Wahlen im Iran: „Das Regime fürchtet um seinen Fortbestand“
Sind die Reformer am Ende und triumphieren die Hardliner? Experte Guido Steinberg über die Parlamentswahl im Iran, die Proteste und die Kontrolle im Land.
Guido Steinberg ist Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik. Der Islamwissenschaftler schreibt gerade ein Buch über den kalten Krieg zwischen Iran und Saudi-Arabien.
Herr Steinberg, Irans Führung hat die Teilnahme an der Parlamentswahl zur religiösen Pflicht erklärt. Warum machen die Herrscher daraus einen Stimmungstest?
Das Regime hat immer auf die Legitimität Wert gelegt, die ihm eine hohe Wahlbeteiligung verleiht. Dies wäre jetzt vor allem wichtig, um argumentieren zu können, dass die Führung in Teheran im Konflikt mit der Trump-Administration die Unterstützung der Bevölkerung hat. Stattdessen fürchtet das Regime dieses Mal eine sehr niedrige Wahlbeteiligung.
Der sogenannte Wächterrat hat Tausenden gemäßigten Bewerbern die Kandidatur verwehrt. Sind die moderaten Kräfte damit auf absehbare Zeit am Ende?
Die Vertreter eines gemäßigten außenpolitischen Kurses haben mit der Kündigung des Atomabkommens durch Präsident Donald Trump im Mai 2018 und die anschließende Krise die Unterstützung des Obersten Führers Ajatollah Ali Chamenei verloren. Dass viele von ihnen nicht kandidieren durften, bestätigt dies nur.
Das Regime setzt auf einen harten Kurs. Was bedeutet das für die Proteste?
Das Regime fürchtet vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise um seinen Fortbestand. Dies hat sich schon an der brutalen Niederschlagung der Proteste im Herbst gezeigt. Es ist offenbar bereit, jeden Widerstand entschlossen zu bekämpfen und keine Schwäche zu zeigen.
Lässt sich der Iran allein mithilfe von Repression regieren?
Das Regime setzt auf seine loyale Machtbasis, die immer noch sehr breit ist. Revolutionsgarden, die Basidsch-Milizen und zivile Schlägertrupps dürften in der Lage sein, die Kontrolle im Land zu bewahren. Es wird nicht einfach, ein solches Land zu regieren, aber es ist möglich. Der Großteil der Bevölkerung wird leiden.
Die Hardliner werden die Wahlen wohl klar gewinnen. Worauf müssen sich die Region und der Westen einstellen?
Der Iran wird nicht mehr für eine Verhandlungslösung zu gewinnen sein, egal, wer die Wahl in den USA im November gewinnt. Das Regime schlussfolgert, dass es sich auf ein Abkommen mit den USA nicht verlassen kann. Ich gehe davon aus, dass Revolutionsführer Chamenei und seine Gefolgsleute in den nächsten Jahren mit aller Macht versuchen werden, sich atomar zu bewaffnen.