Nach Liu Xiaobos Tod: China zeigt sein wahres Gesicht
Der Westen begeht gerade einen großen Fehler. Er sieht in China nur noch den Wirtschaftspartner. Dabei kennt dieses Land keine Gnade. Ein Kommentar.
Nur wenige Stunden nach Liu Xiaobos Tod hat ein chinesischer Journalist Donald Trump bei einer Pressekonferenz in Paris eine Frage gestellt: Was der US-Präsident vom chinesischen Präsidenten halte? Donald Trump nannte Xi Jinping einen „Freund“ und sprach von einem „sehr guten Mann“. Kein Wort verlor er über den menschenverachtenden Umgang dieses „sehr guten Mannes“ mit dem chinesischen Friedensnobelpreisträger, kein Wort über dessen Weigerung, den todkranken Menschenrechtsaktivisten zur Behandlung nach Deutschland oder in die USA ausreisen zu lassen.
Man könnte es der üblichen Trump’schen Ignoranz zuschreiben, doch leider versäumte es auch der französische Präsident Emmanuel Macron, bei dieser Gelegenheit ein öffentliches Wort über Liu Xiaobo zu verlieren. Eine Beileidsbekundung auf Twitter schien ihm zu genügen.
Der Westen begeht gerade einen großen Fehler. Er sieht im reichen China nur noch den wichtigen Wirtschaftspartner, der billige Waren produziert und ihm, wie im Falle Deutschlands, Exporte abnimmt. Und er sieht im mächtigen China einen neuen Freund, um globale Herausforderungen wie den Klimawandel oder die Bedrohung der Globalisierung zu bewältigen. Nun, da die USA dafür offenbar ausfallen. Deutschland spricht gar von einer „umfassenden strategische Partnerschaft“ mit China.
Doch was der Westen gerne vergisst: Es ist immer noch das alte autoritäre China, das Land Mao Zedongs, mit dem er seine Verträge schließt. Und dieses China kennt letztlich nur eine einzige Triebkraft: Den Machterhalt der kommunistischen Partei. Dieses China setzt alle formalen Rechte seiner Bürger außer Kraft, wenn es die Einparteienherrschaft bedroht sieht. Dann kennt es keine Gnade.
Das tragische Schicksal der Witwe
Im Leben und Sterben Liu Xiaobos hat dieses China sein wahres Gesicht gezeigt. Es fürchtete sich so sehr vor den Ideen und Schriften eines seiner größten Söhne, dass es ihn immer wieder ins Gefängnis warf. So sehr ängstigte es sich vor seinen Worten, dass es ihm sogar in seinen letzten Tagen die ersehnte Ausreise verweigerte. Stattdessen ließ es ihn bis in die Todesminute strengstens bewachen.
Dass bei einem derart stark überwachten Gefangenen eine Krebserkrankung erst so spät erkannt worden sein soll, verwundert auch sehr. Es lässt erahnen, dass Menschenrechte hinter chinesischen Gefängnismauern erst recht nicht viel zählen dürften. Zumal sich das Land unter demjenigen, den Trump einen „sehr guten Mann“ nennt, in den letzten Jahren innenpolitisch weiter verhärtet hat. Seit 2015 hält eine Verhaftungswelle unter Menschenrechtsanwälten an. Einige von ihnen erklären, gefoltert worden zu sein.
Und schließlich ist da das tragische Schicksal von Liu Xiaobos Witwe. Liu Xia leidet seit 2010 unter einem Hausarrest, für den es nie eine rechtliche Begründung gab. Seit Liu Xiaobos Tod ist auch seine Witwe verschwunden, Freunde haben keinen Kontakt mehr zu ihr. Ihre Ausreise zu fordern, ist das Mindeste, was die westlichen Nationen jetzt tun können. Mutiger aber zeigt sich Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen, und das, obwohl die Volksrepublik ein riesiges Waffenarsenal auf ihre Insel gerichtet hat. Sie schreibt: „Nur durch eine Demokratie, in der jeder Chinese Freiheit und Respekt genießt, kann China wirklich ein stolzes und mächtiges Land werden.“ Liu Xiaobo hätte es ähnlich formuliert, nur schöner.
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