 33 Milliarden Pfund (fast 45 Milliarden Euro) einsparen, Labour nur 25 Milliarden, plant dafür aber mehr Steuererhöhungen. Beide Seiten machen nur ungenaue Angaben, wo sie sparen wollen. Labour will die Stagnation der Lebenshaltungskosten für Niedrigverdiener, die Finanzlage des Gesundheitsdienstes NHS und die ungleiche Wohlstandsverteilung in den Mittelpunkt stellen.

Die Tories setzen auf ihre Wirtschaftskompetenz. Als Camerons Regierung vor fünf Jahren das Sparprogramm einleitete und Massenentlassungen im öffentlichen Dienst begannen, sagte Labour wirtschaftliches Chaos und Massenarbeitslosigkeit voraus. In Wahrheit wurden für jede im öffentlichen Dienst gestrichene Stelle fünf neue Arbeitsplätze geschaffen, mit flexiblen Arbeitsmarktregelungen und Steuererleichterungen für Arbeitgeber. Sozialhilfe wird gezielt vom Arbeitsmarkt weg auf Alte, Kranke und Behinderte gelenkt. Attacken auf Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich wehrt Cameron ab: "Nur eine starke Wirtschaft kann den Gesundheitsdienst sichern."

Bei den Konservativen wächst die Unruhe

Aber bei den Konservativen, die am Wochenende ihren Wahlparteitag haben, wächst die Unruhe über die von dem australischen Wahlkampfstrategen Lynton Crosby verordnete Konzentration auf das Thema Wirtschaft. Auch Themen wie Immigration oder Europa wollen die Tories ausklammern, weil sie der Anti-Establishment Partei Ukip in die Hände spielen. Die Tory-Wahlkämpfer sind angehalten, die Floskel vom "langfristigen Wirtschaftsplan" zu wiederholen, der, im Gegensatz zu "Labours Wirtschaftschaos", nachhaltigen Wohlstand schaffen werde.

David Cameron ging der direkten Konfrontation aus dem Weg

Dagegen argumentiert eine Tory-Gruppe, die sich "die gute Rechte" nennt. "Wir können Argumente und Wahlen nur gewinnen, wenn wir die Menschen an unseren Kampf für soziale Gebürtigkeit erinnern und zeigen, dass wir an Chancengleichheit glauben und Vorkämpfer für die Besitzlosen sind", argumentierte Kabinettsminister Michael Gove. Cameron ging der direkten Konfrontation aus dem Weg, weil er als Amtsverteidiger nur verlieren, Miliband aber nur gewinnen kann. Milibands persönliche Umfragewerte sind so schlecht, dass es nur aufwärts gehen kann. Deshalb wird Miliband der Auftritt am meisten genutzt haben. "Der Prozess der Neubewertung hat begonnen", sagte der Labour-Stratege Douglas Alexander.

Die Antieuropa-Partei Ukip rechnet sich gute Chancen aus

Sogar Ukip-Chef Nigel Farage, der als Beobachter ins Studio gekommen war, lobte Miliband. „Er hat gezeigt, dass er den Sturm aushalten kann.“ Ganz uneigennützig war das Lob nicht. Farages Antieuropa-Partei Ukip will vor allem von der Schwäche von Camerons Tories profitieren.

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