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SPD-Kandidat Marc Hansmann (links) verlor gegen Eckhard Scholz (Mitte) von der CDU und Belit Onay von den Grünen (rechts).
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Oberbürgermeisterwahl in Hannover: Die SPD verliert auch in ihrer Hochburg

Der SPD-Kandidat wird bei der Oberbürgermeisterwahl in Hannover nur Dritter. Erstmals seit 1945 werden die Sozialdemokraten nicht das Stadtoberhaupt stellen.

Erholt hat sich die SPD Hannover ihre historische Niederlage vom Sonntag auch am nächsten Tag überhaupt noch nicht. Die Protagonisten sind abgetaucht; das sozialdemokratische Leben steht erst einmal still in der Stadt, die so viele charismatische Bundespolitiker hervorbrachte. Von der Internetseite des Stadtverbandes lächelt noch immer der gescheiterte Oberbürgermeister-Kandidat Marc Hansmann. Wie Hohn wirkt seine Botschaft daneben. „Hannover. Besser. Machen“, steht dort in großen Lettern. Jetzt bleibt den Genossen nur noch die Entscheidung, ob und für wen sie zur Stichwahl in zwei Wochen eine Empfehlung aussprechen. Die SPD ist lediglich Zuschauer. Zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg, also seit über 73 Jahren, wird sie in ihrer Hochburg nicht mehr das Stadtoberhaupt stellen – ein weiterer Verlust im Kampf um Wählerstimmen auf Bundesebene.

Das Rennen um den Chefposten im Rathaus machen am 10. November der grüne Landtagsabgeordnete Belit Onay (38) und der von der CDU aufgestellte, aber parteilose Ex-VW-Manager Eckhard Scholz unter sich aus. Beide lieferten sich am Sonntag ein spannendes Kopf-an- Kopf-Rennen, holten am Ende jeweils 32,2 Prozent – mit leichtem Vorteil für den gebürtigen Goslarer Onay: Sein Vorsprung beträgt nur 49 Stimmen.

Trotz der ausgelassenen Laune auf der grünen Wahlparty blickt der Jurist und Sohn türkischer Einwanderer ernst nach vorn. „Jetzt geht es in die Vollen. Im Stichwahlkampf werden wir alles geben müssen.“ Sein Konkurrent von der CDU sieht es genauso. „Wir müssen also noch einmal richtig Gas geben“, beschwört der promovierte Maschinenbauingenieur Scholz seine Parteifreunde und Anhänger für die Stichwahl in zwei Wochen. Verkehrswende, bezahlbarer Wohnraum, Sicherheit im öffentlichen Raum waren bislang die beherrschenden Themen.

Die Sozialdemokraten bemühen sich derweil um Erklärversuche für ihr Desaster in jener Stadt, in der einst Kurt Schumacher die durch die Nationalsozialisten zerstörte Partei wieder aufgerichtet, in der SPD-Dauerbürgermeister Herbert Schmalstieg mit 35-jähriger Amtszeit bundesweiten Kultstatus erlangt und in der die Karriere von Altkanzler Gerhard Schröder ihren Anfang genommen hatte. Von Glanz ist schon lange nichts mehr zu spüren, vielmehr macht seit Jahren das böse Wort von „Genossenfilz“ die Runde. Die Quittung dafür bekam nun Stadtwerke-Chef Hansmann. Mit 23,5 Prozent stürzte der SPD-Kandidat ab und landete abgeschlagen auf dem dritten Platz vor sieben weiteren Bewerbern. Offensichtlich hatte sich die Rathausaffäre um illegale Gehaltszulagen und Ämterpatronage unter dem im April zurückgetretenen SPD-Oberbürgermeister Stefan Schostok doch stärker im Wählerwillen wiedergefunden, als es die Parteiführung um Ministerpräsident Stephan Weil vorher wahrhaben wollte.

Niedersachsens CDU-Generalsekretär sieht die Landes-SPD ebenfalls im Absturz begriffen

„Das ist ein bitterer Abend für die Hannoversche SPD und auch für mich persönlich“, gesteht der Regierungschef nun bedrückt ein. „Die Hannoversche SPD darf nach diesem Abend nicht einfach zu Tagesordnung übergehen, wir dürfen nicht nur auf widrige Verhältnisse im Bund verweisen“, mahnt Weil, der 2006 die 1,7 Kilogramm schwere Amtskette von Schmalstieg übernommen und dann bis zum Wechsel in die Staatskanzlei 2013 selbst die Geschicke im Rathaus gelenkt hatte. Von der Landespolitik spricht der Ministerpräsident lieber nicht, von den Auswirkungen auf die in drei Jahren stattfindende Landtagswahl erst recht nicht.

Weil weiß nur zu genau, dass seine Wiederwahl alles andere als sicher ist. Schon am Samstag hatte der niedersächsische Landesverband einen Dämpfer eingefahren, als Innenminister Boris Pistorius zusammen mit der sächsischen Integrationsministerin Petra Köpping in der SPD-Mitgliederbefragung lediglich den vorletzten Platz erreichte. „Ein Verlust in Hannover hat Auswirkungen auf unsere gesamte Landespartei“, schwante es einer Landtagsabgeordneten schon vor der Stichwahl.

Niedersachsens CDU-Generalsekretär Kai Seefried sieht die Landes-SPD ebenfalls im Absturz begriffen. Von der historischen Chance, in zwei Wochen das einst rote Rathaus zu übernehmen, springt er schnell in die Landespolitik. „Das gibt uns durchaus Rückenwind für die kommenden Wahlen“, erklärt Seefried ungeachtet der großen Koalition seiner Partei mit der SPD selbstbewusst. „Und das sehe ich auch für das Jahr 2022 so.“ Die Landes-Grünen hoffen ebenfalls aufen einen Wechsel und schrauben ihre künftigen Ziele in die Höhe. „Das Ergebnis von Hannover ist ein riesiger Erfolg“, jubelt Landeschefin Anne Kura. „Grüne können auch Landrats- und Oberbürgermeisterwahlen gewinnen, das gibt uns im ganzen Land Rückenwind.“

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