zum Hauptinhalt
Unter den wachen Augen der Öffentlichkeit hat das Bundeskabinett am Mittwoch das Klimaaktionsprogramm verhandelt und beschlossen.
© dpa

Deutsche Klimapolitik: Das Kabinett hat die klimapolitische Kurve gerade noch gekriegt

Dass das deutsche Klimaziel nicht kurz vor dem Gipfel in Lima aufgegeben worden ist, ist der öffentlichen Aufmerksamkeit und am Ende auch der Umweltministerin zu verdanken. Aber die Zahlen lassen noch viele Fragen offen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Dagmar Dehmer

Vor vier Wochen hat es einmal so ausgesehen, als würde Deutschland sein Klimaschutzziel bis 2020 mir nichts dir nichts aufgeben. Und zwar ohne große öffentliche Aufregung. Doch dann sind Umweltverbände und Öffentlichkeit doch noch rechtzeitig vor dem 20. Weltklimagipfel in Lima, der am Montag begonnen hat, wach geworden. Denn hätte Deutschland in Lima bekennen müssen, dass das Land der Energiewende nicht in der Lage ist, bis 2020 rund 40 Prozent seiner Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 zu senken, wäre das einer klimapolitischen Kapitulation gleich gekommen. Nachdem international endlich wieder etwas Bewegung in die Verhandlungen gekommen ist, hätte eine deutsche Absage verheerende Wirkung gehabt.

Mit dem Klimaaktionsprogramm, dem Nationalen Energieeffizienzplan und den Ratschlägen der Wissenschaftlergruppe, die seit 2012 jährlich einen Monitoringbericht zum Stand der Energiewende vorlegt, hat das Bundeskabinett am Mittwoch bewiesen, dass es sich seiner Verantwortung beim Klimaschutz bewusst ist. Auch wenn die Zahlen im einzelnen dann doch noch viele Fragen offen lassen, ist das Programm ein ernst zu nehmender Versuch, das selbst gesetzte Ziel noch zu erreichen.

Die Klimaschutzlücke war lange bekannt

Die Reparaturarbeiten hätten allerdings schon früher einsetzen können. Denn schon 2007, als im Gästehaus der Regierung in Meseberg die vorhergehende große Koalition ihr Klima- und Energiepaket verabschiedet hat, hat das Umweltbundesamt gewarnt, dass die dort beschlossenen Politikansätze nicht ausreichen würden, um das 40-Prozent-Ziel tatsächlich zu erreichen. Die Warnungen haben dann auch andere Institute aufgegriffen und schon jahrelang vorhergesagt, dass zu den 40 Prozent am Ende fünf bis sieben Prozentpunkte fehlen würden. Doch erst Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat das dann im Sommer als Arbeitsauftrag für ein Klimaaktionsprogramm verstanden, das Deutschland seinem Ziel näher bringen sollte. Doch auch sie verzichtete monatelang darauf, die Dringlichkeit des Themas mit eigenen Vorschlägen für ordnungsrechtliche Regelungen zu unterstreichen.

Die Stromwirtschaft sperrt sich gegen das Klimaziel

Nun ist klar, dass auch die Stromwirtschaft einen zusätzlichen Beitrag zur Erreichung des deutschen Klimaziels wird leisten müssen. Mitte 2015 will das Wirtschaftsministerium ein entsprechendes Gesetz vorlegen, das der Stromwirtschaft einen zusätzlichen Einsparbeitrag von 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid bis 2020 abverlangen soll. Dass es zu einer Vereinbarung zwischen Energiewirtschaft und Regierung darüber kommen wird, ist derzeit nicht sehr wahrscheinlich. Die Stromkonzerne ärgern sich über die Renationalisierung der Klimapolitik und verweisen auf den europäischen Emissionshandel, der ihnen eine Obergrenze für den CO2-Ausstoß vorgibt. Allerdings sind derzeit mehr als zwei Milliarden CO2-Zertifikate mehr auf dem Markt, als die Konzerne und Industriebetriebe überhaupt verbrauchen können. Deshalb entwickelt der Emissionshandel keinerlei klimapolitische Lenkungswirkung. Daran kommen auch die Energiekonzerne nicht vorbei. Aber eingesehen haben sie es noch nicht.

Zur Startseite