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Bundeswehrsoldaten 2011 nahe Kundus. Noch sind 1100 deutsche Soldaten im Land.
© Maurizio Gambarini/dpa

Nato-Einsatz in Afghanistan: Bundeswehr könnte bis Mitte August abgezogen werden

Präsident Biden will alle US-Soldaten bis zum 11. September vom Hindukusch abrücken lassen. Für die Bundeswehr endet ihr verlustreichste Mission.

Die Bundeswehr könnte nach den Plänen der Bundesregierung bereits bis Mitte August aus Afghanistan abgezogen werden. Das sagte Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) am Mittwoch in einer telefonischen Unterrichtung der Fachpolitiker aller Bundestagsfraktionen zu den Abzugsplänen, wie die Deutsche Presse-Agentur von mehreren Teilnehmern erfuhr.

US-Präsident Joe Biden hatte kurz zuvor im Weißen Haus angekündigt, dass der Abzug amerikanischer Soldaten am 1. Mai beginnen werde. Abgeschlossen wird er nach Bidens Angaben bis zum 11. September, dem 20. Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington.

Längster Bundeswehr-Einsatz

Die Nato verkündete in Brüssel nach Beratungen der Außen- und Verteidigungsminister ihrer Mitgliedsstaaten, das Bündnis werde bis zum 1. Mai den Abzug seiner Truppen aus Afghanistan einleiten. Damit endet nach fast 20 Jahren auch die Bundeswehr-Mission am Hindukusch. Deutschland ist nach den USA der zweitgrößte Truppensteller des Nato-Einsatzes in Afghanistan. Derzeit sind noch 1100 deutsche Soldaten dort stationiert. Insgesamt sind es rund 10.000 Soldaten, darunter 2500 Amerikaner.

Für die Bundeswehr war es der verlustreichste Einsatz ihrer Geschichte. 59 deutsche Soldaten ließen in Afghanistan ihr Leben, von ihnen wurden 35 in Gefechten oder bei Anschlägen getötet. Afghanistan ist zudem der zweitlängste Auslandseinsatz der Bundeswehr nach der Kosovo-Mission, die bereits 1999 begann.

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Biden und Bundeskanzlerin Angela Merkel vereinbarten in einem Telefonat eine enge Abstimmung beim Truppenabzug. Die beiden hätten zudem unterstrichen, dass sie das politische Engagement für das Land fortsetzen wollten, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert mit.

Außenminister Heiko Maas (SPD) sagte in den ARD-„Tagesthemen“, die Entscheidung für den gemeinsamen Truppenabzug sei von allen 30 Nato-Verbündeten mitgetragen worden. Es werde ein geordneter Abzug, bei dem die Sicherheit der Soldaten gewährleistet sei.

Ehrenhain in Kundus: 59 Deutsche starben in Afghanistan.
Ehrenhain in Kundus: 59 Deutsche starben in Afghanistan.
© Michael Kappeler/dpa / dpa

Der Bundeswehrverband begrüßte den geplanten Abzug der Nato-Truppen und damit auch der deutschen Soldaten aus Afghanistan. Es sei eine folgerichtige Entscheidung von „historischer Tragweite“, sagte der Vorsitzende André Wüstner der Deutschen Presse-Agentur. „Sie markiert das Ende des bedeutendsten und zugleich verlustreichsten Einsatzes der Bundeswehr.“ Nun gehe es darum, eine sichere Rückkehr der Soldaten nach Deutschland zu organisieren. Wüstner forderte dafür den Einsatz zusätzlicher Schutz- und Spezialkräfte.

Unsichere Zukunft für Afghanistan

Für das kriegsgeplagte Afghanistan und seine 38 Millionen Menschen brechen mit dem Abzug der internationalen Truppen einmal mehr ungewisse Zeiten an. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg räumte ein, Afghanistan zu verlassen sei keine einfache Entscheidung, „und es birgt Risiken“. Er sagte zum Zeitplan für den Abzug der Nato-Truppen lediglich, dieser solle „innerhalb weniger Monate“ abgeschlossen werden. Konkreter wurde er nicht.

