Zitterpartie für die Grünen in Thüringen: Der erste Dämpfer für Baerbock und Habeck
Das Ergebnis in Thüringen sei „enttäuschend“, sagt Grünen-Chefin Baerbock. In Hannover feiern ihre Parteifreunde am selben Abend eine kleine Sensation.
Als in der Parteizentrale der Grünen die ersten Prognosen zur Thüringen-Wahl gezeigt werden, geht ein Seufzen durch den Raum. Auf magere 5,5 Prozent geht der Balken hoch, wahrlich kein Grund zum Jubeln. Dabei ist die Wahlparty an diesem Abend so gut besucht wie sonst selten bei Landtagswahlen, was allerdings in erster Linie daran liegt, dass es hier am Nachmittag ein Treffen mit Neumitgliedern gab.
Grünen-Chefin Annalena Baerbock versucht gar nicht erst, die Niederlage schön zu reden. Für ihre Partei sei das Wahlergebnis "enttäuschend", sagt sie. Es sei den Grünen in Thüringen nicht gelungen, in die "Breite der Gesellschaft" vorzudringen.
Lange hatte die Parteiführung gehofft, in Ostdeutschland nicht mehr in die "Angstzone" geraten zu müssen, also in den Bereich rund um die Fünf-Prozent-Hürde, in dem der Wahlabend zur Zitterpartie wird. Noch im September hatten die Grünen in Brandenburg und Sachsen Rekordergebnisse erreicht, in Brandenburg wurden sie zweistellig und in Sachsen erzielten sie drei Direktmandate. Doch in Thüringen sieht die Lage anders aus.
Grünen-Chefin Baerbock führt das auch darauf zurück, dass die Stimmung im Wahlkampf "härter und polarisierter" gewesen sei als in Sachsen, Gegenwind habe es gerade beim Thema erneuerbare Energien gegeben. Die grüne Umweltministerin Anja Siegesmund hat das in den letzten Jahren zu spüren bekommen. Bei Veranstaltungen tauchten immer wieder Windkraftgegner auf, die sich lautstark gegen den weiteren Ausbau dieser Technologie wehren.
Hinzu kommt, dass die Thüringer Grünen - anders als ihre Parteifreunde in Brandenburg - nicht von einem Speckgürtel wie dem rund um Berlin profitieren. Und auch die größeren Städte sind hier deutlich kleiner als in Brandenburg (Potsdam) und Sachsen (Dresden, Leipzig): Zwar schneiden die Grünen in Jena, Weimar und der Landeshauptstadt Erfurt bei dieser Landtagswahl besser ab als auf dem Land, aber insgesamt können diese Stimmen das Gesamtergebnis nicht rausreißen.
Es ist der erste Dämpfer, den die beiden Parteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck seit ihrem Amtsantritt hinnehmen müssen. In den vergangenen anderthalb Jahren war es mit den Grünen stetig bergauf gegangen. Bundesweite Umfragewerte von über 20 Prozent, Rekordergebnisse bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen, bei der Europawahl - und sogar bei den nicht ganz einfachen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen.
Gerade im Osten hatten die Grünen gehofft, dass sie dazu beitragen können, die gesellschaftliche Stimmung zu verändern. Sie sei "erschüttert" über das Ergebnis der AfD bei der Thüringen-Wahl, sagt Baerbock nun. Obwohl die Partei mit einem "Faschisten" an der Spitze angetreten sei, habe sie ein solches Ergebnis erzielt. Baerbock kontert mit einem "Jetzt erst Recht!" Die Grünen würden, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, weiter "für Demokratie und Menschenrechte" kämpfen, kündigt sie an.
Die neuen Grünen-Mitglieder, die am Wahlabend lange genug in der Bundesgeschäftsstelle der Grünen ausharren, bekommen dann doch noch einen Grund zum Feiern. Gut 200 Kilometer von Erfurt entfernt, freuen sich die Grünen in Hannover über eine kleine Sensation.
Erstmals seit 70 Jahren wird die SPD dort nicht den Oberbürgermeister stellen: Der Grünen-Kandidat Belit Onay landet in der ersten Runde mit 32,2 Prozent der Stimmen und einem hauchdünnen Vorsprung von 49 Stimmen vor seinem CDU-Konkurrenten, gegen den er in die Stichwahl gehen wird. "Yeah, Hammer", kommentiert der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven Christian Kindler euphorisch auf Twitter. In die "Breite der Gesellschaft" vordringen - anders als in Thüringen hat das an diesem Wahlabend in Hannover für die Grünen geklappt.