Radikale Muslima Nora Illi in der ARD: Darf die das?
Die Schweizer Bundesanwaltschaft kritisiert die Redaktion von Anne Will für den Auftritt der vollverschleierten Muslima Nora Illi. Doch der wird wohl ohne rechtliche Folgen bleiben.
Der umstrittene Auftritt der Schweizer Muslima Nora Illi bei „Anne Will“ bringt den Norddeutschen Rundfunk (NDR) in die Kritik. Die Schweizer Bundesanwaltschaft hatte den Sender zuvor gewarnt und darauf hingewiesen, dass Illi für die problematische Gruppierung „Islamischer Zentralrat der Schweiz (IZRS) “ tätig ist. Man sei „irritiert darüber, dass dem IZRS im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eine Plattform geboten wurde“, sagte ein Sprecher der Behörde dem Tagesspiegel. Der Redaktion von „Anne Will“ sei vor der Sendung mitgeteilt worden, dass gegen ein Vorstandsmitglied des IZRS ein Strafverfahren anhängig sei „wegen des Verstoßes gegen das Bundesgesetz über das Verbot der Gruppierungen Al Qaida und ,Islamischer Staat’ sowie verwandter Organisationen“.
Eine Sprecherin der „Anne Will“-Redaktion sagte, es habe vorher ein „langes Gespräch“ mit der Schweizer Bundesanwaltschaft gegeben. Diese habe aber nicht von der Einladung der Frau abgeraten. Die vollverschleierte Nora Illi hatte in der Sendung am Sonntag die Teilnahme am Dschihad in Syrien gerechtfertigt.
Die Schweizer Sicherheitsbehörden stufen den Zentralrat als salafistische Organisation ein. Der 2009 gegründete IZRS steht auch in Kontakt zu Islamisten in Deutschland. 2010 kam Pierre Vogel, einer der Wortführer der hiesigen Salafisten, zu einem Symposium des IZRS in die Schweiz. Nora Illi, die auch schon 2013 bei „Anne Will“ und 2012 in „Menschen bei Maischberger“ im Nikab auftrat, ist die „Frauenbeauftragte“ des Zentralrats.
Das in der Schweiz im Dezember 2015 eröffnete Verfahren richtet sich gegen den deutschen IZRS-Funktionär Naim Cherni. Ihm werde vorgeworfen, „seine Reise in umkämpfte Gebiete in Syrien in einem Video propagandistisch dargestellt zu haben, ohne sich explizit von den Al-Qaida-Aktivitäten in Syrien zu distanzieren“, erklärt die Bundesanwaltschaft. Er hatte einen Anführer der islamistischen Allianz „Jaish al Fatah“ (Armee der Eroberung) interviewt, zu der auch der syrische Ableger von Al Qaida gehört.
Im Internet erklärt im Internet die Motive Jugendlicher, in den Dschihad ziehen
Absehbar ist, dass nach der Sendung vom Sonntag eine Fülle von Strafanzeigen erstattet werden. Sie dürften sich jedoch weniger auf das beziehen, was Illi in der Sendung sagte, sondern auf ihre Veröffentlichungen auf der Webseite des Islamischen Zentralrats, die in der Talkshow zitiert wurden: Unter der Überschrift „Oh Schreck, die Tochter ist weg!“ geht Illi in einem – ihren eigenen Worten nach – „Essay“ der Frage nach, was Eltern tun können, wenn ihre Kinder in den Dschihad nach Syrien ziehen wollen. Man müsse dafür ihren „Hang zum Idealismus“ verstehen.
Angesichts der Repressionen, denen Muslime weltweit ausgesetzt seien, müsse die „Versuchung riesig sein, aus diesem Elend auszubrechen“ und „gegen die Schergen Assads zu kämpfen“. Illi erkennt darin eine Überzeugung die als „Zivilcourage hochzuloben“ sei. Den Teenagern aber würde dann bald die „brutale Kriegsrealität vor Ort“ klar und dass dies eine „bitterharte Langzeitprüfung mit ständigen Hochs und Tiefs“ sei.
Rechtlich dürfte nichts gegen den Fernsehauftritt einzuwenden sein
Strafrechtlich dürfte dagegen wenig zu machen sein. Äußerungen, wonach der Kampf gegen das syrische Regime richtig und wichtig sei, gehören auch zur Argumentation westlicher Politiker. Eine strafbare „öffentliche Aufforderung zu Straftaten“ wird damit auch angesichts des Grundrechts auf Meinungsfreiheit kaum zu erkennen sein. Es müsste zudem zu einer konkreten rechtswidrigen Tat aufgefordert werden – dies ist etwas anderes, als den Widerstand gegen Ássad zu billigen oder zu glorifizieren. Zu beachten wäre auch, das Illi in einem Facebook-Post nach der Sendung schrieb, ihr gehe es „keinesfalls darum, auf irgendeine Art für solche Reisen zu werben“.
Ob es rundfunkrechtlich zu beanstanden ist, dass der radikalen Muslima eine Plattform geboten wurde, ist schon umstrittener. Im Rundfunkstaatsvertrag wird allerdings ebenfalls die Meinungsvielfalt hervorgehoben, während die Anstalten zugleich „Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit“ zu berücksichtigen hätten. Radikale Sichtweisen aus der Programmgestaltung grundsätzlich auszuschließen, dürfte mit diesem Auftrag nur schwer zu vereinbaren sein.
Frank Jansen, Jost Müller-Neuhof