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Joe Biden ist als neuer US-Präsident gewählt worden.
© Angela Weiss/AFP

Rollback der Trump-Gesetzgebung: Das sind die ersten Maßnahmen, die Joe Biden umsetzen will

Erste Schritte wie einen Corona-Expertenrat hat der designierte US-Präsident Biden bereits angekündigt. Es könnten bald weitere folgen. Ein Überblick.

Der US-Demokrat und gewählte Präsident Joe Biden hat eine Reihe von Maßnahmen und Initiativen für die Zeit seiner Präsidentschaft angekündigt. Einem Bericht der „Washington Post“ zufolge haben Spitzenberater monatelang in aller Stille daran gearbeitet, wie seine Agenda am besten umgesetzt werden kann. Demnach haben sich Hunderte von Mitarbeitern darauf vorbereitet, ihre Arbeit in verschiedenen Bundesbehörden aufzunehmen.

Obwohl Machtübergänge immer abrupte Veränderungen beinhalten könnten, werde der Wechsel von Trump zu Biden „zu den erstaunlichsten in der amerikanischen Geschichte gehören“, schreibt das Blatt. Das Beraterteam habe eine Liste mit Bidens Wahlkampfversprechen zusammengestellt, die den Beamten bei ihren ersten Entscheidungen helfen soll.

Angesichts der Mehrheitsverhältnisse könnte es allerdings schwierig werden, wichtige Gesetze durch den Kongress zu bringen. Die Republikaner werden eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, im Senat ist die endgültige Zusammensetzung noch nicht klar. Die wird am 5. Januar entschieden, mit zwei Stichwahlen um Senatorenposten im Bundesstaat Georgia.

Sollten die demokratischen Kandidaten in Georgia beide Mandate erobern, entstünde im Senat eine 50-50-Pattsituation. Für diesen Fall sieht die US-Verfassung vor, dass der Vizepräsident bei den Senatsentscheidungen mit seiner Stimme die Mehrheit herstellt – nach Bidens Amtsantritt wird seine Parteikollegin Kamala Harris das Amt der Vizepräsidentin innehaben. Sollte Biden mit einem weiter von den Republikanern kontrollierten Senat regieren müssen, dürfte er wie auch Amtsinhaber Donald Trump mit Erlässen (Executive Orders) arbeiten, so die „Washington Post“.

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Nach einem Einzug ins Weiße Haus am 20. Januar könnten Biden und sein Stab einige von der folgenden Vorhaben sofort – am „Day One“ (Tag eins) – oder zumindest bald in Angriff nehmen:

CORONAVIRUS-PANDEMIE: Biden hat es zu seiner vordringlichsten Aufgabe erklärt, das Virus in den USA unter Kontrolle zu bringen. Dazu könnte eine landesweite Maskenpflicht gehören, wobei Juristen sich uneins sind, ob er diese erlassen kann. Zudem sollen in Zusammenarbeit mit Unternehmen die Testkapazitäten ausgeweitet werden. Biden hat versprochen, allen US-Bürgern Corona-Tests, Behandlungen und Impfstoffe kostenlos zugänglich zu machen.

Die USA sind weltweit sowohl bei den Infizierten- als auch bei den Todeszahlen das mit am stärksten von der Pandemie betroffene Land. An den vergangenen fünf Tagen starben jeweils mehr als 1000 Menschen an oder mit dem Virus, insgesamt bereits mehr als 237.000. Es gibt fast zehn Millionen bestätigte Infektionen. „Wir können in den kommenden Monaten viele Leben retten“, sagte Biden.

KLIMAABKOMMEN: Biden will im Fall seines Wahlsiegs schon an seinem ersten Amtstag den Austritt der USA aus dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder rückgängig machen. Der von Trump vollzogene Ausstieg aus dem Klimaabkommen war einen Tag nach der US-Präsidentschaftswahl, in Kraft getreten. „In genau 77 Tagen“ werde eine von ihm angeführte Regierung der Vereinbarung zum globalen Klimaschutz wieder beitreten, kündigte Biden am Mittwochabend (Ortszeit) auf Twitter an. Er bezog sich damit auf das Datum für die Vereidigung des Präsidenten, den 20. Januar.

UMWELT: Der Demokrat will auch eine ganze Reihe von Umweltschutzvorschriften wieder einführen, die Trump gestrichen hat. Alternative Energien sollen gefördert werden. Eine neue Behörde im Justizministerium soll gegen Umweltverschmutzer vorgehen.

WIRTSCHAFT: Biden will umgehend viele Steuererleichterungen seines Vorgängers für Unternehmen und Wohlhabendere aufheben. Allerdings würde dies die Zustimmung des Kongresses benötigen. Bestehende Steuerauflagen sollen konsequenter umgesetzt werden. Auch sollen Gewerkschaften gestärkt werden. Biden plant aber auch, Behörden anzuweisen, auf Waren und Dienstleistungen aus den USA zurückzugreifen, um die heimische Wirtschaft anzukurbeln.

