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Schlangestehen vor dem Impfzentrum in Lebach: Selbst mitten in der Nacht lassen sich viele Menschen impfen.
© Sascha Jung/ Bundeswehr

Antreten zur Immunisierung: Bundeswehr bereitet sich auf Großeinsatz in der Pandemiebekämpfung vor

Sobald genügend Impfstoff bereit steht, könnte die Bundeswehr helfen, die Dosen schneller zu verteilen. Notfalls auch rund um die Uhr. Ein Überblick.

Auf dem Gelände der Graf-Haeseler-Kaserne im saarländischen Lebach wird rund um die Uhr geimpft. Wie schon bei Schnelltests in Pflegeheimen und der Hilfe überforderter Gesundheitsbehörden bei der Kontaktnachverfolgung, sollen die Bundeswehr-Soldaten auch beim Impfen schrittweise zum wichtigen Pandemiehelfer werden.

Anfang März hat hier das bundesweit erste rund um die Uhr arbeitende Corona-Impfzentrum die Arbeit aufgenommen. Die Resonanz ist „überwiegend sehr positiv“, sagt Oberstleutnant Thomas Dillschneider zum Tagesspiegel. Binnen kürzester Zeit seien alle rund 15.000 Impftermine auch für die Nachtstunden vergeben worden. „Dies zeigt, wie gut das Impfangebot von der saarländischen Bevölkerung angenommen wird.“

Ein Sprecher der Bundeswehr im Saarland, der Impfwillige in Lebach begleitet hat, berichtet aus dem Impfzentrum: „Die Impflinge vor Ort sind glücklich und zufrieden. Auch nachts ist die Stimmung vor Ort super und entspannt. Wir sind selbst total begeistert, dass so ein positives Feedback aus der Bevölkerung kommt“, so der Sprecher zum Tagesspiegel.

Auch nachts ist die Impfbereitschaft groß

Viele Impfberechtigte würden sich über die Möglichkeit freuen, auch nachts geimpft werden zu können, weil sie dadurch früher einen Termin bekommen haben. Doch wer steht eigentlich mitten in der Nacht auf, um sich gegen das Coronavirus impfen zu lassen?

„Da sind die unterschiedlichsten Menschen dabei: sowohl junge Menschen, männlich und weiblich, die zum Beispiel Kontaktpersonen von pflegebedürftigen Personen sind. Die sagen sich: tagsüber sollen sich die Großeltern impfen lassen und nachts gehen dann wir. Es sind aber auch Erwachsene, die im schulischen oder pflegerischen Dienst tätig sind oder Angehörige von Schwangeren. Menschen, die tagsüber arbeiten müssen und dann nach dem Spätdienst oder vor der Frühschicht zum Impfen kommen.“

Eine junge Frau sagte zum Beispiel, sie habe nachts vielleicht Besseres zu tun, aber eben nichts Wichtigeres, schildert der Bundeswehrsprecher aus der Kaserne in Lebach.

Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm zudem die 78-jährige Sieglinde Ludwig. „Ihr war es sehr wichtig, dass sie schnellstmöglich geimpft wird, auch um ihre Enkelkinder wieder zu sehen. Also sagte sie sich: Ich bin eh eine Nachteule und ist dann – vor ihrem nächtlichen Fernsehkrimi – in Begleitung ihrer Nachbarin kurz nach Mitternacht vorbeigekommen.“

 Die 78-jährige Impfberechtigte Sieglinde Ludwig kam nachts zusammen mit ihrer Nachbarin Petra Weber.
 Die 78-jährige Impfberechtigte Sieglinde Ludwig kam nachts zusammen mit ihrer Nachbarin Petra Weber.
© Sascha Jung/ Bundeswehr

Bundeswehr kann helfen, das Impftempo zu erhöhen

Bislang gibt es ein weiteres Impfzentrum der Bundeswehr in Berlin, ein drittes sei in Bonn im Aufbau. Beide Zentren sind jedoch nicht im 24-Stunden-Einsatz. Hinzu kommen tausende Soldaten, die in den regulären Impfzentren mithelfen.

„Mittelfristig kann ein verstärkter Einsatz der Bundeswehr dazu beitragen, das Impftempo in Deutschland zu erhöhen.“, bestätigt Impfexperte Carsten Watzl, Leiter des Forschungsgebiets Immunologie am Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund, gegenüber dem Tagesspiegel. Voraussetzung ist jedoch, dass genügend Impfstoff zur Verfügung steht.

