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Ukip-Chef Nigel Farage
© AFP

Europawahl und Ukip: Rechtsruck in Großbritannien

Der Sieg der rechtspopulistischen Ukip von Nigel Farage in Großbritannien schockiert die Briten. Ein Problem ist das Wahlergebnis aber vor allem für den Oppositionsführer und Labour-Chef Ed Miliband.

Für die Briten war die Überraschung der britischen Europawahlen nicht der klare Sieg der „UK Independence Party“ (Ukip). Überraschend war, dass dieser Sieg weniger auf Kosten der Konservativen von Premier David Cameron als zulasten der Liberaldemokraten und von Labour ging. Die Tories verloren zwar Stimmen und Sitze, blieben aber nach Stimmenanteilen nur 1,5 Prozent hinter Labour. Labour kam auf Platz zwei, ist aber die erste Oppositionspartei überhaupt, die eine Europawahl, Tummelplatz des politischen Protests mit niedriger Wahlbeteiligung (34 Prozent), verloren hat. Camerons Chancen, die Wahl 2015 zu gewinnen, werden nun eher besser als schlechter eingeschätzt.

„Wir haben das erstaunlichste Wahlergebnis geliefert, das man seit 100 Jahren in Großbritannien sah“, rief Ukip-Chef Nigel Farage bei der Auszählung in Southampton. Es war die erste nationale Wahl seit 1910, die nicht von Labour oder Tory gewonnen wurde. Ukip erhielt nach vorläufigem Stand 28 Prozent, Labour 25,4 und die Tories 24 Prozent. Eindeutiger Verlierer waren die Liberaldemokraten, die mit knapp 7 Prozent hinter den Grünen blieben und nur eines ihrer zehn Europamandate hielten. Forderungen nach dem Rücktritt von Parteichef Nick Clegg wurden laut.

Clegg, vor vier Jahren „Anti-Establishment“-Kandidat, war der einzige britische Politiker, der im Wahlkampf mutig über die Anti-EU-Parolen von Ukip-Chef Farage im Fernsehen debattierte. Gut bekam ihm das nicht. Clegg verkörperte in der Debatte den abgehobenen Technokraten, der über die Köpfe des Landes hinweg regiert und sich hinter Klischees und Ausflüchten verschanzt.

Anders als in den Euro-Zonen-Ländern spielten Sparpolitik und Wirtschaftsschwäche keine Rolle im britischen Wahlkampf. Stattdessen konnte Ukip dem Wahlkampf sein Hauptthema aufzwingen: Immigration. Versuche, Ukip als rechtsextreme, hinterwäldlerische Fremdenhasser hinzustellen, dürften der Partei in die Hände gespielt haben. Briten bleiben eine extrem tolerante Nation und wissen gut zwischen Ressentiments gegen Immigranten und Kritik an einer Immigrationspolitik zu unterscheiden, die ihnen Jahr für Jahr steigende EU-Einwanderungszahlen aufzwingt und die vorhandene Infrastruktur überfordert. Wirklich wütend sind sie, dass die EU ihrer Regierung im Namen der Freizügigkeit die politischen Instrumente verweigert, damit verantwortlich umzugehen.

Nun steht vor allem Labour-Chef Ed Miliband unter Druck. Regierungschef Cameron indes dürfte die wenigsten Probleme haben, seine Partei bei der Stange zu halten. Stimmen, die ein schnelles EU-Referendum forderten, sind verstummt. In Brüssel kann Cameron die Wahlergebnisse in Europa als Argument für seine EU-Reformbemühungen nutzen, die auf mehr Mitsprache nationaler Parlamente und Rückgabe von Kompetenzen drängen. Zunächst wird Cameron versuchen, die Nominierung des Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker zu blockieren. Ein Kommissionspräsident Juncker würde den Briten signalisieren, dass die EU auf den Sturm der Kritik statt mit Reformen mit rascherer Fortsetzung der Integrationspolitik durch eine „große EU-Koalition“ reagiert, die britische Reformwünsche ignoriert.

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