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Crystal Meth, das die Zollfahndung Dresden sicherstellte
© dpa

Crystal Meth: Der aussichtslose Kampf gegen die Droge

Tschechien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum der Drogenmafia entwickelt. Vor allem Crystal Meth geht von dort Richtung Deutschland.

Die Polizisten waren sich ihrer Sache sicher, als sie zuschlugen: Eine gut organisierte Bande muss es sein, die sie im Visier hatten, international vernetzt und mit reichlich Drogen als Handelsware. „Operation Otakar“ hat die Polizei ihre Aktion genannt. Schließlich schlug ein tschechisches Einsatzkommando zu, es war ein Tag im März, und wieder einmal behielten die Drogenfahnder Recht: Neun Verdächtige nahmen sie fest, sie fanden ein Drogenlabor in einer umfunktionierten Wohnung, 20 000 Euro Bargeld und insgesamt zwei Kilogramm Crystal. Die Drogen waren fürs Ausland bestimmt, ein wichtiger Handelsweg führt durch Deutschland.

Ihren Fahndungserfolg unterstreicht die Polizei mit Fotos, die wie Trophäen wirken: Sie zeigen eine komplett auseinandergebaute Autotür, hinter deren Polsterung anderthalb Kilo der gefährlichen chemischen Droge versteckt waren. Zu sehen sind auch kleinere Päckchen mit weißem Pulver, das die Schmuggler in der Packung eines Billigwaschmittels verstecken wollten. Erfolge wie diese kann die tschechische Polizei regelmäßig vermelden, es vergehen kaum einige Wochen, in denen sie keine Drogenhändlerringe hochgehen ließe oder Dealer enttarnt – und doch ist es ein Kampf, in dem die stolz präsentierten Trophäen nicht über das Entscheidende hinwegtäuschen können: Er ist so gut wie aussichtslos. Tschechien hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Zentrum der Drogenmafia entwickelt, deren Strukturen immer professioneller und deren Exportnetze immer dichter werden.

Vom Geheimtipp wurde die Droge zum Massenprodukt

Der Stoff, der den Fahndern die größten Sorgen bereitet, heißt Methamphetamin. Die Droge, die in der Szene als Crystal Meth bekannt ist, wird in Labors synthetisch hergestellt – und erlebt gerade einen regelrechten Boom, wie Drogenexperten bestätigen. Immer mehr Deutsche entdecken die Droge für sich; für die Hersteller in Tschechien verspricht der direkt benachbarte Absatzmarkt lukrative Geschäfte. Längst laufen zwischen den Drogenbeauftragten in Berlin und in Prag die Drähte heiß, es gibt gemeinsame Arbeitsgruppen und Strategiesitzungen. „Die dramatische Zunahme bei Handel und Konsum in den vergangenen Jahren kann nur durch eine deutsch-tschechische Zusammenarbeit auf allen Ebenen eingedämmt werden“, verkündeten etwa die deutsche Drogenbeauftragte Marlene Mortler und ihr tschechischer Amtskollege Jindrich Voboril unlängst nach einem Treffen in Prag.

Die wahren Brennpunkte des Drogenhandels sehen auf den ersten Blick reichlich unspektakulär aus: Entlang der deutsch-tschechischen Grenze haben sich hinter jedem Übergang in den 90er Jahren Vietnamesenmärkte etabliert. Meistens sind es Holzbuden entlang der Straße, vor deren Türen asiatische Händler ihre Waren feilbieten: Gartenzwerge liefen eine Zeitlang gut bei deutschen Touristen, billige Zigaretten und harter Alkohol, andere spezialisieren sich auf mehr oder weniger echte Markenkleidung. Wer die richtigen Händler kannte und wusste, wonach er fragen muss, hat hier unter dem Tisch schon immer auch allerlei andere Güter bekommen – Marihuana etwa und selbst Waffen sind hier gehandelt worden. In jüngster Zeit decken die Händler eben auch die neue und immer stärkere Nachfrage aus Deutschland: Crystal Meth, das stellt die Polizei immer wieder fest, hat sich vom Geheimtipp in der Drogenszene zu einem Massenprodukt entwickelt. Und gerade die Vietnamesenmärkte, die ohnehin von vielen örtlichen tschechischen Bürgermeistern als Schandflecke verflucht werden, sind beliebte Umschlagplätze.