Die Anschläge vom 11. September 2001, für die das Terrornetz Al Qaida verantwortlich gemacht wurde, hatten damals den Einmarsch der US-geführten Truppen in Afghanistan ausgelöst. Der Militäreinsatz führte binnen weniger Wochen zum Sturz des Taliban-Regimes, das sich geweigert hatte, Al-Qaida-Chef Osama bin Laden auszuliefern. US-Spezialkräfte töteten Bin Laden im Mai 2011 in Pakistan.

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„Wir sind nach Afghanistan gegangen wegen eines schrecklichen Angriffs, der vor 20 Jahren geschah“, sagte Biden am Mittwoch. „Das kann nicht erklären, warum wir 2021 dort bleiben sollten.“ Die USA müssten sich auf aktuelle Herausforderungen konzentrieren, statt mit den Taliban Krieg zu führen. „Es ist Zeit, Amerikas längsten Krieg zu beenden. Es ist Zeit für die amerikanischen Truppen, nach Hause zu kommen.“ Zum Höhepunkt vor rund zehn Jahren waren etwa 100.000 US-Soldaten in Afghanistan im Einsatz.

Biden: „Wir haben das Ziel erreicht“

Biden sagte, man könne die Militärpräsenz nicht immer wieder in der Erwartung verlängern oder vergrößern, die „idealen Bedingungen“ für einen Abzug zu schaffen. Ziel des Einsatzes sei gewesen, sicherzustellen, dass Terroristen von Afghanistan nicht wieder die USA angreifen könnten. „Wir haben das Ziel erreicht.“

Der US-Präsident betonte zugleich: „Obwohl wir in Afghanistan nicht weiter militärisch involviert sein werden, wird unsere diplomatische und humanitäre Arbeit weitergehen.“ Die USA würden Afghanistans Regierung, die Sicherheitskräfte und auch die Friedensverhandlungen mit den Taliban nach einem Abzug weiter unterstützen. Das versprachen auch US-Außenminister Antony Blinken und US-Verteidigungsminister Lloyd Austin. Sie waren persönlich nach Brüssel gereist, um dort mit den Nato-Partnern über das weitere Vorgehen zu beraten.

Unter Bidens Vorgänger Donald Trump hatte die US-Regierung mit den Taliban einen Abzug aller internationalen Truppen bis zum 1. Mai vereinbart. Biden bricht diese Zusage nun. Die Aufständischen hatten zuletzt neue Gewalt gegen Nato-Truppen angedroht, sollte die Frist bis zum 1. Mai nicht eingehalten werden. Biden wie auch Stoltenberg und Austin warnten die Taliban, bei etwaigen Attacken auf Soldaten der USA oder anderer Nato-Staaten während der Abzugsphase müssten sie mit einer kraftvollen Antwort rechnen.

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Der afghanische Präsident Aschraf Ghani teilte nach einem Telefonat mit Biden am Mittwoch auf Twitter mit, die Islamische Republik Afghanistan respektiere die US-Entscheidung. Man werde mit den US-Partnern zusammenarbeiten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten. Zudem werde man weiter mit den USA und der Nato an den laufenden Friedensbemühungen arbeiten. Ghani versicherte gleichzeitig, dass die Sicherheitskräfte des Landes in der Lage seien, das Land und die Bevölkerung zu verteidigen.

Mit Spannung wird nun erwartet, welche Konsequenzen die Entscheidung für die laufenden Friedensverhandlungen zwischen afghanischer Regierung und Taliban hat. Als Risiko gilt, dass die Taliban nach einem Truppenabzug mit Waffengewalt die Macht übernehmen könnten. Für die junge Demokratie in Afghanistan und Fortschritte bei Frauenrechten oder Medienfreiheit wäre dies wohl der Todesstoß.

Die pakistanische Regierung bescheinigte den afghanischen Taliban allerdings eine gewachsene Bereitschaft zu Kompromissen. „Sie haben durchaus verstanden, dass sich Afghanistan verändert hat. Und dass sie diesen Wandel akzeptieren müssen“, sagte Außenminister Shah Mehmood Qureshi der „Welt“. (dpa)

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