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Bereit für die Ampel?. Volker Wissing, FDP-Spitzenkandidat, in Rheinland-Pfalz. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa
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FDP ist wieder Zünglein an der Waage: Comeback der Königsmacher

Sie waren weg vom Fenster. Nun schafften es die Liberalen wieder in zwei wichtige Länderparlamente. Und mehr noch: Die FDP könnte den Wahlsiegern in Mainz und Stuttgart zur Regierungsmehrheit verhelfen. Wenn sie denn will.

Es klang wie ein Stoßseufzer der Erleichterung. „Mit der FDP“, rief Parteichef Christian Lindner den jubelnden Anhängern am Montag abend im Berliner Thomas-Dehler-Haus zu, „ist weiter zu rechnen.“ In Baden-Württemberg, dem Land der Dreikönigstreffen, mehr als acht Prozent. In Rheinland-Pfalz nach fünf Jahren Auszeit mit gut sechs Prozent auch wieder sicher im Parlament. Und selbst in Sachsen-Anhalt – dem Ostland ohne liberale Tradition – nur haarscharf an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert, wie sich später herausstellt. „Die Länderwende ist geschafft“, twitterte der Mainzer Spitzenkandidat Volker Wissing voller Euphorie.

Eine Partei in Aufbruchstimmung. Dass an diesem Märzwochenende manches wieder gut werden würde für die so schlagartig aus dem politischen Geschehen Herauskatapultierten, hatten Wahlforscher bereits prophezeit. So drängten sich am Wahlabend in der Bundesgeschäftsstelle so viele FDP-Anhänger wie lange nicht mehr. Der Getränkeausschank überfordert, die umlagerten Fernseher kaum noch sichtbar. Und als die erste Hochrechnung über den Bildschirm lief, brüllten die Zusammengequetschten ihre Begeisterung nur so heraus.

Zwischenziel erreicht

Kein Wunder, könnte dieser Sonntag für die FDP doch tatsächlich der Auftakt sein für den ersehnten Rückmarsch in den Bundestag im kommenden Jahr. Das Zwischenziel, nach Hamburg und Bremen auch wieder in westdeutschen Flächenländern mitzumischen, ist jedenfalls geschafft. Viele rechnen das ihrem Vorsitzenden an. Lindner hatte die FDP nach dem Wahldesaster im Bund nicht nur personell und programmatisch neu aufgestellt. Er hatte die FDP auch in der Flüchtlingskrise gezielt zwischen Merkelscher Willkommenskultur und AfD-Populismus als Alternative positioniert.

Entsprechend selbstbewusst präsentiert sich der 37-jährige Parteichef auch am Tag nach dem Triumph. Die FDP habe in allen drei Ländern „die inhaltlichste Kampagne geführt“, behauptet er – sie sei zuvorderst für ihre Kernforderungen nach einer Bildungsoffensive und mehr wirtschaftlicher Vernunft gewählt worden. Die Flüchtlingspolitik habe nur insofern eine Rolle gespielt als viele den Regierenden übel genommen hätten, dass diese „nur noch Krisenmanagement“ betrieben und darüber alle anderen Themen vernachlässigten.

Im Südwesten 86 000 CDU-Wähler gewonnen

Tatsächlich hat die neue FDP aber auch ganz direkt vom Ärger und der Besorgnis vieler bürgerlicher Wähler über die Flüchtlingszuwanderung profitiert. Lindner hat seine Partei bei diesem Thema so geschickt aufgestellt, dass ihr die Stimmen derer in den Schoß fielen, die zwar mit Merkels Willkommenskurs haderten, denen die AfD in ihrer Radikalität aber doch nicht geheuer erschien. In Baden-Württemberg allein waren das, wie Analysten herausfanden, rund 86 000 ehemalige CDU-Wähler.

Dazu passt, dass der FDP-Chef am Montag sogleich um Verständnis für irregeleitete AfD-Wähler wirbt. Man dürfe sie „moralisch nicht diskreditieren“, mahnt er. Die meisten hätten den Regierenden doch nur "ein Signal senden" wollen, „offenbar keinen anderen Rat mehr gewusst“. Mit der AfD selber hat Lindner weniger Nachsicht, er nennt sie eine "völkisch-kollektivistische" Partei. Allerdings sei auch ihr mit Gelassenheit zu begegnen. Wenn alle vor der AfD hockten wie das Kaninchen vor der Schlange, gebe man ihr "riesenhafte Bedeutung". In den Parlamenten werde sie sich aber „sehr schnell blamieren und entzaubern.“

Berliner FDP: Im Osten müssen wir noch Gas geben

Er sei zufrieden, dass sich die FDP „im neuen Wettbewerb mit der AfD bewährt“ habe und „im Westen wieder voll dabei“ sei, sagte der einstige Chef der Bundestagsfraktion, Hermann-Otto Solms, dem Tagesspiegel. Im Osten, mahnte jedoch der Schatzmeister der Berliner FDP, Lars Lindemann, werde man aber „noch Gas geben müssen“. Von dort müssten „die entscheidenden Stimmen für 2017“ kommen, so Lindemann gegenüber dieser Zeitung.

Er sei sehr optimistisch, auch im Osten noch eine Trendwende hinzubekommen, sagte Lindner am Montag. Von Sachsen-Anhalt hätte er sich zwar "mehr erwartet". Allerdings habe man auch Pech gehabt, der FDP hätten dort am Ende grade mal 1700 Zweitstimmen gefehlt.

Wie stark die  Liberalen nach diesem Sonntag wieder im Spiel sind, zeigt sich daran, dass sie nun von beiden Wahlsiegern  – der SPD in Mainz wie den Grünen in Stuttgart –   als Mehrheitsbeschaffer benötigt und umworben werden. Notgedrungen, denn weder der Grüne Winfried Kretschmann noch die Sozialdemokratin Malu Dreyer kommen mit ihren bisherigen Zweierbündnissen auf eine parlamentarische Mehrheit.

"Auch in der Opposition ein Gewinn"

Lindner stemmt sich jedoch gegen solche Verlockungen. Die FDP stehe für „alle möglichen Gespräche“ mit demokratischen Parteien zur Verfügung, sagt er. „Wir stehen aber nicht zur Verfügung für einen Verrat an unseren Prinzipien.“ Seine Partei habe schließlich „eine Lernerfahrung gemacht“. Es gehe "nicht um Dienstwagen, sondern um politische Inhalte". Und Liberale seien auch in der Opposition „ein Gewinn“. 

Insbesondere für Baden-Württemberg gibt sich der Parteichef abweisend. Kretschmann habe einen Politikwechsel ausgeschlossen, sagt Lindner. Die FDP strebe diesen Politikwechsel aber an. „Nach den Gesetzen der Logik kommen wir damit nicht zusammen." In Rheinland-Pfalz sei die Situation etwas anders, da es dort schon eine sozial-liberale Koalition gebe. Allerdings werde die Bundespartei den Landesverbänden keine Vorgaben machen, sie hätten freie Hand bei Regierungsbildungen.

Neben der Sorge, wieder als Umfallerpartei wahrgenommen zu werden, treibt den Parteichef womöglich noch eine andere Sorge um. Es ist seine eigene große Herausforderung, 2017 in Nordrhein-Westfalen. Dort, im bevölkerungsstärksten Land, muss Lindner im Mai nächsten Jahres gegen Rot-Grün antreten. Und da macht es sich vielleicht nicht so gut, wenn seine FDP anderswo mit ebendiesen Parteien im Regierungsboot sitzt.

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