Derzeit sorge das Mitimpfen der Hausärzte für Beschleunigung. „Der Impfstoff, den wir im April bekommen, kann auch verimpft werden.“, so Watzl. Diese Situation werde sich im Mai oder Juni aber verändern, warnt der Experte.

„Dann bekommen wir noch mal mehr Impfstoff geliefert als im April, und dann darf es uns nicht passieren, dass wir Impfstoff aus logistischen Gründen nicht verimpfen können.“ Da eine solche Logistik jedoch eine gewisse Vorlaufzeit braucht, empfiehlt Watzl „alle Register zu ziehen“ und schon jetzt die Impf-Logistik weiter auszubauen, eben auch mit Hilfe der Bundeswehr.

Ein Soldat bereitet eine Spritze für die Impfung vor.
Ein Soldat bereitet eine Spritze für die Impfung vor.
© Sascha Jung/ Bundeswehr

 Bis zu 20.000 Impfungen am Tag möglich

Das Angebot der Streitkräfte steht. Laut Verteidigungsministerin Annegret-Kramp-Karrenbauer (CDU) sind tagesaktuell bereits rund 3100 Soldatinnen und Soldaten in insgesamt 235 Impfzentren sowie 77 Mobilen Impfteams in 166 Landkreisen in 15 Bundesländern im Einsatz.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt: „Das können wir, wenn mehr Hilfe nötig wird, weiter erhöhen. Wenn genügend Impfstoff in den Ländern bereitsteht, können wir mit der Bundeswehr in ganz Deutschland pro Tag bis zu 20.000 Impfdosen verimpfen.“

Impfzentrum im Saarland als Modellprojekt

Ein 24-Stunden-Impfzentren wie im Saarland kann bis zu 1000 Impfungen pro 24 Stunden vornehmen. Wenn genug Impfstoff verfügbar ist, könnte die Bundeswehr so bis zu 28 eigene Impfzentren sieben Tag die Woche rund um die Uhr betreiben.

Das Impfzentrum im Saarland könnte „als Modell für weitere durch die Bundeswehr betriebene Impfzentren gelten“, sagt ein Sprecher des Verteidigungsministeriums zum Tagesspiegel.

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Die Hilfe muss jedoch offiziell angefragt werden

Von selbst kann die Bundeswehr und auch das Verteidigungsministerium aber nicht tätig werden – das zeigte schon die Debatte um die Ablehnung von Bundeswehr-Hilfe bei der Kontaktnachverfolgung von Corona-Infizierten im linken Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg.

„Die personelle und materielle Ausgestaltung ist im Einzelfall abhängig von dem jeweiligen Amtshilfeantrag.“, betont das Verteidigungsministerium. Das bedeutet, dass eine Behörde laut Grundgesetz (Artikel 35 Abs. I) einen Antrag auf Unterstützung an die Bundeswehr in dem Bundesland richten muss.

Aktuell sind im Rahmen der sogenannten Amtshilfe deutschlandweit rund 11.000 Bundeswehrangerhörige im Pandemieeinsatz. Bis zu 25.000 Soldatinnen und Soldaten stünden insbesondere für die Impfkampagne bereit.

Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer besuchte das Impfzentrum in Lebach.
Die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer besuchte das Impfzentrum in Lebach.
© imago images/BeckerBredel

 In Sachsen soll im Mai ein zweites 24-Stunden-Impfzentrum eröffnen

„Jeder, der Verantwortung in Deutschland trägt, weiß dass die Bundeswehr da ist, dass die Bundeswehr helfen kann und dass die Bundeswehr helfen will, aber sie muss nach der Verfassungslage angefragt werden“, betont Kramp-Karrenbauer.

Neben dem Freistaat Bayern hätten bisher nur Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen „Interesse an einer Ausweitung der Unterstützung der zivilen Impfkampagne“ gezeigt – größtenteils durch den Einsatz mobiler Impfteams, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.

Im nordsächsischen Delitzsch eröffnet am 1. Mai zudem das bundesweit zweite 24-Stunden-Impfzentrum der Bundeswehr. Auch hier soll zukünftig 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag geimpft werden, um die verfügbaren Impfdosen noch schneller zu verteilen.

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