Hannover als Signal für den Bund: Der Fall Belit Onay wird zum bundesweiten SPD-Schreck
Der Grünen-Sieg in Hannover zeigt: Das neue Wahl-Kampfgebiet ist die Stadt - sehr zum Nachteil der alten Volksparteien.
Dass seine Eltern aus der Türkei kamen, sagt Belit Onay, habe im Wahlkampf „erfrischend wenig Bedeutung“ gehabt. Dafür sichert die Herkunft dem 38-Jährigen nach seinem Sieg in Hannover am Sonntag umso größere Aufmerksamkeit. Onay wird als erstes Gastarbeiterkind Oberbürgermeister einer deutsche Großstadt. Das überstrahlte fast die andere Botschaft des Wahlabends an der Leine: Der Grüne Onay setzt ein starkes Signal für seine Partei auf ihrem Weg, zusehends die Städte zu dominieren.
Die Öko-Partei hat schon traditionell Hochburgen in Universitätsstädten, bisher allerdings vor allem im Südwesten. In Freiburg regierte Dieter Salomon von 2002 bis 2018, in Tübingen ist Boris Palmer seit 2007 Oberbürgermeister. Fritz Kuhn eroberte 2012 als erster Grüner in Stuttgart das Rathaus einer Landeshauptstadt. In Hessen regiert Jochen Partsch Darmstadt. Der vorerst letzte grüne OB-Neuzugang war ein Exot im Osten: Der gebürtige Münchner Stefan Fassbinder setzte sich 2015 in Greifswald durch.
Onays Wahl ist insofern ebenfalls ein Ausreißer, als die SPD ihre 70-jährige Vorherrschaft durch eigenes Verschulden verlor – gegen seinen SPD-Vorgänger läuft ein Untreue-Verfahren. Doch der Erfolg des grünen Landtagsabgeordneten passt zu einem Trend, der sich bei der Europawahl ebenso wie in den vergangenen Landtagswahlen, im Westen wie im Osten gleichermaßen zeigte: Die einstige Zurück-aufs-Land-Partei entwickelt sich zur Partei der Stadt. Wo es nur wenige Großstädte mit Studenten- und Gutverdiener-Publikum gibt wie in Thüringen, bleiben die Grünen denn auch schwach.
Für die alten Volksparteien wird die neue Konkurrenz zunehmend zum Problem. CDU und CSU sind in den Städten traditionell schwach. „Große Städte“- Kommissionen produzierten jahrelang ratlose Papiere, die CSU versuchte es im Landtagswahlkampf mit einem Spezialprogramm für München – vergebens. Erfolgreich waren CDU-Wahlkämpfer damit, dass sie sich regelrecht aufs Land zurückzogen. Armin Laschet ließ in NRW sein Bundes-Zugpferd, Kanzlerin Angela Merkel, in den abgelegensten Regionen auftreten und mied die SPD-dominierten Städte des Ruhrgebiets. Aber die Landflucht hält an und setzt solchen Ausweichstrategien Grenzen.
Die SPD bedroht die Konkurrenz noch direkter
Die Sozialdemokraten bedroht die neue Konkurrenz noch direkter: Ein zentraler Teil ihrer Wählerschaft lebt in städtischen Regionen. SPD-Stadtoberhäupter gelten als das heimliche Rückgrat der Partei; in Diaspora-Regionen wie Bayern sind sie der einzige Trost. Umso tragischer wirkt ein Verlust wie in Hannover. Stadtoberhäupter prägen sehr direkt das Leben der Bürger vom Verkehrskonzept bis zur Kita. Einmal erfolgreich auch in den Verwaltungen verankert, sind die Newcomer schwer wieder zu verdrängen.
Und bei den Grünen spricht es sich herum, dass in Rathäusern Karriere zu machen ist. Katja Dörner, Vize in der Bundestagsfraktion, wurde in Berlin schon für höhere Posten wie Fraktions- oder Parteivorsitz gehandelt. Doch die 43-Jährige entschied sich vor Kurzem fürs Risiko. Sie kandidiert zur OB-Wahl 2020 in Bonn. Der Bundestag treffe gewiss wichtige Entscheidungen, „aber in in Bonn entscheidet sich, was wir daraus machen“, erklärte sie damals den Wechsel. Ihre Chancen stehen nicht schlecht. Bei der Europawahl wurden die Grünen in ihrer Heimatstadt stärkste Kraft.
Auch in Hamburg und München treten Grünen-Frauen im nächsten Jahr als Herausforderinnen der SPD-Rathauschefs an. In der Hansestadt will es Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank wissen. In der Bayern-Metropole macht sich die 41-jährige Quereinsteigerin Katrin Habenschaden berechtigte Hoffnungen.
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