Bahnfahren wird billiger, Fliegen teurer: Das kommt mit dem Klimapaket auf die Bürger zu
Die Bundesregierung hat steuerliche Maßnahmen im Klimapaket auf den Weg gebracht. Wer zuzahlt, wer entschädigt wird – ein Überblick.
Am Donnerstag fliegt Olaf Scholz nach Washington. Dort ist wieder großes internationales Finanzpalaver. Internationaler Währungsfonds, die G20-Runde, bilaterale Gespräche mit Kollegen. Ein volles Programm für den deutschen Finanzminister, der sich offenbar vorgenommen hat, in der US-Hauptstadt als Klimavizekanzler zu glänzen.
Scholz kann endlich mal offensiver auftreten, mit dem großen Klimapaket der Bundesregierung im Koffer, für das auch die amerikanische Regierung ein gewisses Interesse entwickelt, wie zu hören ist. Zuletzt musste Scholz sich bei diesen Treffen Kritik der anderen anhören, die Bundesregierung tue zu wenig für die Weltkonjunktur, stehe auf der Schuldenbremse und investiere nicht genug.
Jetzt aber kann er ein bisschen triumphieren mit dem 55-Milliarden-Klimapaket mit seinen vielen Investitionen und Investitionsanreizen zur Rettung der Erde. Scholz will Eindruck machen.
Noch nicht alle Details geklärt
Aber bevor die detaillierten Beschlüsse zum Investieren und Fördern fallen, und auch bevor die immer noch nicht geklärten Details der Verteuerung von Sprit und Heizöl durch die höhere "CO2-Bepreisung" vorgelegt werden, hat das Bundeskabinett an diesem Mittwoch, nach dem Klimaschutzgesetz plus Maßnahmenpaket in der vorigen Woche, vier steuerliche Maßnahmen im Rahmen des Klimapakets auf den Weg gebracht.
Die sind erstens verbrauchernah, bringen das Klimapaket also dem richtigen Leben näher. Und zweitens sind sie zustimmungspflichtig im Bundesrat, was es ebenfalls geraten erscheinen lässt, nun hurtig an die Sache heranzugehen.
Weniger Umsatzsteuer auf Bahntickets
Sehr direkt - in beiderlei Hinsicht - wird die Umsatzsteuersenkung auf Bahntickets von 19 auf sieben Prozent wirken. Zum einen, weil sie laut Regierung und Bahn die Fahrten mit dem Zug um bis zu zehn Prozent billiger macht, und zwar schon von Januar an. Zum anderen, weil die Hälfte der Steuerausfälle auf die Länder zukommt. Die Kompensation jedoch, die Erhöhung der Luftverkehrsabgabe, landet bisher allein im Etat des Bundes. Sie soll Mehreinnahmen von bis zu 740 Millionen Euro bringen:
- Am stärksten steigt die Abgabe bei Inlandsflügen und Trips innerhalb Europas bis zu 2500 Kilometer - von 7,50 Euro pro Ticket auf 13,03 Euro, also 74 Prozent.
- Für Flüge darüber hinaus steigt die Abgabe nur um 41 Prozent. Der Sinn: Gerade im Inland sollen mehr Reisende die Bahn nutzen.
- Löcher in die Etats der Länder wird auch die Anhebung der Kilometerpauschale für Berufspendler reißen, die den höheren Spritpreis ab 2021 etwas ausgleichen soll.
- Die Kilometerpauschale wird zwar erst von Fahrten von mehr als 21 Kilometern an wirken und ist auch bis 2026 begrenzt, aber sie kostet.
- Ebenso kostet die Mobilitätsprämie für Geringverdiener. Sie wird als Direktzuschuss an jene gezahlt, die keine Steuern zahlen und damit nicht in den Genuss der Pendlerpauschale kommen können.
- Die ausgeweitete Förderung der Gebäudesanierung, für neue Fenster und Türen, die Dämmung, für neue Heizungen in selbst genutzten Immobilien, die älter als zehn Jahre sind, soll zusammen mehr als 200 Millionen Euro ausmachen.