Der Demokrat kündigte in seiner „Buy American“-Initiative an, die Nachfrage nach heimischen Industrieprodukten durch eine staatliche Beschaffungsinitiative und den Ausbau der Infrastruktur mit 400 Milliarden Dollar anzukurbeln.

Regierungsaufträge sollen jenen Unternehmen vorbehalten sein, die überwiegend in den USA produzieren. Mit einer Mischung aus spezifischen Anreizen und neuen Finanzierungsinstrumenten unter dem Schlagwort „Made in All of America„ sollen speziell kleinere Unternehmen gefördert werden. Biden stellt zudem 300 Milliarden Dollar für Forschung und Entwicklung in Aussicht – etwa in den Bereichen des neuen Mobilfunkstandards 5G, Elektromobilität und Künstliche Intelligenz.

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AUSSENPOLITIK: Biden will ebenfalls am ersten Tag den Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) rückgängig machen und wieder dem Pariser Klimavertrag beitreten. Auch das Atomabkommen mit dem Iran soll wieder aktiviert werden. Zudem wolle er ebenfalls an „Day One“ mit den Verbündeten telefonieren, um die Glaubwürdigkeit der USA im Ausland wiederherzustellen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte Biden gratuliert und die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen betont. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Präsident Biden“, twittert Regierungssprecher Steffen Seibert. „Unsere transatlantische Freundschaft ist unersetzlich, wenn wir die großen Herausforderungen dieser Zeit bewältigen wollen.“

Nach Ansicht vieler Experten könnten allerdings die Europäer auch unter Biden eher Getriebene bleiben. Nicht zuletzt, weil auch die EU beispielsweise in Fragen der Wirtschafts- und Verteidigungspolitik eher gespalten ist und sich schwer tut, eine Linie zu finden.

Obgleich Biden „Europa besser versteht als Trump“, werde er „nicht von einem Tag auf den anderen die Herangehensweise Washingtons“ ändern, warnte der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Im Wirtschaftsbereich habe schließlich auch er im Wahlkampf mit „Buy American“-Parolen gearbeitet.

Sam Lowe vom Centre for European Reform sagte, Biden werde zwar „die Drohung eines Handelskrieges vom Tisch nehmen“. Die EU dürfe sich aber nicht der Illusion hingeben, „dass Biden ein verkleideter Europäer ist“. Es werde in der Wirtschaftspolitik zwischen beiden Seiten weiter große Meinungsverschiedenheiten geben, etwa bei der Besteuerung von Internet-Konzernen.

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BÜRGERRECHTE: Zumindest innerhalb der ersten 100 Tage will Biden ein Gesetz zum Schutz vor Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität oder des Geschlechts verabschieden, den Equality Act.

VERBRAUCHERSCHUTZ: Die Trump-Regierung hat diverse Vorschriften zum Verbraucherschutz gelockert, die Biden wieder verschärfen will. In diesem Zusammenhang könnte er einen neuen Leiter der Aufsichtsbehörde CFPB ernennen, die sich mit Finanzprodukten beschäftigt. Praktisch über Nacht dürfte sich dann die Finanzbranche mit strengeren Auflagen und härteren Strafen bei Fehlverhalten konfrontiert sehen.

WAFFENGESETZE: Biden und seine designierte Vizepräsidentin Kamala Harris haben bereits angekündigt, sich für strengere Waffengesetze einzusetzen. Biden, Vizepräsident unter Barack Obama, der ebenfalls für eine stärkere Regulierung von Waffen eintrat, schlägt ein Verkaufsverbot für Schnellfeuerwaffen und die dazugehörigen Magazine vor, ähnlich der Regelungen, die bis 2004 galten. Wer ein derartiges Gewehr schon besitzt, soll das entweder an die Regierung abgeben oder zumindest registrieren. Die Pläne dürften auf heftigen Widerstand der einflussreichen Waffenlobby-Organisation NRA stoßen.

EINWANDERUNG: Biden will direkt am ersten Tag dem Kongress eine Vorlage zur Reform des Einwanderungsrechts zukommen lassen. Dabei soll den elf Millionen Menschen in den Vereinigten Staaten ohne Aufenthaltsgenehmigung ein Weg angeboten werden, die US-Staatsbürgerschaft zu erhalten. Zudem hat Biden versprochen, für die ersten 100 Tage Abschiebungen auszusetzen. Dabei solle auch das von Trump gestoppte „Träumer“-Programm wieder eingeführt werden, so die „Washington Post“. Dieses erlaubt Menschen, die als Kinder illegal in die Vereinigten Staaten gebracht wurden, im Land zu bleiben. Zudem sollen die von Trump verhängten Einreisebeschränkungen vor allem aus muslimischen Ländern sollen zurückgenommen werden. (mit Reuters)

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