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Überraschende Änderung der Tagesordnung: Ergänzungshaushalt zum Klimapaket von Finanzminister Olaf Scholz wird heute nicht behandelt.
© Bernd von Jutrczenka/dpa
Update

Verschiebung von Beschlüssen: CSU sorgt für Klimastress in der Koalition

Erst viel Kritik, nun sehen auch die CSU-Minister noch Klärungsbedarf: Für das Klimapaket wird langsam die Zeit eng.

So richtig rund läuft es für die Bundesregierung mit ihrem als „großen Wurf“ gepriesenen Klimapaket nicht. CSU-Chef Markus Söder sprach vom Comeback der großen Koalition, einem klimapolitischen Marshall-Plan für Deutschland. Tatkraft statt Stagnation. Doch schon nach wenigen Tagen rief die die kommissarische SPD-Chefin Malu Dreyer angesichts der Kritikwelle die Union zu Nachbesserungen auf, pochte auf einen Startpreis von 20 statt 10 Euro für jede durch den Verkehr oder das Heizen verursachte Tonne Kohlendioxid. Und nun hat die CSU noch Klärungsbedarf, was den ganzen Zeitplan ins Wanken bringen könnte.

Nach einigem hin und her konnte das knapp 200 Seiten umfassende Klimaschutzprogramm 2030 mit allen Einzelmaßnahmen noch nicht beschlossen werden – so stand auf der Tagesordnung des Bundeskabinetts am Mittwoch zum Klimathema nur der wegen der Beschlüsse notwendig gewordene Ergänzungshaushalt. „Das zu den beschlossenen Eckpunkten ausgearbeitete umfassende Klimaschutzprogramm wird nächste Woche im Kabinett verabschiedet“, kündigte ein Regierungssprecher auf Tagesspiegel-Anfrage an. Wenn das Programm aber nicht nächste Woche von der Ministerrunde gebilligt wird, könnte das Vorhaben wohl in diesem Jahr nicht mehr vom Parlament beschlossen werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters. Das ist aber wichtig, sonst wird noch mehr Zeit verloren, um beim Senken der Emissionen politisch voranzukommen.

Bundesregierung gerät unter Zeitdruck

Das ganze Programm mit allen Details war erst wenige Stunden vor der Kabinettssitzung fertig geworden – offensichtlich zu kurzfristig, um es gründlich durchzuarbeiten und beschließen zu können. In SPD-Kreisen wird für die Verschiebung vor allem das CSU-geführte Verkehrsministerium von Minister Andreas Scheuer (CSU) verantwortlich gemacht.

Ein Knackpunkt ist die Reform der Kfz-Steuer, also wie hoch der CO2-Ausstoß von Autos künftig besteuert werden soll, um die Bürger beim Neukauf eines Wagens zum Umsteigen etwa auf E-Autos zu bewegen. Dazu sind auch Kaufprämien von mehreren tausend Euro für E-Autos geplant, die nicht mehr als 40.000 Euro kosten. Das war der SPD wichtig, damit nicht auch der Kauf von Luxusmodellen zusätzlich gefördert wird. Das Ziel für 2030 lautet jetzt: Mindestens sieben Million E-Autos auf deutschen Straßen, nachdem das 2020-Ziel von einer Million krachend verfehlt wurde.

Der Ergänzungshaushalt von Finanzminister Olaf Scholz sieht bis 2023 zusätzliche Ausgaben von 54,4 Milliarden Euro vor, mit fast 33 Milliarden Euro soll mehr als die Hälfte davon aus Einnahmen der CO2-Bepreisung gegenfinanziert werden, zum einen knapp 19 Milliarden Euro aus der der ab 2021 geplanten CO2-Bepreisung von Kraftstoffen und Heizöl, zum anderen mit Milliardeneinnahmen aus dem bereits bestehenden EU-weiten Emissionshandel, wo Kraftwerke und Industriebetriebe CO2-Verschmutzungsrechte für ihren Ausstoß kaufen müssen.  Da bereits die parlamentarischen Beratungen über den Bundeshaushalt 2020 laufen, war es wichtig, dass die aktualisierten Finanzplanungen für 2020 und die Folgejahre noch in den Beratungsprozess eingespeist werden können.

Seit Tagen verhandelten die Ministerien darüber, konnten aber auch in der Nacht zum Mittwoch keine Einigung finden. Unklar ist zum Beispiel bisher noch, wie stark die Abgabe auf Flüge von derzeit 7,38 Euro für Kurzstrecken erhöht werden soll. Diese Einnahmen sollen die rund 500 Millionen Euro kostende Senkung der Mehrwertsteuer auf Bahntickets im Fernverkehr finanzieren – die Bahn hat bereits deshalb Fahrpreissenkungen um rund zehn Prozent angekündigt.

Ohne die Einigung auf das Klimaprogramm kann auch das Klimaschutzgesetz nicht beschlossen werden, das als übergeordnetes Dachgesetz den Rahmen für die einzelnen Instrumente vorgeben sollte. Darin sollen auch die Kontrolle und die Konsequenzen bei Verfehlen der Zwischen-Klimaziele in den nächsten Jahren geregelt werden.

Experten: Bisher geplante Maßnahmen ungenügend

Es ist ein Herzensanliegen von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) – denn das Ziel von 40 Prozent weniger an Treibhausgasemissionen bis 2020 (im Vergleich zu 1990) wird auch deshalb verfehlt, weil Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zwar 2007 ebenfalls ein großes Klimaprogramm beschließen und sich auf internationaler Bühne als Klimakanzlerin feiern ließ, aber es keinen Mechanismus gab, um verpflichtend nachzusteuern. Wenn jetzt bestimmte Sektoren wie der Verkehr, wo der Ausstoß sogar gestiegen statt gesunken ist, bestimmte Jahresziele nicht erreichen, sollen die zuständigen Minister Vorschläge vorlegen müssen, um nachzujustieren.

Fast alle Experten halten es jetzt schon für absehbar, dass mit den bisher geplanten Maßnahmen das Ziel von 55 Prozent weniger Emissionen bis 2030 nicht zu schaffen ist. Daher dürfte sich dann sehr schnell die Diskussion auf einen Punkt fokussieren: Einen höheren CO2-Preis für den Verkehrs- und Gebäudebereich, um durch höhere Kosten für Tanken und Heizen eine Lenkungswirkung hin zu weniger CO2 zu erzwingen.

Doch die große Koalition betont immer wieder, gerade mit Blick auf die Pendler und einkommensschwache Haushalte, man müsse auch den sozialen Frieden wahren. AfD-Chef Alexander Gauland hat bereits angekündigt, den Kampf gegen überbordende Klimaschutzmaßnahmen zum neuen Kampagnenthema aufzubauen, während die Klimaaktivisten von „Extinction Rebellion“ mit Blockaden Berlin am 7. Oktober lahmlegen wollen. Sie sehen das Paket als viel zu ambitionslos an. Auch wenn Deutschland nur zwei Prozent zu den weltweiten Emissionen beiträgt, gilt es als ein Schlüsselland, um eine Vorreiterrolle einzunehmen, ähnlich wie bei der Energiewende, um andere Staaten auch zu mehr Engagement zu bewegen.

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