- Bis zu einer Investitionsobergrenze von 200.000 Euro reicht die Förderung, die in drei Jahresschritten mit zusammen 20 Prozent via Abzug von der Steuerschuld dann maximal 40.000 Euro ausmachen soll.
Mehr Windanlagen
Ein fünftes Gesetz, das Scholz dem Kabinett vorlegt, betrifft die Kommunen: Ihnen soll im Rahmen der aktuellen Grundsteuerreform erlaubt werden, von Unternehmen, die Windräder aufstellen, mehr Grundsteuer zu verlangen. Der Hintersinn der zunächst verwirrenden Maßnahme, die ja die Ansiedlung von Windkraft etwas teurer macht: Kommunen sollen so einen Anreiz bekommen, mehr Flächen auf ihrem Gebiet für Windkraftanlagen freizugeben, eventuell sogar näher als den einen Kilometer zur nächsten Bebauung, der bisher gesetzlich als Mindestdistanz vorgeschrieben ist - was Kommunen nun aber lockern dürfen.
Wie hoch die Steuerausfälle sein werden, ist noch nicht ganz klar. Insgesamt - Bund und Länder zusammen - werden sie nach Tagesspiegel-Informationen im kommenden Jahr bei etwas mehr als 500 Millionen Euro liegen, 2022 wird es schon etwa eine Milliarde sein, 2023 dann zwei Milliarden Euro.
Es sind also keine „peanuts“, etwa die Hälfte könnte auf Länder und Kommunen entfallen. Weil es schnell gehen soll, bringt der Bund die Steuergesetze nun im verkürzten Verfahren im Bundesrat ein. Dort haben die Grünen ein gewichtiges Wörtchen mitzureden - sie sitzen in neun, demnächst wohl zehn Landesregierungen.
Man wolle sensibel mit dem Klimapaket umgehen, heißt es von grüner Seite, aber auch eigene Länderinteressen wahren. Ein Vermittlungsverfahren wird allerdings nicht ausgeschlossen. Dann würde es nichts mit der geplanten schnellen Umsetzung.
Länder stellen Forderungen
Freilich sehen nicht nur die Grünen in der Vermittlung eine gute Gelegenheit, eigene Punkte zu setzen und die Länderinteressen zu wahren, also letztlich einen ordentlichen Ausgleich für die Mindereinnahmen zu bekommen. Auch Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) spielt mit dem Gedanken, einige Punkte im Klimapaket zu ändern - etwa die Pendlerpauschale, und zwar zugunsten aller Autofahrer. Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD) ist der Einstieg in die CO2-Bepreisung zu niedrig.
Gut möglich, dass es sogar eine Art doppelte Vermittlung geben wird. Denn neben dem neuen Klimapaket ist derzeit ein zweites, schon etwas früher beschlossenes Klimavorhaben im Gesetzgebungsverfahren: das Strukturstärkungsgesetz, auch bekannt als 40-Milliarden-Programm für die Kohleländer, um den Ausstieg aus der Kohleverstromung abzufedern. Hier hat der Bundesrat am vorigen Freitag in einigen Punkten Änderungsforderungen gestellt. Allen voran Kretschmer, der wie andere Länderkollegen auch schnellere Planungen ermöglichen will - und mit dem Geld vom Bund nicht nur die Eisenbahnanbindung, sondern auch den Autobahnbau finanzieren will, um in der Lausitz neue Betriebe ansiedeln zu können. Das wiederum wollen die Grünen nicht.
Es gibt also vielfältiges Konfliktpotenzial. Gut möglich, dass eine Gipfelrunde von Kanzlerin, Vizekanzler und der Ministerpräsidentenkonferenz eine Lösung suchen muss. Wenn Scholz von seinem weltökonomischen Ausflug aus Washington zurück ist, wird ihn das mühsame Tagesgeschäft der Bund-Länder-Verhandlungen schnell einholen.
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