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Eine Frau mit Nikab im syrischen Damaskus. Immerhin, man kann ihr in die Augen gucken. Bei der Burka wird das schwierig.
© dpa

Verschleierung: Wer Gesicht zeigen will, sollte sich erst mal rasieren

Das angebliche Burka-Verbot der Unions-Innenminister hält Frauen von Bildung und Arbeit ab. Was soll daran wertvoll sein? Ein Kommentar.

Die Innenminister der Union sind sich einig. „Wir … fordern, dass alle Menschen Gesicht zeigen“, heißt es in ihrem gemeinsamen Forderungskatalog zu „Sicherheit und Zusammenhalt in Deutschland“. Für den öffentlichen Dienst, Kitas, Schulen und Hochschulen, Gerichte und den Straßenverkehr solle dies per Gesetz festgeschrieben werden. Politik und viele Medien schildern das Vorhaben als „Burka-Verbot“. Auch die Innenminister sprechen in ihrem Papier davon, „Vollverschleierung“ nicht akzeptieren zu wollen.

Allerdings wird das Gesetz, wenn es denn Gesetz wird, nicht Burkas oder Schleier verbieten, sondern eine allgemeine Gesichtserkennungspflicht regeln. Bloße Anti-Burka-Gesetze wären verfassungswidrig.

Gesicht zeigen müssen wir, egal ob verschleiert oder nicht, vielfach schon jetzt. Etwa bei Polizeikontrollen, in Ämtern oder auch vor Gericht. Immer wenn es auf Identitätsfeststellung ankommt, müssen so auch gläubigste Hardcore-Muslimas ihre Schleier lüften. Mit Integration hat das wenig zu tun. Es handelt sich um Notwendigkeit.

Junge Frauen könnten nicht mehr studieren

In dieser Beziehung sind weitere Gesetze überflüssig. Neu wäre, dass Frauen mit Gesichtsschleier, dem Nikab, von denen es in Deutschland einige gibt, nicht mehr im öffentlichen Dienst arbeiten dürften. Sie könnten auch nicht mehr studieren. Wer überzeugt ist, damit die Integration voranzubringen oder Unterdrückten zu helfen, geht besser noch einmal in sich. Ähnliches gilt für schulpflichtige Mädchen. Möglich, dass Eltern sie dann zu Hause behalten. Möglich auch, dass die Gesichtspflicht in diesem Fall verfassungswidrig ist. Wie auch immer, es würde viele Konflikte darum geben.

Auch lustige Konflikte, zum Beispiel im Straßenverkehr: Die Gesichtspflicht träfe Autofahrer, während auf dem Motorrad die Helmpflicht gilt, die Gesichter unkenntlich macht. Eine Ungleichbehandlung? Was geschieht mit vorsichtigen Fahrern, die am Steuer aus Sicherheitsgründen einen Helm tragen möchten? Auf entsprechende Bußgelder wäre man neugierig. Aufpassen müssten wohl auch Radfahrer im Winter mit Schals und Mützen.

Ach, wichtig an dem Vorhaben soll ja der symbolische Wert sein. Aber was ist so wertvoll daran, Frauen von Arbeit und Bildung fernzuhalten? Welches Symbol liegt darin, künftig zu verhindern, dass Menschen sich Säcke über den Kopf stülpen oder Gesichter mit Tüchern verhängen? Ein Integrationshemmnis wäre demnach wohl auch die unter jungen Deutschen mittlerweile sehr verbreitete muslimische Vollbartmode, die mit „Gesicht zeigen“ nicht das Geringste zu tun hat. Die Innenminister hätten dann lieber die Pflicht zur täglichen Nassrasur einfordern sollen. Es ist daher schwer, der geplanten Ausweitung der Gesichtserkennung Positives abzugewinnen. Google wird sich freuen. Sonst noch jemand?

Jost Müller-Neuhof

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