Als Eigenbedarf gelten in Tschechien höhere Dosen als anderswo

Dass sich gerade Tschechien zum Zentrum der Crystal-Meth-Produzenten entwickelt hat, überrascht Experten nicht. „Pervitin“ heißt die Droge hier – und sie hat eine Tradition, die Jahrzehnte zurückreicht. Mehr als drei Viertel der tschechischen Drogensüchtigen, so heißt es bei den zuständigen Behörden in Prag, sind von Pervitin abhängig. Während also in den Nachbarländern wie Deutschland die vergleichsweise billige Droge offenbar gerade erst entdeckt wird, ist sie in der tschechischen Szene schon längst etabliert – und mit ihr das Know-How von den geheimen Laboratorien bis hin zu den ausgefeilten Distributionskanälen. Einen Anteil daran hat sicherlich die vergleichsweise laxe Drogenpolitik der tschechischen Regierung: Die Drogenmenge, die Abhängige für ihren eigenen Konsum straffrei dabei haben dürfen, ist so hoch wie ansonsten fast nirgends in Europa. Legal ist der Besitz aber trotz der gesetzlich zugesicherten Straffreiheit nicht – und schon gar nicht die Herstellung von Drogen. Gegen illegale Labors geht die Polizei von jeher hart vor.

Die Produktion ist in den letzten Jahren geradezu explodiert

Die wichtigsten Gegenspieler der Drogenhändler sitzen in Prag, ihr Hauptquartier haben sie in einer ehrwürdigen Villa aus der Gründerzeit in einem noblen Stadtviertel. Ein Schild haben sie nicht an ihrer Tür angebracht; nur Eingeweihte wissen, dass hier die „Nationale Anti-Drogen-Zentrale“ untergebracht ist. Es ist eine Elite-Einheit der tschechischen Polizei, die sich ganz auf den Kampf gegen organisierte Strukturen im Drogengeschäft konzentriert. Wer hier am Gartentor klingelt, wird von einem Pförtner in Empfang genommen, dessen Muskeln sich unter dem T-Shirt abzeichnen. „Mit Straftaten wie der Herstellung von Methamphetamin oder der Zucht von Hanf beschäftigen sich spezielle Abteilungen in den regionalen Polizeidirektionen“, sagt Barbora Kudlackova, die Sprecherin der Anti-Drogen-Einheit. „Unsere Ermittler kümmern sich um die organisierte, internationale Drogenkriminalität.“

Die Statistik der Spezialermittler zeigt, wie groß das Problem inzwischen geworden ist, mit dem sie es zu tun haben: 2009 hat die Polizei bei ihren Razzien gut 3,5 Kilo Methamphetamin sichergestellt, 2010 war es auf einen Schlag das Sechsfache, mehr als 21 Kilo. 2012 waren es fast 32 Kilo – und dann, 2013, bereits an die 70 Kilogramm. Dass gerade in diesen fünf Jahren die Produktion regelrecht explodiert, sei kein Zufall, sagt Kudlackova: „Der größte Trend in der Drogenkriminalität ist die Verstrickung von organisierten Verbrechergruppen aus Vietnam in die Herstellung von Methamphetamin. In den vergangenen zwei Jahren ist es diesen Gruppen gelungen, praktisch die Kontrolle über Herstellung und Verkauf von Methamphetamin in Tschechien zu übernehmen.“

Für 9000 Euro eingekauft, fürs Vierfache weiterverkauft

Für die Polizei ist in dieser kurzen Zeit ein neuer, ein mächtiger Gegner entstanden: Es seien nicht mehr die Hinterzimmer-Drogenküchen, von denen aus die Märkte versorgt werden, sondern professionelle Großlabors. „Immer öfter entdecken wir Labors, die auf mehrere Dutzend Kilo Methamphetamin pro Herstellungszyklus ausgelegt sind“, sagt Kudlackova. Und: „Der Betrieb in diesen Labors ist üblicherweise im Schichtbetrieb organisiert.“ Rund um die Uhr entsteht so das Crystal Meth, das wenige Tage später die europäischen Märkte erreicht. Für die Verbrechergruppen ist die Drogenherstellung ein lukratives Geschäft. Der Reiz an diesen synthetischen Rauschmitteln besteht für sie darin, dass die Inhaltsstoffe in frei verkäuflichen Medikamenten enthalten sind. Vor allem harmlose Schnupfenmittel bilden die Grundlage für die Herstellung. In Tschechien hat die Politik längst darauf reagiert und den Verkauf dieser Medikamente in den Apotheken reglementiert. Der Nachschub aus den Labors kommt deshalb aus den Nachbarländern, wo man die Pillen zu tausenden kaufen kann – aus Deutschland, aber vor allem aus Polen. Andere Labors beziehen ihre Grundsubstanzen nach Informationen der tschechischen Polizei aus Asien, vor allem aus China. Der Bericht der tschechischen Drogenpolizei liest sich wie ein Krimi: Von „vietnamesischen Verbrecherstrukturen“ ist da die Rede, die den Import aus Asien und über die Niederlande organisieren, von „albanisch sprechenden Verbrechergruppen“, die über den Westbalkan die Grundstoffe importieren und von „russisch sprechenden Ethnien, die in Tschechien, Polen und der Ukraine leben“ und den Transport über die Ukraine organisieren. Außerdem sei immer wieder „die Aktivität von Arabern, meistens mit Herkunft aus den Maghreb-Staaten“, zu beobachten, die vor allem in die Vertriebsstrukturen eindringen wollen. Der wachsende Markt, das zeigt diese Aufstellung von Nachschubwegen und Beteiligten, ist in schwungvoller Bewegung. Die Gewinnmargen versprechen lohnende Geschäfte: „Diese organisierten Gruppen“, sagt Kudlackova von der Drogenpolizei, „können ein Kilo Methamphetamin für umgerechnet gut 6000 Euro herstellen“. Zwischen 9000 und 10 000 Euro kostet dann für Großabnehmer jedes Kilo – in Deutschland lässt sich laut tschechischer Polizei auf dem Schwarzmarkt das Vierfache davon erlösen, in den skandinavischen Ländern bereits das Achtfache. Wer auf den tschechischen Vietnamesenmärkten nur eine kleine Menge kaufen will, bezahlt zwischen 35 bis 40 Euro – pro Gramm.

