Nach der Zwangspause: Das britische Parlament tagt wieder
Die Zwangspause für das Unterhaus ist aufgehoben - das Parlament kommt zusammen. Die Regierung von Boris Johnson wütet.
Mit wütenden Angriffen auf das Unterhaus und die Opposition hat die britische Regierung am Mittwoch versucht, die Demütigung durch den britischen Supreme Court vergessen zu machen.
Bei der ersten Sitzung nach der Zwangspause, die vom höchsten Gericht für null und nichtig erklärt worden war, ließen Minister anklingen, sie wollten eine Neuwahl noch vor dem geplanten Brexit-Termin Ende Oktober durchsetzen.
Dies verweigert die Opposition mit dem Hinweis, der Premierminister plane den Chaos-Austritt („No Deal“). Rücktrittsforderungen gegen Boris Johnson und sich selbst wies Geoffrey Cox, Generalstaatsanwalt im Kabinettsrang, zurück: „Dieses tote Parlament hat jegliches moralische Recht verspielt“, sagte er.
Einstimmig hatten die elf Höchstrichter am Dienstag die fünfwöchige Prorogation des Parlaments als unrechtmäßig verurteilt. Die Exekutive habe damit ein Verfassungsprinzip, nämlich die Souveränität des Parlaments, verletzt und dessen Kontrolle der Regierung behindert.
Der Premierminister selbst wollte erst nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe das Wort ergreifen. Das Urteil des Höchstgerichts hatte Johnson in New York erreicht, wo er am UN-Klimagipfel teilnahm und mit US-Präsident Donald Trump zusammentraf. Seine Regierung werde den Richterspruch respektieren, „aber ich bin fundamental anderer Meinung“, sagte er in Medieninterviews vor seinem Heimflug nach London.
Misstrauensvotum? Eher nicht
Dort forderte die Opposition, angeführt von Labour-Chef Jeremy Corbyn, den Rücktritt des Regierungschefs sowie seines Chefberaters Dominic Cummings. Generalstaatsanwalt Cox verhöhnte Corbyn und dessen Führungsteam als „rückgratlosen Haufen“. Jederzeit könne die Opposition den Leiter einer Minderheitsregierung durch ein Misstrauensvotum stürzen: „Aber sie sind zu feige“, sagte Cox.
Tatsächlich schreckt Corbyn vor dieser Maßnahme zurück, weil er die Leitung einer Übergangsregierung vor etwaigen Neuwahlen für sich beansprucht. Die dafür notwendigen 23 liberalkonservativen Abgeordneten, die von Johnson aus der Partei geworfen wurden, haben aber deutlich gemacht, dass sie den unter Antisemitismus-Verdacht stehenden Altlinken niemals mitwählen würden.
Noch ehe Johnson selbst das Wort ergriff, stellte das Unterhaus unter Beweis, warum seine Rückkehr wenig willkommene Konsequenzen für den Premierminister hat. Mit einer Dringlichkeitsanfrage lenkte die liberale Abgeordnete Layla Moran die öffentliche Aufmerksamkeit auf staatliche Subventionen für die Firmen einer jungen US-Unternehmerin, die Johnson als „einen ihrer besten Freunde“ bezeichnet haben soll.
Handelsreisen eines Bürgermeisters
Einer Veröffentlichung der „Sunday Times“ zufolge war Johnson während seiner Amtszeit als Londoner Bürgermeister (2008-16) häufiger Besucher in der Wohnung des früheren Models Jennifer Arcuri. Er verlieh Veranstaltungen von Arcuris Cybertech-Firmen Glamour durch seine Anwesenheit, die Geschäftsfrau durfte an drei Handelsreisen des Bürgermeisters teilnehmen.
In diesem Jahr erhielt die 34-Jährige umgerechnet 113.000 Euro aus einem Fonds für Cybersecurity-Experten. Johnson habe mit der Vergabe der Subvention nichts zu tun gehabt, beteuerte Digital-Staatssekretär Matthew Warman.