Kommunalwahlen in der Türkei: Denkzettel für Erdogan
Bisher hat Erdogans Regierung das Ausmaß der Wirtschaftskrise verschleiert. Nach den Verlusten bei der Kommunalwahl muss er handeln. Ein Kommentar.
Der türkische Präsident Erdogan hatte die Kommunalwahlen in seinem Land vom Sonntag zur Schicksalswahl erklärt. Tatsächlich ist das Ergebnis bemerkenswert – aber nicht unbedingt in dem Sinn, in dem Erdogan das wünschte. Erdogan hat einen Denkzettel der Wähler erhalten: Seine Partei AKP hat die Macht im Rathaus der Hauptstadt Ankara verloren. Die große Frage ist, ob Erdogan diese Niederlage auch annimmt.
Die AKP erlebte einen durchwachsenen Wahlabend. Sie musste nicht nur Ankara, sondern auch andere Städte und Provinzen an die Opposition abgeben. In der Metropole Istanbul musste sie um ihre Mehrheit zittern, konnte aber im Kurdengebiet punkten und blieb insgesamt stärkste Kraft im Land. Für andere Parteien wäre ein solches Ergebnis ein Grund zum Feiern – aber nicht für die AKP, die strahlende Siege gewohnt ist. Nun stellt sich die Frage, wie der Präsident und seine Partei mit dem Rückschlag umgehen. Vor der Wahl hatte Erdogan angekündigt, etlichen Oppositionsbewerbern die Mandate entziehen zu lassen. So drohte er, den Wahlsieger von Ankara, den Oppositionspolitiker Mansur Yavas, gleich wieder abzusetzen.
Erdogan hat das Ergebnis sich selber zuzuschreiben
Dabei hat der 65-jährige Präsident das Ergebnis teilweise sich selbst zuzuschreiben. Seine wüsten Attacken auf die Opposition ließen seine sonst zerstrittenen Gegner eng zusammenrücken. So rief die pro-kurdische Partei HDP ihre Wähler auf, in Ankara oder Istanbul für die Kandidaten bürgerlicher Parteien zu stimmen, die sonst zu ihren politischen Rivalen zählen. Mit einigem Erfolg. Taktische Fehler des Präsidenten sind aber nicht der wichtigste Grund für das Ergebnis: Die Wirtschaftskrise hat Erdogan schwer geschadet. Bisher stand die AKP bei vielen Türken für wachsenden Wohlstand. Am Sonntag jedoch blieben AKP-Wähler zu Hause oder liefen zur Konkurrenz über, weil sie die Regierung für Rezession, Arbeitslosigkeit und Währungsverfall verantwortlich machten. Die Regierung hat das wahre Ausmaß der Wirtschaftskrise bisher verschleiert. Jetzt muss Erdogan handeln, wenn er den völligen Absturz verhindern will. Sein Hauptproblem liegt darin, dass er den Boom der vergangenen Jahre auf Pump finanzieren ließ, doch das geht jetzt nicht mehr. Die Wirtschaftskrise und innenpolitischer Druck könnte Erdogan dazu zwingen, auf den Westen zuzugehen.