Man fahndet nach Drogen, aber auch nach Autoschiebern

In den zurückliegenden Jahren hat sich Crystal Meth damit auch für die deutsche Polizei zu einem ernsten Problem entwickelt. „Ursprünglich haben wir vor allem Eigenkonsumenten mit der Droge erwischt“, sagt der deutsche Experte Josef Eckl. „Die hatten ein, zwei, vielleicht auch mal fünf Gramm dabei und kamen meistens aus dem Grenzgebiet. In den zurückliegenden zwei Jahren entdeckten wir Schmuggler mit immer größeren Mengen zwischen 50 und 100 Gramm, die aus den deutschen Großstädten stammen.“ Eckl ist Koordinator des Gemeinsamen Zentrums Schwandorf, einer Einrichtung von deutschen und tschechischen Behörden. Schwandorf liegt in der Oberpfalz, ein paar Kilometer entfernt nur von der bayerisch-böhmischen Grenze. 100 Polizisten und Zöllner aus beiden Ländern arbeiten hier seit 2008 zusammen, als die Grenzkontrollen abgeschafft wurden. Eckl und seine Kollegen sind nicht selbst operativ tätig, sondern arbeiten als eine Art Bindeglied zwischen tschechischen und deutschen Behörden. Um Drogen geht es in ihrer Arbeit, aber auch um sämtliche andere Delikte vom Autodiebstahl bis zur Schwerkriminalität. Die deutsch-tschechische Kooperation, daran lässt Eckl keinen Zweifel, laufe reibungslos: Deutsche und tschechische Beamte gehen gemeinsam auf Streife, man kennt sich, man weiß um die Maschen der Schmuggler.

Ein Problem ist Polens Medikamentenmarkt

Wer die Erfolgsmitteilungen liest, die die deutsche Polizei entlang der Grenze nach jedem Treffer in der Fahndung herausgibt, bekommt eine Vorstellung von der Klientel, mit der es die Grenzschützer zu tun haben: Mal schnappen sie eine Gruppe polizeibekannter Jugendlicher in einem Großraumtaxi, mal stellen sie einen Kurier, der die Droge in die Lenkerstange seines Fahrrads eingebaut hat. „Durch die Schleierfahndung im Grenzgebiet“, sagt Eckl, „ist das Risiko groß, erwischt zu werden.“ Wie groß die Mengen sind, die trotz aller Fahndungserfolge in Deutschland landen, lässt sich kaum abschätzen. Tschechische Drogenexperten wagen immerhin eine Hochrechnung: 5,9 Tonnen Pervitin sollen demnach pro Jahr im Land verbraucht werden. „Wenn wir die konkreten Zahlen vergleichen, wie viel Methamphetamin wir in Tschechien sicherstellen und wie viel auf dem Weg nach Deutschland“, sagt Kudlackova von der Prager Drogenpolizei, „dann können wir davon ausgehen, das etwa ein Drittel der tschechischen Produktion nach Deutschland gelangt.“ So vage die Angaben auch sind, klar ist: Es muss ein Geschäft sein, das sich nicht nach Gramm oder Kilo bemisst, sondern nach Tonnen.

Mit ihrem Kampf gegen die Drogenmafia ist die Polizei indes nicht mehr allein. In Tschechien und in Deutschland hat auch die Politik das Thema erkannt. Die Prager setzen große Hoffnungen auf ein derzeit verhandeltes Abkommen, das die Polizeizusammenarbeit zwischen beiden Ländern intensivieren und beschleunigen soll. Und die Tschechen drängen die polnische Politik, die Abgabe von solchen Medikamenten zu regulieren, aus denen Methamphetamin hergestellt werden kann. Bislang, so heißt es in Prag, hätten die Polen das Anliegen kurzerhand abgeschmettert. Derzeit laufen offenbar wieder Gespräche. „Eine deutliche Hilfe ist uns dabei die deutsche Seite, die ein eminentes Interesse darin hat, den Import von polnischen Medikamenten zu tschechischen Herstellern zu beschränken“, sagt Kudlackova von der Drogenpolizei – schließlich landet ein großer Teil des Endprodukts am Schluss bei deutschen Konsumenten.

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